cf: Bibliothek
"Weißt du, das sind doch Sprüche, die ich schon hunderte Male gehört habe. Vorurteile gegen reiche Kinder gibt es wie Sand am Meer, ich kenne sie alle.", sagte Logan gefasst gegenüber Nells spöttischen Kommentaren, die immer und immer wieder Spitzen gegen Logans Herkunft waren. Sie wusste, dass sie Vorurteile hatte, aber sie hatte es sich niemals anders vorgestellt. Als sie klein war, hatte sie sich abends, wenn sie im Bett lag, immer vorgestellt, wie anders das Leben reicherer Menschen wohl aussehen mochte. Im Moment zwischen Licht aus und Einschlafen hatte sie sich ein besseres Leben gewünscht.
Später dann, als sie älter wurde und sich mehr und mehr von ihren Eltern löste, zu denen sie ohnehin nie ein gutes Verhältnis gehabt hatte, hatte sie angefangen, nichts als Verachtung für die Menschen zu empfinden, die sich auf ihrem Reichtum ausruhten und sich nicht darum scherten, wie es anderen erging, die nicht so viel hatten wie sie selber. Es war also kein Wunder, dass sie Logan nicht leiden konnte und dass sie ihm gegenüber mehr als nur ein Vorurteil hatte.
„Jeder hat Vorurteile, du kannst mir nicht erzählen, dass du keine hast. Das wäre eine Lüge.“, antwortete Nell kühl und sah Logan kurz eindringlich an. Sie wusste, dass es in der Natur der Menschen lag, voreingenommen zu sein, vielleicht versuchte man, sich seine Vorurteile nicht anmerken zu lassen –auch vor sich selbst nicht- doch im Grunde genommen hatte man immer Vorurteile denjenigen gegenüber, die anders waren als man selbst. Und nicht selten stimmten diese Vorurteile auch; auch das wusste Nell. Nur Logan schien es nicht zu wissen.
„Nicht nur gegen solche wie dich gibt es Vorurteile, also stell es nicht so dar. Und leugnen, dass das eine oder andere nicht auch stimmt, oder?“, fragte Nell und wunderte sich, warum sie überhaupt darüber mit Logan sprach. Sie wusste ohnehin schon seine Antwort. Mit Sicherheit würde er alles abstreiten und auch nicht zustimmen, dass er selbst ebenfalls Vorurteile hatte. Menschen wie er fühlten sich doch immer über andere erhaben.
„Gegen mich gibt es sicherlich genau so viele Vorurteile wie gegen dich.“ Nell grinste schief und widmete sich ausgiebig der Betrachtung eines Aufnähers auf ihrer Tasche, der sich beinahe gänzlich von dem schwarzen Stoff wieder abgelöst hatte. Sie würde ihn beizeiten wieder richtig annähen müssen, wenn sie ihn nicht verlieren wollte. Sie zuckte mit den schmalen Schultern und richtete den Blick wieder auf Logan, der ungeachtet ihrer Worte weiterhin seine Notizen zusammensammelte.
"Wenn man da, wo du herkommst, gutes Benehmen nicht zu schätzen weiß, dann ist das sehr schade. Aber vielleicht gewöhnst du dich ja daran", sagte Logan mit einem seltsamen und für Nell nicht zu deutenden Lächeln. fast schien es so, als bemitleide er sie dafür, dass sie niemals gelernt hatte, Höflichkeit zu schätzen. Sie verstand allerdings nicht so recht, was es daran zu bemitleiden gab, denn sie hatte höfliches Benehmen nie vermisst und war auch ohne es immer gut durchs Leben gekommen.
„Wenn du meinst.“, antwortete die Blondine gleichgültig und hob ratlos die Schultern. Es war ihr egal, ob Logan ihr gegenüber sein adlig-höfliches Gehabe an den Tag legte oder nicht, sie gab ohnehin keine sonderlich großen Stücke auf seine Gesellschaft. Manchmal wäre es ihr sogar lieber, er würde in der Zeit, in der sie miteinander zutun hatten, nicht ganz so nett und freundlich sein und sich auch mal auf ihre Provokationen einlassen, denn dann hätte sie ihn bessere einschätzen können. Doch so, wie er war, war es ihr völlig fremd und sie wusste nie, was sie von ihm zu erwarten hatte.
„Man kommt nicht überall mit bloßer Höflichkeit weiter.“, erklärte die Gryffindor und grinste Logan zu. Sie wusste das besser als er. Man hätte sie dort, wo sie herkam und mehr als die Hälfte ihres bisherigen Lebens verbracht hatte wohl nur ausgelacht, wenn sie höflich um etwas, das sie haben wollte, gebeten hätte. Man nahm sich das, was man brauchte, ohne großartig nachzufragen. Fressen und gefressen werden lautete das Gesetz der Straße und nur wer hart war und sich nicht unterkriegen ließ, konnte unbehelligt leben. Und das war etwas, was Nell stets sehr wichtig gewesen war, konnte sie sich doch im Kreise ihrer Familie schon nicht ausleben.
Nell hatte bereits früh gelernt, dass man im Leben nichts geschenkt bekam und sie hatte auch nie Freunde besessen, die so viel Geld gehabt hätten, dass sie ihr teure Geschenke machen konnten. Umso mehr erstaunte und verwirrte sie es nun, dass Logan, der ihr eigentlich fremd war und sie nicht einmal leiden konnte, ihr etwas schenken wollte. Er wollte ihr tatsächlich einen Umhang von Munroe Gowns schenken. Und sie konnte sich einfach nicht erklären, warum er das tun wollte. Sie war es doch schließlich selbst schuld, dass ihr alter Umhang mit Tinte verschmiert worden war und seiner noch dazu. Die einzige Erklärung, die ihr plausibel schien, war, dass er es tat, weil er Geld hatte. Und weil Munroe Gowns die Firma seines eigenen Vaters war und er sicherlich nicht einmal etwas für einen der Umhänge bezahlen musste, die für Personen, die aus sehr bescheidenen Verhältnissen stammten so wie Nell, nicht zu bezahlen waren.
„Du willst ihn mir schenken?“, fragte Nell und ihre Stimme war nur ein ungläubiges Flüstern. „Warum?“ Mit großen Augen sah sie ihn an und man konnte ihr aus dem Gesicht lesen, dass sie diese Geste nicht nachvollziehen konnte. Sie war sich sicher, dass sich Logan nicht von der Idee, ihr einen Umhang zu schenken, abbringen lassen würde, doch genauso wusste sie, dass sie diesen Umhang nicht würde annehmen können. Das verbot ihr der Stolz, den sie hatte. Auch wenn sie sich schon mehr als einmal gewünscht hatte, einen solchen Umhang zu tragen, auch wenn sie niemals etwas gegen ihre eigene Kleidung gehabt hatte, sie konnte nicht einfach ein solch teures Geschenk nehmen und behalten. Es ging einfach nicht und schon bei der bloßen Vorstellung wurde Nell schlecht.
„Tu was du nicht lassen kannst, aber ich werde das nicht annehmen, nur damit du es weißt. ganz bestimmt nicht.“, erklärte Nell mit Nachdruck und stemmte die Hände in die Hüften.
Dennoch konnte sie sich eines Schmunzelns nicht erwehren, als Logan auf ihr T-Shirt anspielte. Irgendwie mutete es seltsam an, dass Logan von einer ihrer Lieblingsbands aus der Muggelwelt sprach, der Name klang so seltsam und doch so vertraut aus seinem Mund.
„So ein T-Shirt wirst du in deiner Welt wohl niemals finden. Das ist eine Muggelband. Und sie machen fabelhafte Musik. Die dir aber wahrscheinlich nichts sagen wird“, lachte Nell und machte sich auf den Weg durch die menschenleere Bibliothek in Richtung Ausgang. Sie blickte Logan lachend an und ging weiter, ohne darauf zu achten, ob der Ravenclaw ihr folgte oder nicht.
"Außerdem scheint Zauberkunst mir grad etwas nützlicher als Arithmantik zu sein. Willst du später etwas in dem Bereich machen? Zauberkunst und so?"
Nell wandte sich zu Logan um und sah ihn forschend an. Interessierte er sich wirklich dafür, was sie mit ihrer Zukunft anstellen wollte, oder wollte er einfach nur wissen, welche Pläne ein Mädchen, das nur in einem einzigen Schulfach wirklich gut war, hatte?
„Musik. Ich will später etwas mit Musik machen“, antwortete Nell ihm, während sie auf den Gang hinaustrat, stehen blieb und sich zu dem hochgewachsenen, breitschultrigen Mitschüler umwandte. Jetzt, wo sie beide sich gegenüber standen, fiel ihr erst auf, wie groß Logan tatsächlich war. Man musste ihm wirklich lassen, dass er für jemanden seines Standes eine ausnehmend gute Figur hatte. Grinsend taxierte sie ihn für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie weitersprach: „Das ist das einzige, was ich schon immer machen wollte. Aber vielleicht kann Zauberkunst da ganz nützlich sein.“ Das Mädchen fuhr sich durch das blond gefärbte Haar und im Licht der an den Wänden hängenden Fackeln stach ihre violette Haarsträhne gut sichtbar hervor. Im selben Moment, da sie aussprach, was sie wollte, fragte sie sich, warum sie Logan überhaupt davon erzählte. Es interessierte ihn ja ohnehin nicht. Und außerdem: er heilt wahrscheinlich nichts davon, sich seinen Lebensunterhalt mit etwas so Unprofitablen wie Musik zu verdienen. Man wusste schließlich nicht einmal, ob es sich rentierte und ob man genug verdiente, um Leben zu können. Doch Nell störte das nicht im Geringsten. Ihr ging es darum, das zu tun, was sie schon immer hatte tun wollen. Sie wollte ihre Leidenschaft ausleben, ungeachtet dessen, was sie dabei verdiente oder nicht. Geld war ihr egal, sie war ohne viel Geld aufgewachsen und würde auch gut so weiterleben können, wenn sie mit ihrer Musik genug verdienen konnte, so war das nur ein positiver Nebeneffekt.
„Was willst du später machen? Dich auf deinem Landsitz ausruhen, in Geld schwimmen und dick und fett werden?“, neckte sie weiter und grinste ihn frech an.
"Ich werde dich noch schnell hoch zu eurem Turm bringen", sagte Logan mit einem Mal bestimmt und ging zielstrebig Nell voran, die sich soeben in Bewegung gesetzt hatte. Und schon wieder schaffte er es, sie zu überraschen. Sie hatte eigentlich alleine sein wollen, nicht mehr in seiner Gegenwart, die vor Reichtum nur so stank. Sie hatte so weit wie möglich von seinem höflichen gehabe wegkommen wollen und nun machte dieses ihr sogar bei diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Und sie versuchte gar nicht erst, ihn davon abbringen zu wollen, denn sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. So viel hatte sie von Logan zwischenzeitlich kennen gelernt: wenn er sich etwas in sein hübsches Adelsköpfchen gesetzt hatte, dann hielt er auch daran fest und ließ sich nicht einmal von Nells Grobheit davon abbringen.
„Mach doch was du willst. Mir egal“, meinte die Schülerin und schloss mit große Schritten zu dem Jungen auf. Es brachte nichts, ihn dazu bringen zu wollen, sie in Ruhe zu lassen, also fand sie sich besser schnell damit ab, dass er sie zu ihrem Gemeinschaftsraum begleiten musste, auch wenn sie ganz sicher das letzte Mädchen in Hogwarts war, das einen Anstandswauwau auf dem Weg nach Hause brauchte. Doch das schien Logan, der sicherlich um diese Tatsache wusste, war Nell doch so offensichtlich anders als die Mädchen, mit denen der Ravenclaw sonst verkehrte, selbst zu wissen und es schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern.
„Aber dir ist schon bewusst, dass dich dieser Ausflug nach der Ausgangszeit zum Gryffindorturm deine perfekte, weiße Weste als straftatenfreier Musterschüler kosten könnte?“ Wieder schwang in der Stimme der jungen Hexe ein sarkastischer Unterton mit, schon wieder versuchte sie, Logan zu provozieren. Auch wenn bisher keine einzige dieser Provokationen gefruchtet hatte, so musste Nell doch zugeben, dass es ihr Spaß machte, Logan zu necken und sich über ihn lustig zu machen. Abgesehen davon, war es einfach ein Teil von Nells Charakter, andere zu ärgern, zu provozieren und mit sarkastischen Kommentaren manchmal sogar zu beleidigen.
Sie konnte gar nicht anders.
.:|Cornelia 'Nell' Hathaway. Seventeen. 7th class. Gryffindor. [Wannabe]Musician|:.
Where did the blue sky go? And why is it raining so?
.:|No risk, no fun. Colorful. Don't dare me. Musical. Rebellious|:.
I hate you I hate you I hate you I hate you
And still there's something about you
Making my heart beat faster
[For you?]
Call me. Emmy. Claire. Erin. Lynn. Summer. Leilani. If you want.