spyder (w)
Gelegenheitsträumer 
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Erstellt: 26.05.04, 19:54 Betreff: Re: vom Leben zum Tod |
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Vor (im Herbst) 6 Jahren verlor ich auch einen meiner liebsten Menschen – meinen Opa, er war wirklich der Einzige, dem ich alles anvertraut habe. Er kam mit der Diagnose auf „Blutvergiftung“ ins Krankenhaus. Wir haben uns wirklich um ihn gesorgt, ich war jeden Tag in seinem Zimmer, saß an seinem Bett, hab ihm von meinem Tag erzählt, meine Hausaufgaben mit ihm gemacht und die Sachen, die ich auswendig lernen musste, habe ich ihm auswendig aufgesagt. Ein paar Wochen später ging es ihm auch wieder gut, er durfte nach Hause. Was ich damals nicht verstand ist, dass er so umsorgt wurde von meinen Eltern, denn die Ärzte (so sagten es mir meine Eltern) sagten, dass er wieder gesund sei. Das Leben ging normal weiter... Wieder ein paar Wochen später (Spätsommer), kam er wieder ins Krankenhaus. Die Ärzte hielten ihn dieses mal länger und auch in einem Einzelzimmer „fest“. Ich war wieder jeden Tag bei ihm, er wurde immer schwächer, sah schlechter aus. Dann habe ich einmal ein Gespräch mit den Ärzten mitbekommen. Da wusste ich erst, dass mein Opa Krebs hatte. Meine Eltern hatten es mir verschwiegen, weil ich noch jung war. Mein Opa bekam jeden Tag mehrere Spritzen, bald ging es ihm wieder besser, bis ihn die Chemo wieder ins Bett fesselte. Aber er ließ sich nie unterkriegen, er dachte er würde es schaffen, jeder dachte daran. Er flirtete mit den Schwester, als sie ihm die Spritzen gaben und machte Witze mit den Ärzten. Dann war wieder ein Tag wo es ihm richtig mies ging, ich saß an seinem Bett, hielt seine Hand und sagte immer wieder: „Opa, wir schaffen das!“ „Lass dich nicht unterkriegen!“ „Ich helfe dir!“ Er strich mir dann immer über die Wange und sagte: „Wenn ich dich nicht hätte, Kleine!“ Dann war ich über’s Wochenende bei meiner Patentante, die damals noch nicht weit von uns weg wohnt. Samstag kriegte sie einen Anruf von meinem Vater. Sie gab mir den Hörer und mein Vater sagte: „Schatz, komm bitte ins Krankenhaus, dein Opa will dich noch einmal sehen!“ Meine Patentante setzte sich mit mir ins Auto und wir fuhren dorthin. Mein Opa lag leichenblass auf seinem Bett, seine Hände auf dem Bauch liegend. Ich stürmte ins Zimmer, meine Eltern ließen mich allein mit ihm. Ein Seufzer erfüllte den Raum, als ich die Hand von meinem Opa in meine Hände nahm: „Bitte verlass mich nicht!“ Er drehte seinen Kopf in meine Richtung, wischte mir mit der Hand die Tränen aus dem Gesicht und redete leise: „Maus, ich bin immer für dich da... Es ist Zeit... Ich werde immer stolz auf dich sein, Kleine...“ Dann atmete er noch einmal ein und aus und dann war es still. ZU still, ich stupste ihn in die Rippen und sagte: „Nein, Opa, bleib bei mir...“ Ich schüttelte und mir liefen die Tränen aus den Augen auf sein Bett, auf seine Brust. Ich weiss nicht mehr genau wie es dann weiter ging, aber mein Vater musste mich mit Gewalt von seinem Krankenbett zerren. Ich wollte bei ihm bleiben. Ich war sauer auf ihn, weil er mich gerade jetzt verlassen hat. Er hat mich viel über die Pflanzenwelt gelehrt. Er war immer stolz auf mich, egal was ich tat. Tage später war die Beerdigung, ich vergrub mich in meinem Zimmer, ich war noch nie so verschlossen wie in diesen Wochen, das hat mich allerdings auch geprägt. Habe sehr viel geweint, kaum etwas gegessen, kaum geschlafen. Die Nacht vor der Beerdigung bin ich nachts von einem leisen Rufen aufgewacht, immer wieder klang es: „Maus“. Ich schaltete benommen das Licht an und auf dem Bettrand am Fußende saß mein Opa und schaute mich lächelt an. Ich war so geschockt, so dass ich das Licht wieder ausmachte, hatte Angst, weiss aber nicht wovor. Ich hab’s bis vor einem Jahr niemandem erzählt, dachte die Leute würden mich für verrückt erklären. Hab es dann einer sehr guten Freundin erzählt, deren Opa um die gleiche Zeit verstarb, sie sagte, dass sie dasselbe mit ihrem Opa hatte, sie sagte, dass mein Opa sich von mir verabschieden wollte... Ich hasste mich, weil ich ihm so gesehen keine Chance gegeben hatte, sich zu verabschieden. Bei der Beerdigung selbst habe ich meine Ohren auf Durchzug gestellt, als der Pastor über meinen Opa sprach, ansonsten hätte ich dauernd geweint und die Rede gestört. An seinem Grab, als der Sarg in die Erde gelassen wurde, stand ich da mit meiner weissen Rose und brach zusammen. Mein Cousin stützte mich, aber ich brach in Tränen aus, sodass er mich auf den Boden setze und sich neben mich kniete. Einzelne Details weiss ich nicht mehr.
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