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Tschicki

Administrator

Beiträge: 48201


New PostErstellt: 14.09.12, 00:41     Betreff: Rede des ehem. Bundespraesidenten Christian Wulff

Das klaue ich mal eben aus einem Forum:

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Hier mal die Rede unseres von einer Hetzkampagne geschassten Ex Präsidenten (dem man meines Wissens bis heute keine strafrechtlich relevanten Dinge nachweisen konnte). Zur Klarstellung: Wulff war Jurist ;-): 4. Konferenz der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau am Bodensee, 24.8.2011:
„... Als die Krise ausbrach, bestand auf globaler Ebene schnell Einigkeit. Beschlossen wurden Konjunkturpakete in einem bislang nie dagewesenen Ausmaß. Dem Finanzsektor und den Banken eilte man zu Hilfe - mit Geld der Steuerzahler, Staatsgarantien und massiven monetären Transfusionen durch die Notenbanken. Im Jahr 2008 galt es, mit allen Mitteln den Kollaps zu verhindern und den Kreislauf des Patienten Weltwirtschaft zu stabilisieren.
Ich möchte hier daran erinnern, daß das mit dem Vorsatz geschah, den Patienten Weltwirtschaft dann aber auch baldmöglichst zu therapieren. Doch immer noch ist der Bankensektor labil, sind die Staatsschulden in den größten Volkswirtschaften auf Rekordniveau und die fundamentalen Probleme für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit so präsent wie zuvor. Es wurde mehr Zeit gewonnen als Zeit genutzt, um den Patienten zu therapieren.

Auf dem Deutschen Bankentag hatte ich den Finanzsektor bereits gewarnt. Wir haben weder die Ursachen der Krise beseitigt, noch können wir heute sagen: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt. Wir sehen tatsächlich weiter eine Entwicklung, die an ein Domino-Spiel erinnert: Erst haben einzelne Banken andere Banken gerettet, dann haben Staaten vor allem ihre Banken gerettet, jetzt rettet die Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Da ist die Frage nicht unbillig: Wer rettet aber am Ende die Retter? Wann werden aufgelaufene Defizite auf wen verteilt beziehungsweise von wem getragen? ...
Wichtig dabei ist, daß die Lasten fair verteilt werden. Ich verstehe, daß viele nicht nachvollziehen wollen, daß Bankmanager zum Teil exorbitant verdienen, daß aber zugleich Banken mit Milliarden gestützt werden. Und Trittbrettfahrer in der Finanzwelt spekulieren weiterhin darauf, von der Politik und damit letztlich von Steuerzahlern aufgefangen zu werden - weil sie zum Beispiel zu groß sind und zu relevant für den gesamten Wirtschaftskreislauf...

Statt klare Leitplanken zu setzen, lassen sich Regierungen immer mehr von den globalen Finanzmärkten treiben. Wenn der DAX, der Börsenindex fällt, sollen Politiker ihren Urlaub abbrechen. Wenn es gut läuft, war es die Wirtschaft, wenn es nicht so gut läuft, ist es die Politik. Das kann nicht die Aufgabenteilung in der Gegenwart und Zukunft sein. Immer öfter treffen die Politiker eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft Demokratien in ihrem Kern...
Zuerst: Politik muß ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Sie muß sich endlich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren. Sie muß sich nicht abhängig fühlen und darf sich nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen, von Banken, von Ratingagenturen oder sprunghaften Medien. Politik hat Gemeinwohl zu formulieren, mit Mut und Kraft im Konflikt mit Einzelinteressen. Politik hat Strukturen zu ordnen und gegebenenfalls den Rahmen anzupassen, damit knappe Ressourcen bestmöglich eingesetzt werden und Wirtschaft und Gesellschaft gedeihen. Politik hat langfristig orientiert zu sein und, wenn nötig, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. In freiheitlichen Demokratien müssen die Entscheidungen im Übrigen immer von den Parlamenten getroffen werden. Denn dort liegt die Legitimation. In der Demokratie geht die Macht vom Volke aus, durch in Wahlen und Abstimmungen gewählte Repräsentanten und Abgeordnete...

Mich stimmt nachdenklich, wenn erst im allerletzten Moment Regierungen Bereitschaft zeigen, Besitzstände und Privilegien aufzugeben und notwendige Reformen einzuleiten. Erst recht, wenn die obersten Währungshüter dafür auch noch weit über ihr Mandat hinausgehen und massiv Staatsanleihen - derzeit im Volumen von über 110 Milliarden Euro - aufkaufen. Das kann und das wird auf Dauer nicht gut gehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden. Auch die Währungshüter müssen schnell zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren. Ich sage es hier mit Bedacht, ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für politisch und rechtlich bedenklich. Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um ihre Unabhängigkeit zu sichern. Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen. Der indirekte Kauf von Staatsanleihen ist im Übrigen auch noch teuerer als der direkte. Wieder verdienen Finanzmarktakteure Provisionen, ohne ein eigenes Risiko zu tragen.

Ein Grundprinzip der Marktwirtschaft ist, daß Risiko und Haftung Hand in Hand gehen. Wer Risiken eingeht, kann auch scheitern. Dieses Prinzip muß auch für den Finanzsektor gelten, für kleine Anleger wie für große Institute. Hier muß Versäumtes dringend nachgeholt werden - weit über das hinaus, was in der G20 bisher angestoßen worden ist. Am Ende kommt es darauf an, daß wir alle gemeinsam durchsetzen, daß der Finanzsektor wieder in seine dienende Rolle zurückfindet...



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