Sven Lintjens: "Ich bin kein Söldner"
Siegen/Mönchengladbach. Sven Lintjens sitzt auf gepackten Koffern. Das eigene Haus in Mönchengladbach ist so gut wie leergeräumt, "alles eingelagert, vielleicht kommen wir ja eines Tages wieder zurück". Den 29-jährigen Fußballer zieht es mit Ehefrau Silke und der 8-jährigen Tochter ins Ausland. Wohin? Zum FC Sevilla!
Der spanische Erstligist hat Lintjens ein lukratives Angebot gemacht. Als "Bewerbungsschreiben" hatte er zusammen mit Europameister und Weltpokalsieger Thomas Strunz eine "Best of"-DVD zusammengestellt. Darauf sind seine schönsten Tore verewigt - auch die sieben, die er in Siegen geschossen hat, samt dem Sonntagsschuss zum 1:0 gegen Unterhaching am 14. August vergangenen Jahres, der von der ARD zusammen mit den Toren von Roy Makaay und Rafael van der Vaart zum "Tor der Woche" nominiert wurde.
FC Saarbrücken hat ein "unmoralisches Angebot gemacht"
Viele Clubs haben bei "Linse" angeklopft: "Ich bin noch in engem Kontakt mit einem Zweitligisten in England. Jetzt muss ich mit meiner Familie eine schwere Entscheidung treffen. Soll`n wir wirklich nach Spanien gehen?" Es gibt Tage, an denen die Zweifel überwiegen, ob es in Sevilla die richtigen Lebensumstände für seine achtjährige Tochter Alissa gibt. Sie braucht aufgrund einer chronischen Krankheit ständige ärztliche Betreuung.
Schon einmal hat sich der Familienvater Sven Lintjens seiner Tochter zuliebe für weniger Profigehalt und mehr Wohnortnähe entschieden: Als er im Juni 2005 bei Sportfreunde Siegen seinen Spielervertrag unterschrieb. Eigentlich war bereits beim FC Saarbrücken alles klar. Doch dann kam das Gespräch mit dem Sportlichen Leiter Rolf Bleck. "Mir war klar, dass ich bei den Sportfreunden nicht soviel Geld verdienen konnte", sagt Lintjens, "doch das war mir egal. Ich wollte in der Nähe meiner Tochter sein".
Und so pendelte er tagtäglich von Siegen nach Mönchengladbach und verzichtete auf ein stattliches Sümmchen: "Ich habe in Siegen im Monat 10 000 Euro weniger bekommen, als ich in Saarbrücken hätte verdienen können." Ihn schmerzt jedoch nicht der finanzielle Verlust, sondern vielmehr die öffentliche Verurteilung in Siegen. "Wenn man dann als Söldner beschimpft wird, dann tut das richtig weh. Ich war nie ein Söldner. Es ist schade, dass man nicht allen seine Lebenssituation erklären kann."
Eben dieser FC Saarbrücken, jetzt Regionalligist, hat nun erneut angeklopft. Lintjens: "Die haben mir schon fast ein unmoralisches Angenbot gemacht. Eins, das ich sofort annehmen müsste."
Sven Lintjens spielte bei den Sportfreunden eine tolle Hinrunde: Er erzielte sechs Tore, und dann noch einen Treffer (gegen Greuther Fürth) nach dem Rauswurf von Trainer Jan Kocian. Sieben Tore in 25 Spielen, damit ist der Mittelfeldspieler der erfolgreichste Torschütze der Sportfreunde in der 2. Liga.
"Mit Jan Kocian hätten wir die Klasse gehalten"
Er hätte noch ein paar mehr geschossen - und auch da ist er sich sicher, "mit Jan Kocian hätten wir die Klasse gehalten". Doch dann kam Trainer Hannes Bongartz, der ihn zur Tatenlosigkeit verbannte. Der Vorwurf von Lintjens: Bongartz habe ihn aufgrund persönlicher Vorbehalte und nicht aufgrund von schlechter Leistung "kalt gestellt". Sven Lintjens und Hannes Bongartz kannten sich noch aus der Regionalliga-Zeit in Wattenscheid - und die endete im Streit und vor Gericht. "Ja, wir hatten richtig Krieg", gewährt Lintjens jetzt Einblick in die Vorkommnisse.
Blick zurück: Sven Lintjens hatte bei Tennis Borussia Berlin unter Trainer Winfried Schäfer einen guten Vertrag unterschrieben. Doch als die Berliner im Jahre 2000 keine Lizenz bekamen, stand Lintjens plötzlich ohne Verein da. Es war Hannes Bongartz, der Lintjens noch aus der Zeit bei M`gladbach kannte, der den damals 24-Jährigen zum Nord-Regionalligisten Wattenscheid holte. Sven Lintjens, der einen Drei-Jahres-Vertrag einging: "Ich war ihm dankbar dafür. Ich habe mit Gabriel Melkam und mit den Brüdern Halil und Hamit Altintop sehr gut gespielt."
"Sehr gut" bedeutete: Acht Tore in der ersten, elf Tore in der zweiten Spielzeit. Als dann der Aufstieg in die 2. Liga und damit die erwarteten Fernsehgelder ausblieben, wurde er dem Verein zu kostspielig. Da war guter Rat teuer. "Schau dich Mal nach einem neuen Verein um", habe ihm Bongartz geraten. Das tat Sven Lintjens dann auch, präsentierte zuerst einen Premier-League-Club in England, dann Eintracht Frankfurt als interessierte Arbeitgeber. Die hätten den Mönchengladbacher aus dem laufenden Vertrag übernommen - jedoch ohne Ablösesumme. Lintjens: "Sie wollten mein Gehalt sparen und noch abkassieren."
"Schmutziges Spiel":
Wattenscheid und Bongartz gegen Lintjens
Was folgte, hat auch seinen Eintrag in das Enthüllungsbuch über Intrigen und Skandale des Deutschen Fußballs, "Das schmutzige Spiel" (Fred Sellin), gefunden: Das große Geld wollte der Verein machen und schloss hinter dem Rücken von Sven Lintjens einen Vertrag mit Eintracht Braunschweig ab. Für den Fall, dass die Braunschweiger in die 2. Liga aufsteigen, sollte Lintjens für 250 000 Euro den Club wechseln. Das Prekäre: Der Vertrag wurde zwei Tage vor dem wichtigen Spiel zwischen Wattenscheid und Braunschweig vereinbart!
Braunschweig gewann mit 2:1, bekam aber nicht Sven Lintjens. Der weigerte sich, dem Vertrag zuzustimmen: "Ich habe schon vor dem Spiel klar gesagt, ich spiele nicht in Braunschweig, ich lasse mich nicht verkaufen."
Im Oktober 2003 musste das Landgericht Braunschweig die Angelegenheit schlichten. Das erklärte die Transfervereinbarung für "sittenwidrig" weil der Vertrag nur darauf ausgelegt war, den Ausgang des Spieles zu manipulieren! Ergo: Kein Lintjens für Braunschweig, kein Geld für Wattenscheid. Lintjens haben sie dann in Wattenscheid vom Trainingsplatz gejagt und er hat ein Jahr nicht gespielt. "Ich habe damit auch Bongartz ein dickes Geschäft versaut", sagt Lintjens und genau dies sei der Grund dafür, dass er in Siegen auf Eis gelegt wurde. "Als ich hörte, dass Bongartz Trainer in Siegen wird, habe ich sofort mit Herrn Utsch gesprochen und ihm erklärt, dass es Probleme geben könnte."
Lintjens kritisiert, dass Bongartz die Mannschaft bereits frühzeitig aufgegeben habe: "Wir können den Klassenerhalt noch schaffen, habe ich ihm gesagt, doch er wollte acht Spieltage vor Schluss davon nichts mehr hören." Die Begründung, die Hannes Bongartz Sven Lintjens für seine frühzeitig Herausnahme aus dem Kader gegeben haben soll: "Mach mal Pause und kurier dein Knie aus."
____________________
Mike Hanke Fußballgott