Der Thronsaal war verschwunden. An seiner Stelle erstreckte sich nun ein langer aus grauen Ziegelsteinen bestehender Gang in zwei Richtungen, wovon eine nach ein paar Schritten in einer Sackgasse endete und die andere kein Ende zu haben schien. Die Decke war durchgehend gewölbt und brennende Laternen hingen im Abstand von ein paar Metern herunter. Von den Ausmaßen her war alles perfekt auf Zwergengröße abgestimmt. Choran mußte grinsen bei der Vorstellung, ein Mensch oder sogar ein Draenei müsse hier durch.
Bis auf seine eigenen Schritte war nichts weiter zu hören, aber der Gang war nicht völlig leer. Zu beiden Seiten hingen Gemälde an den Wänden, auf denen Gesichter zu sehen waren. Jedes Gemälde war mit einem schlichten hellfarbenen Holzrahmen versehen und hing in zwergengerechter Augenhöhe. Unter jedem Bild war eine kleine goldfarbene Tafel angebracht auf dem etwas eingraviert war. Angestachelt von seiner Neugierde sah Choran genauer hin.
Ein unbekannter Künstler hatte Zwerge (und Zwerginnen) porträtiert, wobei Choran anhand der Tätowierungen auf den Gesichtern und den Schulterbedeckungen erkennen konnte, daß es ausnamlos Wildhammerzwerge waren. Auf den goldenen Tafeln konnte Choran Zahlen erkennen; er vermutete, daß sie Geburts- und Todestag des darüber Porträtierten waren.
Neugierig wer wohl noch auf den Bildern zu entdecken war, ging Choran von Gemälde zu Gemälde und studierte jedes genau. Viele Gesichter waren ihm wohl bekannt: Haurin, Cinola, Uri und die Anderen Aus dem Hinterland sowie die ehemals Versprengten aus dem Schattenmondtal. Dabei fiel ihm auf, das die die noch am Leben waren, kein Todesdatum auf ihren Tafeln eingraviert hatten. Darüber war Choran sehr froh, denn ihm blieb schmerzhaftes Zukunftswissen erspart.
Durch die vielen Bilder, die es zu entdecken gab, verlor Choran jegliches Zeitgefühl. Ob nur ein paar Minuten, mehrere Stunden oder sogar schon Tage vergangen waren wußte er nicht mehr, es war ihm auch egal. Er verspürte weder Hunger noch Durst noch Müdigkeit. Der Entdecker in ihm trieb ihn unerbittlich voran und gönnte ihm erst eine Pause als der Gang endete und Choran vor einem Bildnis in voller Körpergröße (auf Zwerge bezogen natürlich) halt machte.
Den dargestellten Zwerg erkannte Choran sofort, es war Khardros Wildhammer, der Than der Wildhammer während des Krieges der drei Hämmer und seine Lebenszeit war über ihm auf der typischen goldenen Tafel eingraviert.
War hier Chorans Reise zuende? Nirgendwo ging es weiter. Ratlos betrachtete er das lebensgroße Gemälde des Thans. Wenn da wenigstens eine Tür wäre... Moment mal! Choran betrachtete das Bild genauer und tastete vorsichtig den Rahmen ab. Nichts! Dann legte er seine rechte Hand auf die Leinwand und übte etwas Druck aus. Sie gab nach!
Choran bat den verstorbenen Than in Gedanken um Verzeihung und riß ein handbreites Loch links von Khurdrans Haupt. Ein muffiger Luftzug wich aus der dunklen Öffnung, ansonsten war kein Laut zu hören oder etwas genaues zu sehen, aber Choran war sich sicher, daß der Gang dahinter weiterführte. Also zerstörte er das Bildnis des Thans komplett und ging hindurch.