Das hatte er sich so wunderschön ausgedacht: auf roten Rosenblättern zum Standesamt, große Party mit allen Geschäftsfreunden auf einem Schloss in der Nähe von Berlin, Bootsfahrt, asiatisches Catering, ein Feuerwerk - und danach ordentlich Steuern sparen per Ehegattensplitting. Und davor: ein Ehevertrag, na klar! "Wir sind doch erwachsene Menschen", hatte er gesagt. "Wir respektieren uns als autonome, selbstverantwortliche Persönlichkeiten. Das ist es doch, was ich an dir so liebe, Schatz: dass du eine eigenständige Frau bist."
Sie war geschmeichelt. Das cremefarbene Hochzeitskleid für 4.000 Mark zahlte er. Aber sie zweifelte auch: eigenständige Persönlichkeit, sicher war sie das. Aber "Gütertrennung", "Verzicht auf nachehelichen Unterhalt", "Verzicht auf Versorgungsausgleich" - das waren ziemlich viele hässliche Wörter auf einmal, die sie da unterschreiben sollte. Das hatte so gar nichts von dem "sicheren Hafen", der die Ehe doch angeblich sein sollte. Las sich eher wie ein Abenteuertörn auf hoher See. Ohne Rettungsboot. "Aber Schatz", sagte er. "Mach dir keine Sorgen", sagte er. "Das alles ist doch nur für den Fall, dass wir uns scheiden lassen", sagte er. Dann nahm er sie in die Arme und drückte sie fest. "Und das tun wir nicht. Wir lieben uns doch. Deswegen heiraten wir ja auch."
Mehr zum Thema Service: Wie und Wo Sie Hilfe finden Fragen & Antworten: Sind Eheverträge sinnvoll? "Irgendwie beißt sich die Katze hier in den Schwanz", dachte sie noch, bevor sie unterschrieb. Sie, deren Namen wir nicht nennen sollen. Weil sie sich heute noch darüber ärgert, wie blöd sie damals war. Schon nach vier Jahren nämlich hatte ihr Ehemann eine andere eigenständige Persönlichkeit lieben gelernt, die viel eigenständiger war als sie, zumal sie die ungeplante, aber dennoch geborene zweijährige Tochter versorgte und dafür ihren Job zeitweilig aufgab. Als sie vor vier Monaten die Scheidung einreichte, zückte er den Ehevertrag. Und wähnte sich gut gelaunt gewappnet gegen Forderungen aller Art.
Allerdings: Er hat zu früh gejubelt. Denn der Bundesgerichtshof urteilte jüngst, dass Eheverträge, die die wirtschaftlich schwächeren Ehepartner grob benachteiligen, ungültig sind, und setzte damit Maßstäbe: Die Toll-Collectisierung der Ehe - alle Vorteile einstreichen, alle Risiken sozialisieren - hat damit ein Ende. "So schön wie früher wird's nimmermehr", kommentierte ein Notar aus Berlin das Urteil aus Karlsruhe. Wer sich jetzt "ewig bindet", möge bitte gleich auch prüfen, ob er mit seinem Ehevertrag den anderen übers Ohr haut. Wer partout nicht einsehen will, dass mit der Ehe auch die Verpflichtung eingegangen wird, bestimmte Dinge dauerhaft zu teilen, auch im Fall des Scheiterns, der sollte am besten gar nicht erst heiraten.
Zehntausende von Eheverträgen müssen nach dem Urteil überprüft werden. Auf "Vertragsfreiheit" berufen sich viele Scheidungsgewinnler. Die darf aber nicht dazu führen, dass der "Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen" nach Belieben unterlaufen wird, hält der Bundesgerichtshof dagegen. Genereller gegenseitiger Verzicht auf alles ist damit ausgeschlossen. Zulasten Dritter kann nämlich nicht verzichtet werden. Unterhalt für die Kinder muss immer bezahlt werden. Auch der so genannte Betreuungsunterhalt, eine Art Lohn für denjenigen, der die minderjährigen Kinder betreut, ist schwer auszuschließen. Selbst wenn einer viele Jahre nach der Scheidung in die Sozialhilfe zu fallen droht, muss der Ex-Ehepartner in der Regel zahlen.
Jürgen Bandelow und seine Frau Barbara haben trotzdem einen Ehevertrag geschlossen. Zwei, die es wissen müssten. Er ist Anwalt mit Schwerpunkt Familienrecht, sie angehende Heilpraktikerin. Für beide ist es die zweite Ehe, beide haben Kinder aus früheren Beziehungen. "Da wird es dann schnell unübersichtlich", sagt Bandelow: "Das Gesetz ist ein Anzug von der Stange. Wer einen Maßanzug möchte, der braucht einen Ehevertrag." Die beiden haben Gütertrennung vereinbart, den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt und den Verzicht auf einen Versorgungsausgleich - und das, obwohl Barbara Bandelow für die Betreuung der Kinder ihres Mannes, die bei ihnen leben, zeitweise ihren Job aufgegeben hatte. "Ich wollte ihm zeigen, dass ich nicht sein Geld heirate", sagt Barbara Bandelow. "Ich habe es immer allein geschafft, auch von meinem ersten Mann wollte ich kein Geld, obwohl ich Anspruch gehabt hätte." Aber falls sie doch noch ein gemeinsames Kind bekommen, soll die gesetzliche Regelung greifen.
Ob dieser Vertrag im Falle eines Scheiterns der Ehe Bestand haben wird, ist allerdings nicht sicher. Denn der Bundesgerichtshof ging noch einen Schritt weiter: Bei Streitigkeiten sieht der Richter nicht nur wie bisher auf die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde. Ein Vertrag, in dem die bei der Eheschließung schwangere Frau oder der chronisch erkrankte Mann auf jede Art von nachehelichem Unterhalt verzichtet, war schon bisher sittenwidrig. Jetzt prüfen die Richter auch die Verhältnisse bei der Scheidung. Und eine Vereinbarung, die dazu führt, dass der eine in einer Villa lebt und der andere sich nur noch eine Einzimmerwohnung erlauben kann, ist hinfällig, egal, ob es zu Beginn der Ehe genau andersherum war. Sinnvoll sind Eheverträge trotzdem: Vor allem bei großen Vermögen, besonders, wenn Firmenbeteiligungen im Spiel sind oder Kinder aus früheren Ehen.
Auch Tatiana Sch. wollte einen Ehevertrag, und den hätte sie manchmal am liebsten im Gemeindekasten des kleinen Dorfes ausgehängt, in dem sie mit ihrem Mann Mike lebt. Weil das Gerede einfach nicht aufhören wollte, ihr ginge es nur um sein Geld. Und weil sie bei ihrem jetzigen Mann miterlebt, in welche Schlammschlacht manche Scheidungen ausarten. Mike, in erster Ehe elf Jahre verheiratet, hat mit seiner Ex um fast alles gestritten: Unterhalt, Zugewinn, Kinderumgang. Zu seinen Kindern hat er inzwischen keinen Kontakt mehr, aus dem gemeinsamen Haus ist er ausgezogen, Weihnachten feiert er mit den Kindern und dem Ex-Mann von Tatiana. Und wenn deren Söhne ihm dann um den Hals fallen und sagen, "Ich hab dich lieb", dann ist das schön und schmerzhaft zugleich. "Weil es mit meinen Kindern nicht geht, die ich ja auch liebe." Tatiana hat sich mit ihrem Ex ohne Ehevertrag freundschaftlich getrennt: Die Söhne blieben beim Papa, sie zahlt ihm Unterhalt und kann die Kinder sehen, wann sie will. Bald wollen sie alle zusammen in den Urlaub.
Nicht immer sind im Falle einer Trennung Männer die Bösen - auch Gewalt gegen Männer nimmt zu
Wenn Vati die Mutti in die Wüste schickt, weil er mit einer Jüngeren von vorn anfangen will, dann sehen die meisten noch ein, dass nachehelicher Unterhalt gerechtfertigt ist für die Frau, die "ihm" jahrelang den Rücken freigehalten und die Kinder versorgt hat. Aber dieser Fall wird seltener. Seit immer mehr Frauen die Scheidung einreichen, fühlen sich gerade Männer oft als Verlierer. Sie beklagen, dass sie es doch war, die einen Neuen kennen gelernt hat. Er ist der Verlassene, die Kinder los und muss auch noch zahlen. So kann es kommen. Denn das Schuldprinzip beim Scheitern einer Ehe ist abgeschafft - aus gutem Grund. Selbst wenn einer sich einem anderen Partner zuwendet: Am Scheitern einer Beziehung sind in der Regel beide beteiligt - zu Anteilen, die für Außenstehende schwer einschätzbar sind. Daraus folgt, dass Unterhaltszahlungen nicht davon abhängig sind, wer wen sitzen gelassen hat.
Was aber nicht bedeutet, dass man sich von seinem Ex-Partner alles bieten lassen muss: Wer sein Vermögen versäuft, wer dem anderen Gewalt antut, die Autoreifen aufschlitzt oder die Kinder vorenthält, verliert den Anspruch auf Unterhalt. Wer einen Job kündigt, damit der andere zahlen muss, oder silberne Löffel stiehlt und deswegen rausfliegt, hat keinen Anspruch auf Unterhalt von seinem Ex. "Mutwilliges Herbeiführen der Bedürftigkeit" nennen das die Juristen. Und wer seinen Ex-Partner beim Finanzamt oder beim Arbeitsamt anschwärzt, kann des Unterhaltes verlustig gehen. Man liebt den Verrat, doch den Verräter nicht. Wenn jemand eine neue, auf Dauer angelegte Beziehung eingeht, ist der neue Partner verantwortlich - wenn er denn leistungsfähig genug ist. Ob und wann Schluss ist mit dem nachehelichen Unterhalt, entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Einerseits muss der bedürftige Partner sich bemühen, auf eigenen Beinen zu stehen, andererseits ist es der Frau eines Chefarztes, die zehn Jahre nur den Haushalt geführt hat, nicht zumutbar, in ihren erlernten Beruf als Arzthelferin zurückzukehren. Je aufwendiger man in der Ehe gelebt hat, desto mehr Unterhalt steht einem zu - wenn man den Aufwand beweisen kann. Wer Flugtickets und Hotelrechnungen der regelmäßigen Shopping-wochenenden in New York nicht vorlegen kann und keine eidesstattliche Versicherung des wöchentlich besuchten Fingernagelstudios, dem wird ein solcher Standard auch nach der Scheidung nicht zugestanden.
Dem Streit ums Geld folgt nach der Scheidung oft der Streit um die Kinder - nicht selten vermischt sich das eine mit dem anderen. Wer die Kinder versorgt, hat Anspruch auf Unterhalt nicht nur für die Kinder, sondern auch für sich. Früher war das einfacher: Die Kinder blieben gewöhnlich bei der Frau, und viele Väter verschwanden aus dem Leben der Familie. Doch die Verhältnisse sind komplizierter geworden: Heute wollen Väter oft nicht nur Erzeuger und Ernährer sein, sondern auch Erzieher, Partner, Freunde. Sie können sich sogar vorstellen, für die Kinder im Job eine Zeit lang kürzer zu treten.
Dem wollte der Gesetzgeber gerecht werden, indem er 1998 das Kindschaftsrecht änderte und die gemeinsame Sorge zur Regel machte. Die Eltern bleiben beide bei einer Scheidung verantwortlich für ihre Kinder. Ausnahmen sind nur bei Missbrauchs- und Gewaltvorwürfen, bei Sucht und anderen dem Kindeswohl entgegenstehenden Extremfällen möglich. Für den Großteil der Geschiedenen, die sich auch vorher vernünftig einigen konnten, hat das neue Recht die Möglichkeit vereinfacht, zusammen verantwortlich zu sein. Vätern hat das neue Recht den Rücken gestärkt und das Gefühl genommen, beim Umgang mit ihren Kindern Bittsteller zu sein. Für die (große) Minderheit derer, die sich nicht einigen können, aber hat sich der Streit verlagert: auf das Umgangs- und das Aufenthaltsbestimmungsrecht, um das nun umso erbitterter gekämpft wird. Dass es dabei nicht immer nur um die Kinder geht, sondern oft auch um persönliche Verletzungen der Eltern, die die Liebe zu den Kindern als Waffe einsetzen, ist bekannt, aber nicht zu verhindern. Dass bei den rund fünf Prozent der hoch streitigen Verfahren um Umgang und Sorge die Schlacht noch ein wenig schmutziger geworden ist, ist fast zwangsläufig. Denn um die früher übliche Alleinsorge zu erhalten, die allein es ermöglicht, dem anderen Elternteil nie wieder zu begegnen, muss man massive Geschütze auffahren: Sucht-, Missbrauchs- und Gewaltvorwürfe haben nach dem Eindruck von Familienrichtern zugenommen. Und es gibt noch ein Problem: Was, wenn der Ex-Partner die Sorge gar nicht will?
Claudia B. aus der Nähe von Frankfurt hat alles versucht. Sie hat auf der Arbeitsstelle ihres Ex-Mannes angerufen, bei Freunden, bei der Ex-Schwiegermutter. Sie hat keine Adresse von ihrem Ex-Mann, keine Telefonnummer, sie weiß nicht, was sie noch tun soll. Dabei will sie nicht einmal Geld. Dass er keinen Unterhalt zahlen kann für die drei gemeinsamen Kinder im Alter von sechs, elf und 13, das akzeptiert sie ja. Aber sie will, dass er die Kinder wenigstens hin und wieder besucht. Sie fragen nach ihm. Was soll sie ihnen sagen? Während der Trennungszeit hatte er sich noch um die Kinder gekümmert, sie zunächst alle 14 Tage, dann aber immer seltener abgeholt. Seit die Scheidung durch ist, hat er sich nicht mehr blicken lassen. Kein Anruf zum Geburtstag, kein Geschenk zu Weihnachten, einfach nichts.
Theoretisch könnte ein Gericht jetzt den Vater zum Umgang zwingen. Denn Umgang mit den Kindern, das ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Eine gesetzliche Pflicht, genauso verbindlich wie die Pflicht, Steuern zu zahlen. Welchen Sinn das hat, ist die andere Frage - Liebe kann man nicht erzwingen. Claudia B. hat sich schweren Herzens für einen anderen Weg entschieden: Sie wird jetzt das alleinige Sorgerecht beantragen, obwohl sie die gemeinsame Sorge eigentlich besser findet, weil sie die auch als Entlastung versteht. "Aber so geht es einfach nicht mehr", sagt sie. "Ich brauche seine Unterschriften für die Einschulung des Kleinsten, für die Umschulung des Mittleren. Und wenn wirklich mal eine Operation ansteht, und ich brauche seine Einwilligung, was mache ich dann?"
"Solche Sorgen möchte ich haben", sagt dagegen Hartmut S. Der 53-jährige Realschullehrer aus der Nähe von Stuttgart streitet sich seit 16 Jahren mit seiner geschiedenen Frau. Um alles eigentlich, und immer wieder, aber vor allem um den gemeinsamen Sohn. Der Junge war knapp vier, als die Beziehung in die Brüche ging. Nichts hätte er lieber getan, als sich weiterhin um das Kind zu kümmern, sagt Hartmut S. Aber seine Frau, behauptet er, habe den Jungen einer systematischen Gehirnwäsche unterzogen, sodass der Kleine nach einer Weile den Kontakt abgelehnt hat. Zahlen musste er natürlich trotzdem. Er trat einer Väterorganisation bei, kämpfte, litt, alles vergebens. Verbittert wirkt er heute, verbittert bis zur Sturheit.
Der Kleine ist inzwischen groß. 20 Jahre alt ist er, und demnächst wird Hartmut S. in Sachen Sohn womöglich wieder einmal das Gericht anrufen. "Ich will das nicht", sagt er, "aber es geht vielleicht nicht anders." Denn der Sohn, der immer noch unter dem Einfluss der Mutter stehe, weigert sich, Belege für den vom Vater bezahlten Nachhilfeunterricht beizubringen, und darauf hat der Vater ein Recht. Ob er nicht einfach auf die Unterlagen pfeifen könne und dafür das Verhältnis zu seinem Sohn nicht weiter gefährden? "Nein", sagt Hartmut S. "Was kriegt denn der Junge für ein Vaterbild, wenn ich mir alles bieten lasse?"
Juristische Beratung: Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens, Fachanwältin für Familienrecht
von Frauke Hunfeld
Meldung vom 17. März 2004
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