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Zwei Urteile des OLG - Rostock:
Beschluss vom 02.12.2002, 10 UF 197/02, FamRZ 2003, 959
Zur Ausübung des Sorgerechts i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b HKÜ ist es nicht erforderlich, dass sich der Elternteil an der Betreuung des Kindes beteiligt, vielmehr reicht es aus, wenn er an den im Rahmen des Sorgerechts zu treffenden Entscheidungen mitwirkt. Eine solche Mitwirkungshandlung ist z.B. die Zustimmung zu der Verbringung des Kindes ins Ausland.
Ein Elternteil ist nicht berechtigt, sich ohne Zustimmung des anderen Elternteils mit dem gemeinsamen Kind ins Ausland zu begeben, um dort seine kranken Eltern zu pflegen. Das (Mit-)Sorgerecht des anderen Elternteils darf nicht zugunsten der eigenen Eltern missachtet werden.
Die normalen Unannehmlichkeiten der Trennung des Kindes vom Entführer reichen für die Annahme einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind i.S.v. Art. 13 Abs. 1 Buchst. b HKÜ nicht aus. Liegen keine Anhaltspunkte für hierüber hinaus gehende nachteilige Trennungsfolgen vor, so ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt.
Wenn dadurch eine Trennung des Kindes von dem Entführer vermieden werden kann, so ist diesem die Möglichkeit einzuräumen, zwecks Rückgabe des Kindes gemeinsam mit diesem in den Entführungsstaat zurückzukehren. Dies setzt voraus, dass der andere Elternteil einen im Ausland gestellten Strafantrag zuvor zurücknimmt.
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Beschluss vom 04.07.2001, 10 UF 81/01, NJW-RR 2001, 1448 = FamRZ 2002, 46 = IPRax 2002, 218 m. krit. Rez. Siehr ebd. 199; dazu Replik in IPRax 2002 (Heft 5), 372.
An die Voraussetzung nach Art. 3 (1) (a) HKÜ (tatsächliche Ausübung des Sorgerechts) sind nach dem Zweck des HKÜ keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich ein Elternteil damit einverstanden erklärt hat, dass das Kind nach der Trennung der Ehegatten bei dem anderen Elternteil lebt. Damit hat er sich nicht seines Rechts begeben, über die Verlegung des Aufenthalts des Kindes ins Ausland mitzubestimmen.
Die in einem Vertragstaat herrschenden generellen Lebensbedingungen gehören zum allgemeinen Lebensrisiko, vor dem Kinder nicht durch Entführung bewahrt werden können und dürfen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte des Zufluchtstaates, im Rahmen des Art. 13 (1) (b) HKÜ über die Angemessenheit der Lebensbedingungen im Entführungsstaat zu urteilen.
Besteht gegen den Kindesentführer im Entführungsstaat ein Haftbefehl, so ist ihm die Rückkehr in den Entführungsstaat nur dann zuzumuten, wenn diese Rückkehr dem Kindeswohl dienen würde. Dies ist nicht der Fall, wenn die mit der drohenden Verhaftung verbundene Trennung des Kindes von dem Entführer das Kindeswohl i.S.d. Art. 13 (1) (b) HKÜ ernsthaft gefährden würde.
Die Rückführung des Kindes ist gemäß Art. 13 (1) (b) HKÜ abzulehnen, wenn das zuständige Familiengericht des Entführungsstaates unter den gegebenen Umständen die elterliche Sorge dem Entführer übertragen müsste mit der Folge, dass dieser anschließend sogleich wieder mit dem Kind in den Zufluchtstaat zurückkehren würde. Bei einer derart eindeutigen Entscheidungslage hinsichtlich der Übertragung der elterlichen Sorge muss das vom HKÜ verfolgte abstrakte Kindeswohlinteresse, wonach die Rückführung grundsätzlich dem Kindeswohl am besten entspricht, hinter dem konkret festgestellten Kindeswohlinteresse zurücktreten.
[editiert: 21.04.04, 00:16 von Ingrid]