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Sorgerecht – Alleinsorge für bisher mitsorgeberechtigten nicht ehelichen Vater – mangelnde objektive und subjektive Kommunikationsbereitschaft - § 1671 BGB
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27. 2. 2003 - 9 UF 149/02 -
Das OLG hat gem. § 1671 BGB (unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1999, 1646) die alleinige elterliche Sorge für die im Juli 1998 geborene Tochter auf den bisher mitsorgeberechtigten nichtehelichen Vater übertragen. Zwischen den Eltern bestehe die als Basis für eine fortgeführte gemeinsame Sorge erforderliche Konsens- und Kommunikationsfähigkeit nicht. Deshalb scheide auch die Übertragung lediglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater aus, zumal die Mutter diesem noch nicht einmal den jeweiligen aktuellen Aufenthalts- bzw. Wohnort mitgeteilt habe und auch ihre Betreuerin für den Vater nicht erreichbar gewesen sei. Ein Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge oder eine Vermutung für deren beste Eignung bestehe auch nach dem aktuellen Recht nicht. Nach § 1671 BGB sei die dem Kindeswohl am besten entsprechende Regelung zu treffen. Einer Kindeswohlgefährdung bedürfe es für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht. Neben den Elternbindungen des Kindes seien die Prinzipien der Förderung und Kontinuität sowie der Beachtung des Kindeswillens gewichtig zu berücksichtigen. Entscheidend sei hier der Gesichtspunkt der Kontinuität und besseren Stabilität der Erziehungsverhältnisse beim Vater, da sich der Gesundheitszustand der Mutter verschlechtert habe.
Fundstelle: MDR 2003, 996
OLG Saarbrücken Beschluss vom 27. Februar 2003 Az.: 9 UF 149/02 Rechtsnorm: BGB § 1671
Gelingt es Eltern nicht, zu Einvernehmen im Interesse des Kindes zu gelangen, weil ihnen die notwendige Konsens- und Kommunikationsfähigkeit fehlt, so ist der Alleinsorge der Vorzug zu geben.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2), die nicht verheiratet waren bzw. sind, haben in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt. Aus dieser Beziehung ist die am 2.7.1998 geborene Tochter M. hervorgegangen. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben am 28.7.1998 eine Sorgeerklärung bezüglich der gemeinsamen Tochter beim Jugendamt des Stadtverbandes S. abgegeben.
Mit einem am 28.8.2001 beim FamG eingegangenen Antrag hat der Antragsteller auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die Tochter M. angetragen.
Die Antragsgegnerin hat um Zurückweisung des Antrags gebeten und ihrerseits die alleinige elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter beansprucht.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das FamG nach Einholung eines psychologischen Gutachtens und nach Anhörung der Kindeseltern, des Kindes sowie des zuständigen Jugendamtes die elterliche Sorge für M. gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB dem Antragsteller alleine übertragen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Der Antragsteller bittet unter Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung um Zurückweisung der Beschwerde.
Der Senat hat die Akten des AG - VormG in Homburg - XVII 66/01 - beigezogen.
II.
Die gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg.
Der Senat teilt die auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens gewonnene und mit der Auffassung des Sachverständigen, des beteiligten Jugendamtes und der Verfahrenspflegerin des Kindes übereinstimmende Auffassung des FamG, dass die Aufhebung der gemeinsamen und die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für M. auf den Antragsteller unter den gegebenen Umständen dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das FamG die Voraussetzungen für eine weitere Ausübung der gemeinsamen elterliche Sorge durch die Kindeseltern mangels der hierfür notwendigen objektiven und subjektiven Kooperationsbereitschaft verneint.
Wie sich insb. aus den zur Akte gereichten, von den Kindeseltern persönlich gefertigten Schreiben sowie den Angaben der Kindeseltern im erstinstanzlichen Verfahren ergibt und was auch durch die erstinstanzlich gegenläufigen Sorgerechtsanträge dokumentiert wird, kann nicht angenommen werden, dass zwischen den Kindeseltern eine Konsens- und Kommunikationsfähigkeit besteht, die eine Basis für den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge bilden könnte. Dies wird auch bestätigt durch den Bericht des beteiligten Jugendamtes und die Feststellungen des vom FamG beauftragten Sachverständigen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist das Verhältnis der Kindeseltern nämlich von Streitigkeiten, die die Paarebene betreffen, beherrscht. Außerdem wurde deutlich, dass ein gegenseitiges starkes Misstrauen vorherrschend ist und danach auch eine insb. am Wohl des Kindes orientierte Kommunikation in der Vergangenheit im Wesentlichen nicht möglich war.
Diese Feststellungen werden auch nicht durch erhebliches Beschwerdevorbringen ernsthaft in Frage gestellt.
Zwar hat die Antragsgegnerin von ihrem erstinstanzlichen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts Abstand genommen und begehrt nunmehr mit ihrer Beschwerde nur noch Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts. Auch hat sie vorgetragen, die Parteien seien sich ihrer Verantwortung für das Kindeswohl durchaus bewusst. Dies reicht aber für die Annahme der erforderlichen Konsens- und Kommunikationsfähigkeit zwischen den Kindeseltern nicht aus, zumal die Antragsgegnerin selbst einräumt, dass das Verhältnis der Kindeseltern auch derzeit noch durch gegenseitiges Misstrauen und Streitigkeiten geprägt wird. Soweit die Antragsgegnerin meint, aus dem psychologischen Gutachten, und zwar dem Gespräch des Gutachters mit dem Antragsteller am 21.3.2002, ergebe sich, dass die Parteien sehr wohl willens und in der Lage seien, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Erklärung des Antragstellers in jenem Gespräch, dass die Verständigung mit der Antragsgegnerin im Moment etwas besser sei, lässt diesen Schluss nicht zu, zumal sich nach den insoweit eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen beide Eltern ihm ggü. i.E. nach wie vor gegen eine gemeinsame Sorgerechtsausübung ausgesprochen haben.
Objektivierbare Umstände im Tatsächlichen, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass zwischen den Kindeseltern derzeit die für eine gemeinsame elterliche Sorge erforderliche Kooperationsbereitschaft besteht, hat die Antragsgegnerin auch zweitinstanzlich nicht vorgetragen. Hiergegen spricht vielmehr, dass es den Parteien - wie die Antragsgegnerin selbst zweitinstanzlich dargelegt hat - auch zwischenzeitlich nicht gelungen ist, zu einer einverständlichen Umgangsregelung betreffend die gemeinsame Tochter - die sich offensichtlich derzeit im Haushalt des Antragstellers aufhält - zu gelangen. Dafür, dass dies dem Antragsteller anzulasten sein könnte, bestehen nach den unangegriffenen Angaben des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 19.1.2003 keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr hat dieser unwidersprochen vorgetragen, dass die Antragsgegnerin einen von ihm vorgeschlagenen Umgangskontakt mit der Tochter am 25.11.2001 mit der Begründung abgelehnt habe, ihr sei alles zu viel, und dass die Antragsgegnerin auch seither keinen Versuch unternommen habe, Kontakt zu der Tochter aufzunehmen, auch nicht auf telefonischem Wege.
Bei dieser Sachlage scheidet aber - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - auch die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Antragsteller bei Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge i.Ü. aus. Für die Unterstellung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 2.1.2003, dass bei wichtigen, das Kind betreffenden Entscheidungen die Kindeseltern willens und in der Lage seien, eine einvernehmliche Entscheidung im Interesse des Kindeswohls zu treffen, fehlen Anhaltspunkte im Tatsächlichen, zumal dem Antragsteller - nach seinem insoweit unangegriffenen Sachvortrag - noch nicht einmal der jeweils aktuelle Aufenthalts- bzw. Wohnort der Antragsgegnerin mitgeteilt worden ist und er ohne Information Dritter nicht in der Lage gewesen wäre, herauszufinden, wo sich die Antragsgegnerin jeweils befunden hat bzw. befindet. Auch im vorliegenden Verfahren hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeschrift ihre korrekte Anschrift nicht angegeben und auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats ihren aktuellen Aufenthaltsort nicht mitgeteilt, so dass dieser erst durch Beiziehung der Akten des VormG ermittelt werden konnte. Schließlich ist nach dem unangegriffenen Sachvortrag des Antragstellers auch die Betreuerin der Antragsgegnerin zu keiner Zeit für ihn persönlich erreichbar, wenn es um gemeinsame Entscheidungen für die Tochter geht.
Gelingt es aber - wie hier - den Eltern nicht, zu Einvernehmen im Interesse des Kindes zu gelangen, weil ihnen die notwendige Konsens- und Kommunikationsfähigkeit fehlt, so ist der Alleinsorge der Vorzug zu geben (BGH FamRZ 1999, 1646). Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts enthält nämlich kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass ein Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommt. Demgemäß besteht auch keine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BGH FamRZ 1999, 1646). Einer Gefährdung des Kindeswohls bedarf es für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht. Vielmehr ist danach im Streitfall gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB diejenige Sorgerechtsregelung zu treffen, die dem Kindeswohl am besten entspricht. Dabei sind neben den Bindungen des Kindes an seine Eltern die Prinzipien der Förderung, der Kontinuität und der Beachtung des Kindeswillens als gewichtige Gesichtspunkte für die zu treffende Regelung zu berücksichtigen (vgl. BGH v. 6.12.1989 - IVb ZR 66/88, FamRZ 1990, 392 [393]).
Dass danach das FamG dem Vorschlag des Sachverständigen, des Jugendamtes und der Verfahrenspflegerin des Kindes folgend die elterliche Sorge für M. dem Antragsteller alleine übertragen hat, entspricht auch zur Überzeugung des Senats unter den gegebenen Umständen dem Wohl des Kindes am besten. Entscheidende Bedeutung kommt insoweit entspr. den zutreffenden, vom Senat geteilten Ausführungen des FamG vor allem dem Gesichtspunkt der Kontinuität zu. Denn die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse (vgl. dazu BGH v. 11.7.1984 - IVb ZB 73/83, FamRZ 1985, 169; OLG Celle v. 25.6.1991 - 18 UF 12/91, FamRZ 1992, 465) ist beim Antragsteller besser gewährleistet als bei der Antragsgegnerin, deren Gesundheitszustand sich nach der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlich noch verschlechtert hat. Soweit M. bei ihrer Anhörung durch das FamG angegeben hat, am allerliebsten würde sie doch bei der Mama wohnen, steht dies der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Antragsteller vorliegend nicht entgegen, zumal M. gleichzeitig erklärt hat, beim Papa wohnen wäre eigentlich auch gut. Schließlich sind auch keinerlei Abneigungen des Kindes ggü. der Lebensgefährtin des Antragstellers, die in die Betreuung des Kindes mit eingebunden werden soll, und deren im gleichen Haushalt lebende Tochter feststellbar. Dass der Antragsteller über die notwendige Förderungs- und Erziehungsfähigkeit verfügt, wird letztlich auch von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt.
Nach alldem hat die angefochtene Entscheidung des FamG Bestand.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a Abs. 1 S. 2 FGG.
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 94 Abs. 2 S. 1, 30 Abs. 2 und 3 KostO.
Der Antragsgegnerin ist Prozesskostenhilfe zu verweigern, da ihre Beschwerde aus den Gründen des Senatsbeschlusses keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§§ 621e Abs. 2 S. 1,543 Abs. 2 S. 1 ZPO).
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