Die Beschränkungen der Zulässigkeit der Beschwerde nach § 652 II ZPO gelten auch für das Kind oder seinen Rechtsnachfolger.
Mit der Beschwerde kann nicht gerügt werden, dass das FamG entgegen § 1612a III 1 BGB die Titulierung des Kindesunterhalts im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss auf die Vollendung des 18. Lebensjahres begrenzt hat. Dem Antragsteller steht in diesem Fall allerdings die Erinnerung nach § 11 II 1 RPflG offen.
OLG Stuttgart, Beschluß vom 24. 2. 2000 - 18 UF 83/00 Zum Sachverhalt:
Der Ast. (minderjähriges Kind) hat die Umstellung eines statischen Alttitels auf einen dynamischen Titel über einen Unterhaltsbetrag von 115% der Regelbeträge aus den jeweiligen Altersstufen beantragt. Hinsichtlich der dritten Altersstufe erstrebte es die Festsetzung ab dem 13. Lebensjahr ohne zeitliche Begrenzung. Der Rechtspfleger beim FamG hat den Festsetzungsbeschluss antragsgemäß erlassen, allerdings mit einer zeitlichen Begrenzung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Gegen diese zeitliche Begrenzung wendet sich der Ast. mit seiner Beschwerde. Das OLG hat das Verfahren an den Rechtspfleger des FamG abgegeben zur Entscheidung über den Rechtsbehelf des Ast. als Erinnerung.
Aus den Gründen:
II. 1. Der Rechtsbehelf des Ast. ist als Beschwerde nach § 652 ZPO nicht zulässig. Zwar ist sie ihm als antragstellendem Kind im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger gegen Entscheidungen des Rechtspflegers beim FamG (§§ 23a Nr. 3, 23b I 2 Nr. 5 GVG, §§ 621 I Nr. 4, II 1 Nr. 4 ZPO, § 20 S. 1 Nr. 10a RPflG) als sofortige Beschwerde grundsätzlich eröffnet (§ 652 I ZPO), doch kann er mit dieser Beschwerde lediglich die in § 648 I ZPO bezeichneten Einwendungen, die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 II ZPO und die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung geltend machen (§ 652 II ZPO).
Zwar regelt § 648 ZPO nur Einwendungen, die der Ag. im vereinfachten Verfahren geltend machen kann. Gleichwohl wird durch § 652 II ZPO im Interesse einer beschleunigten Durchführung des vereinfachten Verfahrens durch die Verweisung jedenfalls auf § 648 II ZPO auch die Beschwerdebefugnis des Ast. eingeschränkt, wie sich durch die Inbezugnahme auf die dort „bezeichneten Einwendungen“ ohne personale Beschränkung ergibt (im Ergebnis ebenso BT-Dr 13/7338, S. 42; Musielak/Borth, ZPO, 1999, § 652 Rdnr. 2; Rühl/Greßmann, KindUG, Rdnr. 263).
Unter § 648 I ZPO fällt jedoch nicht der Fall, dass das FamG das Ende der Unterhaltspflicht des Ag. entgegen dem Antrag des Ast. - wenn man in diesem überhaupt eine „Einwendung“ i.S. des § 648 I Nr. 2 ZPO sehen wollte - auf die Vollendung des 18. Lebensjahres des Ast. festgestellt hat. Dies gibt bereits der Wortlaut von Nr. 2 nicht her, der ausdrücklich auf „den Zeitpunkt, von dem an Unterhalt gezahlt werden soll“, also auf den Beginn der Unterhaltspflicht i.S. des § 1613 BGB abstellt (dazu BT-Dr 13/7338, S. 40). Es ist aber jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung auch keine entsprechende Anwendung von Nr. 2 geboten, weil für sie in der Regel kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis besteht und der Ast. seine Rechte mit der Abänderungsklage weiter verfolgen kann.
Zur Rechtsverfolgung hinsichtlich der „ Einwendungen“, mit denen der Ast. im Beschwerderechtszug nach § 652 II ZPO ausgeschlossen ist, soll er grundsätzlich auf die Abänderungsklage nach § 654 ZPO verwiesen sein (Musielak/Borth, § 652 Rdnr. 1a.E.). Mit ihr können die Parteien des vereinfachten Verfahrens die Heraufsetzung oder Herabsetzung des im Festsetzungsbeschluss titulierten Unterhaltsbetrages betreiben (§ 654 I ZPO). Dies dürfte zwar den vorliegenden Fall nicht erfassen, da das FamG vorliegend durch die Einfügung der zeitlichen Begrenzung auf die Vollendung des 18. Lebensjahrs über den Unterhaltsanspruch des Ast. für die Zeit seiner Volljährigkeit gerade keine Entscheidung getroffen hat. Hat das FamG aber für die Zeit der Volljährigkeit keine Entscheidung getroffen, ist dem Ast. insoweit die Erstklage eröffnet.
2. Die vom Ast. eingelegte Beschwerde ist aber als Erinnerung nach § 11 II RPflG i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes und anderer Gesetze vom 6. 8. 1998 (BGBl I, 2030), in Kraft getreten am 1. 10. 1998, auszulegen. Ihr kann der Erklärungsgehalt entnommen werden, dass mit ihr der zulässige Rechtsbehelf eingelegt sein soll, wie ohnehin Prozesshandlungen stets auslegungsfähig sind (dazu Musielak/Wolst, Einl.Rdnr. 62) und im Sinne ihrer Zulässigkeit auszulegen sind. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Erinnerung überhaupt stattfindet. Dies ist zu bejahen.
a) Die Erinnerung findet statt, wenn gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. In der Literatur ist umstritten, ob ein Rechtsmittel nur dann nicht gegeben ist, wenn ein solches nicht statthaft oder zwar statthaft, aber im Einzelfall allgemein unzulässig ist (s. Hansens, in: Arnold/Meyer-Stolte/Hansens, RPflG, 1999, § 11 Rdnr. 47), oder auch dann, wenn lediglich individuelle Unzulässigkeitsgründe wie etwa Fristversäumnisse vorliegen (s. etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. [2000], § 104 Rdnr. 44 zum Kostenfestsetzungsverfahren; a.A. etwa Hansens, § 11 Rdnr. 47; wohl auch Musielak/Wolst, Einl.Rdnr. 62). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (BT-Dr 13/10244, S. 7) soll der Rechtsbehelf der Erinnerung auch weiterhin aus verfassungsrechtlichen Gründen gegeben sein; mit dieser wenig griffigen Formulierung ließe sich vorliegend die Zulässigkeit der Erinnerung nicht begründen, weil der Ast. entweder mit einer Erstklage oder aber mit einer Abänderungsklage nach § 654 ZPO die Möglichkeit hätte, seine Rechte weiter verfolgen zu können.
b) Der Senat sieht eine Erinnerung dann als zulässig an, wenn die Beschwerde nicht statthaft oder zwar statthaft, aber auf Grund von gesetzlichen Beschränkungen unzulässig ist. Dies ist bei Nichterreichen der Mindestbeschwer, kann aber auch bei der Unzulässigkeit der Beschwerde aus den in § 652 II ZPO aufgeführten Gründen anzunehmen sein.
Auch wenn sich die Gesetzesmaterialien hierzu nicht ausdrücklich erklären, kann der Formulierung „ein Rechtsmittel nicht gegeben ist“ in § 11 II 1 RPflG nicht entnommen werden, dass die dem Gesetzgeber bekannte dogmatische Unterscheidung zwischen der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels und seiner Unzulässigkeit damit aufgehoben sein sollte. Andererseits kommt durch die Nichtverwendung dieser Fachausdrücke zum Ausdruck, dass mit der gewählten Formulierung jedenfalls über die bloße Statthaftigkeit eines Rechtsmittels hinausgegangen werden sollte. Deshalb liegt es nahe, davon auszugehen, dass die Erinnerung zum einen dann eröffnet sein sollte, wenn ein Rechtsmittel kraft ausdrücklichen gesetzlichen Ausschlusses nicht statthaft ist, zum anderen aber auch dann, wenn es zwar statthaft, auf Grund gesetzlicher, von der betroffenen Partei jedoch nicht beeinflussbarer Beschränkungen unzulässig ist.
Ob damit die Erinnerung immer bereits dann gegeben ist, wenn eine Beschwerde nach § 652 II ZPO unzulässig ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Zweifel können sich insoweit etwa für den unterhaltspflichtigen Ag. ergeben, wenn er mit Einwendungen nach § 648 II ZPO im Beschwerderechtszug deshalb ausgeschlossen ist, weil er diese nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hat; denn dann lag die Herbeiführung der Zulässigkeit seiner Beschwerde in seiner Hand. Der Ast. im vorliegenden Fall konnte jedoch die Zulässigkeit seines Rechtsmittels nicht mehr steuern. Er hatte ja einen zutreffenden Antrag gestellt und war vom FamG mit der ausgesprochenen Restriktion „überrascht“ worden. Jedenfalls in einem solchen Fall muss davon ausgegangen werden, dass eine Erinnerung nach § 11 II 1 RPflG gegeben ist, weil „ein Rechtsmittel nicht gegeben ist“.
3. In der Sache dürfte nach Auffassung des Senats die Rüge des Ast., das FamG habe die Titulierung seiner Unterhaltspflicht nicht bis zum Eintritt seines vollendeten 18. Lebensjahrs begrenzen können, zutreffen.
Bei der Umstellung von statischen, vor dem 1. 7. 1988 errichteten Alttiteln auf dynamisierte Titel gilt § 1612a BGB entsprechend (Art. 5 § 3 I 2 KindUG). § 1612a III 1 BGB sieht für ein minderjähriges Kind (Abs. 1) die Möglichkeit vor, den Regelbetrag - auch in Form eines Vomhundertsatzes - ab dem 13. Lebensjahr festsetzen und titulieren zu lassen. Daraus allein ergibt sich zwar noch nicht zwingend, dass der Unterhaltstitel auch in der Zeit nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs Wirkungen entfalten soll, doch schreibt dies § 798a ZPO fest. Daraus folgt, dass ein antragstellendes minderjähriges Kind die Titulierung seines Unterhaltsanspruchs ohne die Befristung auf die Vollendung des 18. Lebensjahrs verlangen kann (dazu BT-Dr 13/7338, S. 23; Häußermann, in: FamRefK, BGB§ 1612a BGB Rdnr. 14; im Ergebnis auch OLG Karlsruhe, ZfJ 1999, 231; OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 659).
(Mitgeteilt vom 18. Zivilsenat des OLG Stuttgart) Anm. d. Schriftltg.:
Zur Abänderung eines titulierten Kindesunterhaltsanspruchs bei Erreichen der Volljährigkeit s. OLG Köln, NJWE-FER 2000, 144.
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