Eine Obliegenheit zur Verwertung des Familienheims kann jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn die Verwertung nur dazu dienen soll, die zuvor Naturalunterhalt leistenden Eltern in den Stand zu versetzen, den Unterhalt ihrer volljährigen Kinder auf deren Verlangen künftig in bar zahlen zu können.
Einkünfte des Kindes in einer Größenordnung, die nicht nur seinen eigenen Bedarf decken, sondern sogar das dem Unterhaltspflichtigen verbleibende Einkommen übersteigen, können bedarfsmindernd angerechnet werden.
(Leitsätze der Redaktion)
Gründe:
Den Kl. kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihr Rechtsmittel keine Erfolgsaussicht bietet (§ 114 ZPO).
Das gilt zunächst deshalb, weil die gegen den Bekl. auf Zahlung von Barunterhalt gerichtete Klage unschlüssig ist. Denn der Bekl. schuldet den beiden volljährigen Kl. gemäß § 1606 III S. 1 BGB Barunterhalt - wenn überhaupt - nur anteilig in dem Maße, das dem Verhältnis seiner über dem angemessenen Selbstbehalt liegenden Einkünfte zu dem der - ersichtlich nicht leistungsunfähigen - Mutter der Kl. entspricht. Auf den zwischen ihren Eltern geschlossenen Ehevertrag, wonach der Bekl. die Mutter der Kl. von deren Unterhaltsansprüchen im Innenverhältnis freigestellt hat, können sich die Kl. nicht berufen, weil jener Vertrag nicht im Außenverhältnis wirkt (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, § 1606 Rz. 18).
Die Berufung der Kl. bietet darüber hinaus aus den Gründen des angefochtenen Urteils keine Erfolgsaussicht.
Dabei ist nur klarzustellen, daß eine tiefgreifende Entfremdung, wie sie allgemein und auch vorliegend als Voraussetzung für eine Abänderung der von den Eltern getroffenen Unterhaltsbestimmung i. S. des § 1612 II S. 2 BGB in Betracht kommt, entgegen der vom AmtsG vertretenen Auffassung nicht auf ein Fehlverhalten des unterhaltsverpflichteten Elternteils zurückzuführen sein muß; vielmehr bedarf es insoweit nicht der Feststellung, daß den unterhaltspflichtigen Elternteil ein Verschulden trifft.
Allerdings ist Voraussetzung für eine Abänderung der von den Eltern - bzw. hier vom Vater - getroffenen Unterhaltsbestimmung, daß das Kind - hier: die Kl. - die bestehende Entfremdung nicht selbst maßgeblich verschuldet hat (vgl. Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 2 Rz. 40).
Das versteht sich auch von selbst, weil anderenfalls die in § 1612 I S. 1 BGB vom Gesetzgeber getroffene grundsätzliche Wertung, wonach die Art der Unterhaltsgewährung durch den Unterhaltsschuldner zu bestimmen ist, durch vorsätzlich herbeigeführte „Entfremdung" in ihr Gegenteil verkehrt werden könnte.
Abgesehen davon, daß vorliegend entsprechende Anhaltspunkte vorhanden sind, liegt die Darlegungs- und Beweislast für fehlendes eigenes Verschulden bzw. für ein Verschulden des Bekl., etwa in Form unangemessener Erziehungsmethoden, bei den Kl., die jedoch, wovon auch das AmtsG zu Recht ausgegangen ist, nur unzureichende Beweismittel angeboten haben.
Vorzuhalten ist dem Bekl. sicherlich der Vorfall im Mai/Juni 1998, als er der Kl. zu 1 mehrere Ohrfeigen versetzt hat; dabei handelt es sich jedoch um ein singuläres Ereignis, das sich noch dazu ein Jahr vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt zugetragen hat und für sich allein, zumal die näheren Umstände nicht geklärt sind, nicht die Änderung der Unterhaltsbestimmung rechtfertigt, insbesondere auch nicht rückwirkend (vgl. Wendl/Staudigl/Scholz, a.a.O., § 2 Rz. 39).
Die Berufung ist darüber hinaus ohne Erfolgsaussicht, weil dem Bekl. bei Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche auf Barunterhalt selbst kein ausreichendes Bareinkommen verbliebe.
Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen betrug 1999 2.947,38 DM, wovon nach Abzug von 5 % rund 2.800 DM verbleiben. Die nachgewiesenen Darlehensbelastungen für das Haus belaufen sich auf 1.319,38 DM, die verbrauchsabhängigen und -unabhängigen Hausnebenkosten auf 621,60 DM und die übrigen unvermeidlichen (Sollzinsen, Ratenzahlungen auf Scheidungskosten) bzw. jedem Sozialhilfeempfänger zuzubilligenden Kosten für Zeitung, Telefon, Rundfunk- und Fernsehgebühren auf 222,67 DM, so daß dem Bekl. letztlich rd. 636 DM zum Leben verbleiben. Selbst dieser Betrag ergibt sich nur dann, wenn man die - die Aufwendungspauschale weit übersteigende Kosten verursachende - Haltung eines Pkw als überflüssigen Luxus ansieht, was allerdings angesichts der von den Kl. für sich selbst beanspruchten Nutzung eines eigenen Pkw unangemessen erscheint.
Aus der vorstehenden Berechnung ergibt sich danach, daß der Wohnwert des Hauses dahinstehen kann, weil er, so hoch er auch sein mag, nur den Wohnbedarf befriedigen kann, während zur Deckung des sonstigen elementaren Lebensbedarfs Bargeld erforderlich ist. Der dem Bekl. zur Verfügung stehende Betrag von rund 636 DM liegt aber nur knapp über dem Sozialhilfesatz und jedenfalls weit unter dem Betrag, der ihm auch unter Ausklammerung des Wohnbedarfs als angemessener Selbstbehalt gegenüber den volljährigen Kl. zu verbleiben hat.
Ein anderer Stellenwert käme dem Wohnvorteil nur dann zu, wenn er nur als Rechnungsposten von Bedeutung wäre, wenn er also - etwa durch Vermietung oder Veräußerung des Grundstücks - austauschbar wäre gegen Bargeld, das der Bekl. dann für die Anmietung eines kleineren oder jedenfalls billigeren Wohnobjektes verwenden könnte. Soweit aber die Kl. den Bekl. offenbar auf diese Möglichkeit verweisen wollen, verkennen sie ihre Rechtsposition. Auch der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes bestimmt sich nach seiner Lebensstellung (§ 1610 I BGB), die sich wiederum, solange das Kind nicht wirtschaftlich unabhängig ist, von der wirtschaftlichen Lage seiner Eltern ableitet.
Deren Einkommenssituation wiederum wird nicht nur von Einkünften, sondern auch von Verbindlichkeiten geprägt. Diese sind grundsätzlich anzuerkennen, soweit ihnen nicht Luxusaufwendungen zugrunde liegen oder sie etwa in Kenntnis von Art und Höhe von Unterhaltsverpflichtungen eingegangen wurden.
Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um Aufwendungen für das Familienheim handelt. Insoweit ist vorliegend von Bedeutung, daß der Bekl. zum Zeitpunkt der Aufnahme der Verbindlichkeiten davon ausgehen durfte, daß die damit finanzierten Aufwendungen auch in Zukunft dem Wohnbedarf der Restfamilie zugute kommen würden, zumal die Kl. sich gerade vorher im Rahmen des Scheidungsverfahrens ihrer Eltern für ihren Verbleib beim Bekl. ausgesprochen hatten.
Durch den vollzogenen bzw. beabsichtigten Auszug der Kl. stellt sich die Situation für den Bekl. nicht anders als in den Fällen dar, in denen ein Ehegatte nach der Trennung in dem früher beiden Eheleuten gehörenden, für ihn allein aber zu großen Haus wohnen bleibt und sich nunmehr bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts die Frage der Anrechnung des Wohnvorteils stellt (sog. totes Kapital).
Während die Rspr. für die Zeit nach der Scheidung für den Regelfall von einer Obliegenheit zur Verwertung dieses „toten Kapitals" ausgeht, „ist es einem Ehegatten während des Getrenntlebens in der Regel nicht zumutbar, das früher gemeinsam, inzwischen von ihm allein bewohnte Eigenheim zur Steigerung seiner Einkünfte anderweitig zu verwerten" (BGH, FamRZ 2000, 351, m. Anm. Quack, S. 665 = MDR 2000, 215). Für die Bemessung des Trennungsunterhalts ist daher der Wohnvorteil nur mit dem Betrag anzusetzen, den der unterhaltspflichtige Ehegatte als Mietzins für eine angemessene kleinere Wohnung auf dem Wohnungsmarkt zu zahlen hätte.
Diese für die Unterhaltsbemessung getrennt lebender Eheleute geltenden Erwägungen sind auf Fälle der vorliegenden Art übertragbar. Während nach einer Scheidung der gemeinsame Lebensplan der Eheleute als gescheitert anzusehen ist mit der Folge, daß die zwecks Vermögensbildung für ein Familienheim getroffenen und mit einer Einschränkung des allgemeinen Lebensbedarfes verbundenen Aufwendungen dem anderen Ehegatten nicht mehr entgegengehalten werden können, bleibt das familiäre Band zwischen Eltern und Kindern ein Leben lang bestehen.
Eine Obliegenheit zur Verwertung dieses Familienheimes kann daher jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn die Verwertung nur dazu dienen soll, die zuvor Naturalunterhalt leistenden Eltern in den Stand zu versetzen, den Unterhalt ihrer volljährigen Kinder auf deren Verlangen künftig in bar zahlen zu können.
Die Berufung des Kl. zu 2 bietet darüber hinaus auch deshalb keine Erfolgsaussicht, weil er seine Bedürftigkeit nicht dargelegt hat.
Nachdem er 1998 und 1999 über 16.000 DM bzw. über 10.000 DM allein durch einen Ferienjob verdient hat, kommt den Einkünften aus seiner selbständigen Tätigkeit in einem Musikstudio um so größere Bedeutung zu. Diese Einkünfte sind in keiner Weise belegt, da der vom Kl. zu 2 allein mitgeteilte zu versteuernde Gewinn unterhaltsrechtlich ohne Interesse ist (vgl. BGH, FamRZ 1985, 357, 359).
Die Kl. irren im übrigen auch, soweit sie allgemein ihre Einkünfte für nicht anrechenbar halten. Zwar sind Schüler wie auch Studenten grundsätzlich nicht gehalten, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen, so daß eine gleichwohl ausgeübte Erwerbstätigkeit überobligatorisch ist und daraus erzielte Einkünfte in der Regel nicht ihren Bedarf mindern. Das gilt aber nur für geringfügige Einkünfte oder etwa in Fällen, in denen der Unterhaltsschuldner seinen Pflichten nicht nachkommt, dagegen nicht - wie hier - in Fällen, in denen das Kind Einkünfte erzielt in einer Höhe, die nicht nur seinen eigenen Bedarf decken, sondern sogar das dem Unterhaltspflichtigen in bar verbleibende Einkommen übersteigen.
(Mitgeteilt von RAin M. Scholz, Achim)
Anm. d. Red.: Nach Mitteilung der Einsenderin wurde die Berufung der Kl. aufgrund dieses Beschlusses zurückgenommen
____________________ Unser Kopf ist rund, damit unsere Gedanken die Richtung ändern können Schumacher @ zweitfrauen.de
powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos