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BGH Aktenzeichen: XII ZR 81/99 vom 14. März 2001
Amtlicher Leitsatz:
Zum Anspruch eines Kindes auf Ausbildungsunterhalt nach einem Wechsel der Ausbildung (hier: abgebrochene Heilpraktiker-Ausbildung und Aufnahme des Medizinstudiums).
Entscheidung:
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. nimmt den Bekl. auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch. Die am 1. 5. 1970 geborene Kl. ist die Tochter des Bekl. aus dessen geschiedener Ehe. Sie hat im Sommer 1991 das Abitur mit der Note 2,2 bestanden. Der Abschluss der Schulausbildung hatte sich durch mehrere Auslandsaufenthalte der Kl. verzögert.
Nach Abschluss der 10. Klasse im Sommer 1986 erhielt sie ein Teilstipendium für ein Auslandsjahr in den USA. Dort erwarb sie das Highschool-Diplom. Im Sommer 1988 nutzte sie die Gelegenheit, an einer Reise nach Südafrika teilzunehmen. Im Jahre 1989 hielt die Kl. sich von Februar bis zum Sommer in Paris auf; ihren Lebensunterhalt verdiente sie durch Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten.
Ihre Auslandsaufenthalte begründete die Kl. damit, dass sie der belastenden häuslichen Situation mit streitenden Eltern und einem bis 1993 drogenabhängigen Bruder habe entfliehen wollen.
Im Februar 1990 bezog die Kl. eine eigene Wohnung. Der Bekl., der sich in der mit seiner geschiedenen Ehefrau geschlossenen Scheidungsvereinbarung verpflichtet hatte, diese von eigenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern freizustellen, zahlte der Kl. bis Dezember 1991 monatlichen Unterhalt von 600 DM.
Danach stellte er die Unterhaltszahlungen ein, weil sie sich nicht zu einer Berufsausbildung entschließen konnte. Im August 1992 teilte die Kl. dem Bekl. ihre Absicht mit, Heilpraktikerin werden und zu diesem Zweck ab November 1992 die Heilpraktiker-Schule in H. besuchen zu wollen.
Daraufhin nahm der Bekl. ab November 1992 die monatlichen Unterhaltszahlungen von 600 DM wieder auf. Im Frühjahr 1993 verzog die Kl. nach Baden-Württemberg. Sie schloss am 26. 6. 1993 mit einer Heilpraktiker-Schule in M. einen Ausbildungsvertrag über ein Heilpraktiker-Studium im Wochenendunterricht für eine Studiendauer von 26 Monaten zu einem Gesamtpreis von 8495 DM und setzte die Heilpraktiker-Ausbildung fort. Ende September 1993 stellte der Bekl. seine Unterhaltszahlungen ein.
Daraufhin nahm die Kl. ab November 1993 eine Anstellung in der Verwaltungsabteilung der Universität E. (Abteilung für Urologie) an. Bereits vom 21. bis 24. 7. 1993 musste sich die Kl. wegen gesundheitlicher Beschwerden unbekannter Herkunft in stationäre Krankenhausbehandlung begeben.
Vom 29. 8. bis 8. 9. 1993 wurde sie wegen eines physischen Schwächezustands erneut stationär behandelt. Zu einem weiteren Krankenhausaufenthalt kam es im April 1994; damals wurde die Kl. drei Wochen in der neurologischen Klinik des Universitätskrankenhauses E. behandelt.
Ende Mai 1994 gab sie die Heilpraktiker-Ausbildung auf. In der Folgezeit bewarb sie sich bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen um einen Studienplatz für das Medizinstudium und nahm im November 1994 an dem (damals erforderlichen) Eignungstest teil.
Im Januar 1994 erhielt die Kl. die Mitteilung über das Testergebnis. Auf Grund dieses Ergebnisses wurde sie für das Medizinstudium ausgewählt und erhielt zum Sommersemester 1995 einen Studienplatz an der Universität E.
Dort nahm sie am 1. 4. 1995 das Studium auf. Am 9. 9. 1997 bestand sie das Physikum; zum 1. 3. 1999 stellte sie den Antrag auf Zulassung zum ersten Staatsexamen. Die Kl. erhält seit Beginn des Medizinstudiums Vorausleistungen nach § 36 BAföG.
Der Bekl. ist als EDV-Fachmann bei einer Krankenkasse beschäftigt; sein Bruttoeinkommen betrug im Jahr 1995 rund 120000 DM. Die Ehefrau des Bekl. ist ebenfalls erwerbstätig. Auch die Mutter der Kl. erzielt - neben dem vom Bekl. gezahlten Unterhalt von monatlich rund 1250 DM - Erwerbseinkommen; außerdem verfügt sie über Einkünfte aus der Vermietung einer Eigentumswohnung.
Mit der vorliegenden Klage hat die Kl. - ausgehend von einem mit monatlich 950 DM bzw. 1100 DM bezifferten Unterhaltsbedarf - die Zahlung von Unterhalt in folgender Höhe begehrt: für die Zeit vom 1. 4. 1995 bis 31. 1. 1997 9807,17 DM, zahlbar an das Studentenwerk E., und 2282,99 DM an sie selbst; ab 1. 2. 1997 monatlich 584,26 DM, ebenfalls zahlbar an sie selbst.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Bekl. ihr unter Berücksichtigung der anteiligen Haftung ihrer Mutter in dieser Höhe Ausbildungsunterhalt schulde.
Das AG hat den Bekl. - unter Klageabweisung im Übrigen - verurteilt, für die Zeit vom 5. 1. 1996 bis zum 31. 1. 1998 9561,12 DM an das Studentenwerk und 2107,44 DM an die Kl. sowie ab 1. 2. 1998 monatlich 530,31 DM an die Kl. zu zahlen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Bekl. hat das OLG die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
Auszüge aus den Gründen:
1. Das OLG hat seine Auffassung, der Kl. stehe dem Grunde nach kein Unterhaltsanspruch mehr zu, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Kl., die beim Abitur bereits älter gewesen sei als viele Schulabgänger, habe noch ein Jahr verstreichen lassen, bevor sie sich zu einer Ausbildung entschlossen habe. Angesichts der bereits eingetretenen Verzögerungen sei sie gehalten gewesen, ihren beruflichen Werdegang besonders sorgfältig zu planen.
Sie habe die schließlich gewählte Ausbildung zur Heilpraktikerin, die wegen der aufzubringenden Studiengebühren mit erheblichen finanziellen Opfern verbunden gewesen sei, trotz unzureichender und nur bis einschließlich September 1993 erfolgter Unterhaltsleistungen des Bekl., ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sommer 1993 und der zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts aufgenommenen Tätigkeit als Verwaltungsangestellte auch betrieben.
Die auf 26 Monate angelegte Ausbildung, die planmäßig im August 1995 abgeschlossen gewesen wäre, habe sie jedoch Ende Mai 1994 abgebrochen. Dass dies im Hinblick auf ein beabsichtigtes Medizinstudium erfolgt sei, etwa weil die Ausbildung zur Heilpraktikerin die Kl. unterfordert und weder ihren Neigungen noch ihren Fähigkeiten entsprochen habe, könne nicht festgestellt werden.
Nach Mai 1994 habe die Kl. ihre berufliche Zukunft mithin weder als Heilpraktikerin noch als Ärztin gesehen, sondern sich offenbar damit abgefunden, bis auf weiteres als Verwaltungsangestellte zu arbeiten.
Es könne dahinstehen, ob die Eltern grundsätzlich verpflichtet gewesen seien, das Medizinstudium als Weiterbildung nach einer Ausbildung zur Heilpraktikerin zu finanzieren. In den so genannten Weiterbildungsfällen müsse nämlich ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen praktischer Ausbildung und Studium bestehen.
Selbst wenn ein sachlicher Zusammenhang vorliegend noch bejaht werde, fehle es mit Rücksicht auf die deutliche zeitliche Zäsur zwischen der Beendigung der Heilpraktiker-Ausbildung und der Aufnahme des Studiums jedenfalls an dem für die Annahme eines einheitlichen Ausbildungswegs notwendigen zeitlichen Zusammenhang.
Dieser erfordere, dass der Auszubildende nach dem Abschluss der praktischen Ausbildung das Studium mit der gebotenen Zielstrebigkeit aufnehme. Übe er zunächst den erlernten Beruf oder eine andere Tätigkeit aus, obwohl er mit dem Studium beginnen könne, und werde der Entschluss zum Studium auch sonst nicht erkennbar, so werde der zeitliche Zusammenhang aufgehoben.
Die Kl. habe nicht dargelegt, dass sie frühestens im November 1994 den Entschluss, Medizin zu studieren, durch Meldung zu einer Eignungsprüfung in die Tat habe umsetzen können.
Die von ihr dargelegten gesundheitlichen Probleme hätten sie nicht zwangsläufig daran hindern müssen, schon im November 1993 oder im Sommer 1994 an der Prüfung teilzunehmen, denn immerhin habe sie sich in der Lage gefühlt, die Tätigkeit als Verwaltungsangestellte aufzunehmen.
2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zu Recht rügt, nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Im Ansatz zutreffend ist das BerGer. allerdings davon ausgegangen, dass der aus § 1610 II BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist.
Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, eine Berufsausbildung zu ermöglichen, steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden.
Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (st. Rspr. des Senats, NJW 1984, 1961 = LM § 1601 BGB Nr. 8 = FamRZ 1984, 777; NJW 1987, 1557 = LM § 1610 BGB Nr. 14 = FamRZ 1987, 470 [471]; NJW 1993, 2238 = LM H. 1/1994 § 1610 BGB Nr. 22 = FamRZ 1993, 1057 [1059], und NJW 1998, 1555 = LM H. 12/1998 § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671 [672]).
Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt nicht nur die Obliegenheit des Kindes, die gewählte Ausbildung zügig durchzuführen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern erfordert es vielmehr auch, dass sich das Kind nach dem Abgang von der Schule innerhalb einer angemessenen Orientierungsphase für die Aufnahme einer seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Ausbildung entscheidet (Senat, NJW 1998, 1555 = LM H. 12/1998 § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671 [672]).
b) Die Anwendung dieser Grundsätze führt indessen, wie die Revision zu Recht geltend macht, nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht dazu, dass die Kl. keinen Ausbildungsunterhalt beanspruchen kann. Dass sie das Abitur erst mit 21 Jahren gemacht hat, ist im Wesentlichen auf ihre Auslandsaufenthalte zurückzuführen.
Der einjährige Aufenthalt in den USA fand bereits ab Sommer 1986 statt und damit zu einer Zeit, als die Kl. noch minderjährig war.
Den grundsätzlich sinnvollen Entschluss, ihr dieses Auslandsjahr zu ermöglichen, haben deshalb in erster Linie die Eltern zu verantworten.
Bezüglich der weiteren Auslandsaufenthalte kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei auch um Reaktionen der Kl. auf die schwierigen häuslichen Verhältnisse handelte. Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann ihr deshalb nicht angelastet werden, die Schulausbildung erst mit 21 Jahren beendet zu haben.
Wie die einem jungen Menschen zuzugestehende Orientierungsphase zu bemessen ist, muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Maßgebende Kriterien sind dabei Alter, Entwicklungsstand und die gesamten Lebensumstände des Auszubildenden (Senat, NJW 1998, 1555 = LM H. 12/1998 § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671 [672]).
Der Umstand, dass die Kl. sich nach dem Abitur nicht sogleich für eine Berufsausbildung entscheiden konnte, sondern zunächst in verschiedenen Bereichen arbeitete, um daraus Erkenntnisse für ihre Berufswahl zu gewinnen, steht einem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht entgegen.
Die Orientierungsphase dient gerade dazu, einem in der Frage der Berufswahl unsicheren jungen Menschen die Entscheidung für einen Beruf zu erleichtern. Die hier etwa einjährige Dauer dieser Phase kann angesichts der gesamten Verhältnisse nicht als unangemessen lang angesehen werden, zumal nach dem Vorbringen der Kl. nicht ausgeschlossen werden kann, dass dies auch mit der Belastungssituation in ihrem Elternhaus zusammenhing, durch die sie in ihrer eigenen Lebensgestaltung verunsichert und in ihrer Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein kann, selbst wenn sie damals bereits in einer eigenen Wohnung lebte.
Im August 1992 hat die Kl. sich dann zu einer Ausbildung als Heilpraktikerin entschlossen und ab November 1992 die Heilpraktiker-Schule in H. besucht. Nach ihrem Umzug nach Baden-Württemberg hat sie die Ausbildung an einer Heilpraktiker-Schule in M. trotz der bestehenden widrigen Umstände, insbesondere der unzureichenden Unterhaltsleistungen und der damit zusammenhängenden Notwendigkeit, zur Bestreitung ihres weiteren Lebensunterhalts und der aufzubringenden Studiengebühren zu arbeiten, sowie ihrer - mehrere Krankenhausaufenthalte erfordernden - gesundheitlichen Beeinträchtigungen, an den Wochenenden im Wesentlichen durchgehend fortgesetzt, wie die von der Schule ausgestellten Testate belegen.
c) Ende Mai 1994 hat die Kl. die Ausbildung als Heilpraktikerin allerdings abgebrochen. Nach Auffassung des BerGer. kann nicht festgestellt werden, dass dies im Hinblick auf ein beabsichtigtes Medizinstudium erfolgte.
Diese Annahme lässt indessen, wie die Revision zu Recht rügt, Vorbringen der Kl. außer Betracht. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem AG vom 7. 11. 1995 in Übereinstimmung mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 19. 9. 1995 erklärt, sie habe sich entschlossen, Medizin zu studieren, weil sie im Laufe der Heilpraktiker-Ausbildung erkannt habe, dass sie die Tätigkeit als Heilpraktikerin mit nur eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten im medizinischen Bereich unterfordern werde; schon im Jahre 1993 habe sie den Bekl. gefragt, ob er nicht ein Medizinstudium unterstützen werde, sie empfände die Heilpraktiker-Ausbildung als etwas oberflächlich.
Der Bekl. habe über eine derartige Berufsausbildung aber nicht einmal sprechen wollen und sei bei einem weiteren Gespräch im November 1993 bei seiner ablehnenden Haltung geblieben. Wird dieses Vorbringen als richtig unterstellt, so kann indessen nicht davon ausgegangen werden, die Kl. habe die begonnene Ausbildung nicht zu Gunsten eines Medizinstudiums abgebrochen.
Auch die weitere Annahme des BerGer., die Kl. habe nach Mai 1994 ihre berufliche Zukunft weder als Heilpraktikerin noch als Ärztin gesehen, sondern sich offenbar damit abgefunden, bis auf weiteres als Verwaltungsangestellte zu arbeiten, ist mit deren Vorbringen nicht zu vereinbaren.
Dass sie die Heilpraktiker-Ausbildung wegen des beabsichtigten Medizinstudiums aufgegeben hat, ist in der Folgezeit erkennbar geworden. Nach dem Vorbringen der Kl. in dem nach der mündlichen Verhandlung vor dem BerGer. eingereichten Schriftsatz vom 16. 2. 1999 hat sie bereits im Mai sowie im Juni 1994 Bücher erworben, um sich auf den medizinischen Eignungstest vorzubereiten.
Im Juli 1994 hat sie sich zu einem Vorbereitungsseminar angemeldet, das in der Zeit vom 23. bis 25. 9. 1994 stattfand. Im September und Oktober 1994 hat sie weitere der Vorbereitung auf den Test dienende Fachliteratur angeschafft.
Die Revision beanstandet zu Recht, dass dieses Vorbringen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt und die mündliche Verhandlung - entgegen dem mit Schriftsatz vom 8. 2. 1999 gestellten Antrag - nicht wiedereröffnet wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Gericht zur Wiedereröffnung der bereits geschlossenen Verhandlung verpflichtet, wenn sich aus dem neuen Vorbringen der Partei ergibt, dass die bisherige Verhandlung lückenhaft war und in der letzten mündlichen Verhandlung bei sachgemäßem Vorgehen Veranlassung zur Ausübung des Fragerechts bestanden hätte.
So lag es hier, wie sich aus dem nachgereichten Schriftsatz der Kl. vom 16. 2. 1999 ergibt. Denn sie hätte nach dem gerichtlichen Hinweis auf die Grundsätze der Entscheidung des Senats vom 4. 3. 1998 (NJW 1998, 1555 = LM H. 12/1998 § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671 [672]) ergänzenden Sachvortrag halten können.
Nachdem der Hinweis allerdings nicht - wie grundsätzlich geboten - bereits geraume Zeit vor dem Termin, sondern erst in dem Termin selbst erfolgte, in dem die Kl. zudem nicht selbst zugegen war, konnte von ihrem Anwalt nicht erwartet werden, hierzu - ohne Rückfrage bei seiner Partei - sogleich Stellung zu nehmen.
Die darin liegende Verletzung des rechtlichen Gehörs gebot die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (vgl. etwa BGH, NJW 1999, 2123 [2124f.] = LM H. 8/1999 § 139 ZPO Nr. 30 m.w. Nachw.).
Das vorgenannte Vorbringen der Kl. spricht indessen dafür, dass sie ihre Zukunft gerade nicht als Verwaltungsangestellte gesehen hat, sondern die Aufnahme des Medizinstudiums anstrebte.
Die weitere Annahme des BerGer., sie habe nicht dargelegt, dass sie nicht schon früher mit dem Studium habe beginnen können, wird von der Revision ebenfalls zu Recht beanstandet.
Dem Vorbringen der Kl. zufolge ist die Entscheidung für das Studium erst im Frühjahr 1994 gefallen. Dafür spricht zum einen der ergebnislos verlaufene Verständigungsversuch hierüber mit dem Bekl., der die Kl. zunächst veranlasst hat, sich über andere Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren, und zum anderen die Fortführung der Heilpraktiker-Ausbildung bis Ende Mai 1994.
Die nächste Möglichkeit, an dem medizinischen Eignungstest teilzunehmen, der nur einmal im Jahr stattfand, war demzufolge im November 1994 gegeben. Bei dieser Sachlage kann der Kl. aber mangelnde Zielstrebigkeit in ihrem (geänderten) Ausbildungsverhalten nicht vorgeworfen werden.
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass sie ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte zunächst fortgesetzt hat. Denn auf das daraus erzielte Erwerbseinkommen war sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen.
3. Das angefochtene Urteil kann mit der gegebenen Begründung deshalb keinen Bestand haben. Dem Senat ist es nicht möglich, in der Sache selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 III ZPO), weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf.
Die Sache ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils an das OLG zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Entgegen der Auffassung des BerGer. geht es vorliegend nicht um die Frage einer Weiter- oder Zweitausbildung, sondern um die Erstausbildung der Kl., nachdem sie die Heilpraktiker-Ausbildung abgebrochen und ein Medizinstudium begonnen hat.
Ein solcher Wechsel der Ausbildung ist unbedenklich, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist.
Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht.
Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel um so eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet.
Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einrichten zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Diese Belange erfordern es grundsätzlich auch, dass das Kind sich über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem Unterhaltspflichtigen zu verständigen versucht (vgl. Senat, FamRZ 1981, 344 [346], und FamRZ 1981, 437 [439]; Göppinger/Strohal, UnterhaltsR, 7. Aufl., Rdnr. 424; Schwab/Borth, Hdb. des ScheidungsR, 4. Aufl., Kap. V, Rdnr. 85; Wendl/Scholz, UnterhaltsR, 5. Aufl., § 2 Rdnr. 71).
Falls das BerGer. im weiteren Verfahren zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Kl. ihre Ausbildungsobliegenheit nicht nachhaltig verletzt hat, wird es in tatrichterlicher Verantwortung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls über die Frage zu befinden haben, ob der Ausbildungswechsel von dem Bekl. hinzunehmen ist.
Dabei wird im Rahmen der Beurteilung der zur Rechtfertigung des Ausbildungswechsels von der Kl. geltend gemachten Gründe auch zu berücksichtigen sein, dass gestörte häusliche Verhältnisse sich nach der Lebenserfahrung vielfach nachteilig auf die schulische und sonstige Entwicklung eines Kindes auswirken (vgl. Senat, FamRZ 1981, 437 [439], und NJW-RR 2000, 593 = LM H. 5/2000 § 1610 BGB Nr. 31 = FamRZ 2000, 420 [421]) und im Einzelfall auch zu Verunsicherungen und mangelndem Selbstvertrauen führen können.
Solche Auswirkungen könnten auch zu der Entscheidung der Kl., Heilpraktikerin zu werden anstatt sogleich das wesentlich anspruchsvollere Medizinstudium zu wählen, beigetragen haben.
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