OLG München: Terminierung einer Familiensache auf den 11.11. um 11 Uhr 11 JuS 2000 Heft 05 498
ZPO § 42
Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nicht vor, wenn ein Familienrichter zu Faschingsbeginn am 11.11. um 11 Uhr 11 terminiert, weil auch eine Terminierung zum 11.11. um 11 Uhr 10 kein Ablehnungsgrund wäre.
Von Streitparteien in Familiensachen kann Humor erwartet werden. (Leitsätze aus NJW)
OLG München, Beschluß vom 10.12.1999 - 26 AR 107/99 JuS-Kartei § 42 ZPO Nr. 00/1 = NJW 2000, 748
Der Familienrichter beim AG-FamG- terminierte in mehreren Familiensachen auf den 11.11. um 11.11 h. Eine der Beteiligten, eine alleinerziehende Mutter eines behinderten Kindes, zog daraus den Schluss, der Familienrichter nehme ihre Rechtsangelegenheit nicht ernst, wenn er sie auf den Beginn der „närrischen Jahreszeit“, d.h. des Faschings in Bayern terminiere. Sie erhob Dienstaufsichtsbeschwerde beim Präsidenten des AG und stellte Befangenheitsantrag. Über diesen hat das OLG hier zu entscheiden.
Der hier berichtete Fall betrifft gewiss keine schwierigen familienrechtlichen Fragen, mag aber zeigen, was die familiengerichtliche Praxis alles bewegen kann. Richter genießen richterliche Unabhängigkeit; dass solche Unabhängigkeit auch aus der Sicht des einzelnen Rechtssuchenden oder Betroffenen eines gerichtlichen Verfahrens garantiert ist, wird durch die Regeln aller Prozessordnungen, dass nur der unbefangene Richter eine Rechtssache handhaben darf, mit gewährleistet. Keine Unbefangenheit, sondern Befangenheit mit der Folge eines Ablehnungsrechts der betroffenen Prozesspartei liegt im Zivil- und Familienprozess nach § 42 ZPO schon dann vor, wenn richterliches Verhalten vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters erwecken kann1.
Solche Voreingenommenheit sah die Antragstellerin hier wohl vorliegen, als sie als Beteiligte eines für sie wichtigen familiengerichtlichen Verfahrens die Terminsladung auf den Zeitpunkt des - regional sicher wichtigen, keineswegs aber für alle Zeitgenossen gleich bedeutsamen - Faschingsbeginns in München und Oberbayern erhielt. Sie wird sich geärgert und angenommen haben, der mit ihrer und den anderen Familiensachen dieser Terminierung befasste Richter nehme ihre Angelegenheit nicht so ernst, wie es eine gerichtlich auszutragende Rechtssache eben bei dem Richter verdiene.
Von der humorvollen Seite wird sie diese Terminierung nicht gesehen haben - sie musste sie von dieser Seite sicherlich auch nicht betrachten. Gleichwohl hat sie beim OLG München als dem für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag gegen den Familienrichter zuständigen Spruchkörper kein Glück.
Das OLG sieht Befangenheit im Sinne von fehlender Unvoreingenommenheit bei einem Richter nicht vorliegen, der - aus der Sicht des Senats - sich einen kleinen Scherz erlaubt hat, den er zur Jahreszeit passend gemeint haben mag. Die Begründung der Senatsentscheidung ist demgemäß knapp.
Das OLG erwartet, dass eine Streitpartei einer in der dortigen Gegend anhängigen Familiensache „etwas Humor, zumindest aber Gelassenheit“ aufbringt und nicht, wie die Antragstellerin, durch eine solche Art der Terminierung sich sogleich „veräppelt“ und „ihre Menschenwürde mit Füßen getreten“ sieht.
Der - passende oder unpassende - Scherz des Familienrichters ist also kein Anlass, den Richter für befangen zu erklären. Das so gewonnene Ergebnis ist sicherlich richtig, auch Gelassenheit einer Streitpartei ist in einem Gerichtsverfahren und für die subjektive Bewältigung eines Gerichtsverfahrens nicht unwichtig, besser wäre, so die Einschätzung des über richterliche Erfahrung auch verfügenden Berichterstatters, aber wohl eine andere Art der Terminierung gewesen, auch im Interesse des Ansehens der Gerichtsbarkeit3.
Gerhard Hohloch
1Vgl. zu den praktisch gewordenen Fällen, in denen es um die “Ausdrucksweise“ von Richtern geht, z.B. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. (2000), § 42 Rdnr. 17.
2Zum Verfahren bei der Anbringung eines Befangenheitsgesuchs und für die Entscheidung s. §§ 43 - 45 ZPO.
3Noch kritischer wohl Schneider, NJW 2000, 708, in der dortigen Besprechung der Entscheidung.
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