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AG Siegburg: Verlust des Vergütungsanspruchs durch mangelhafte Unterrichtung des Mandanten
BGB § 628 I 2
Veranlasst der Rechtsanwalt durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils, steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Eine unzureichende Unterrichtung des Mandanten ist ein vertragswidriges Verhalten. Trägt der Rechtsanwalt vor, er habe Abschriften aller Schreiben an den Mandanten versandt, und wird dies vom Mandanten bestritten und eine Reihe von Vorgängen benannt, über die er nicht konkret informiert worden ist, muss der Rechtsanwalt substantiiert hierauf entgegnen.
AG Siegburg, Urteil vom 09.05.2008 - 117 C 16/08; BeckRS 2008, 15671
Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl - Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 17/2008 vom 20.08.2008
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Sachverhalt
Der Kläger begehrte die Bezahlung seiner anwaltlichen Vergütung aus einem früheren Mandatsverhältnis mit der Beklagten. Diesem lag zu Grunde, dass die Beklagte mit Kaufvertrag vom 20.10.2004 von der Firma O. GmbH einen Pkw der Marke P. erworben hatte. Der Kaufpreis wurde über die T-Bank finanziert. In der Folge entstand an dem Fahrzeug ein Brandschaden. Ein von der Teilkaskoversicherung der Beklagten, der E-Versicherung, beauftragter Sachverständiger ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 6.210,95 Euro, ferner einen Wiederbeschaffungswert von 6.600 Euro und einen Restwert von 2.390 Euro. Ferner beauftragte die Versicherung den weiteren Sachverständigen M., der zu dem Ergebnis kam, dass seine Brandursachenermittlung eine Entzündung des Luftfilterelements innerhalb des Luftfilterkastens des Antriebsaggregats durch eingetragene Tabaksglut belege. Jede andere technische und systemimmanente Brandursache könne sicher ausgeschlossen werden. Hinweise auf eine Manipulation oder eine bewusste Inszenierung des Schadensereignisses habe er nicht finden können. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Kläger mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Firma O. GmbH, der Firma P. AG und der T-Bank. Ob auch ein Auftrag hinsichtlich der E-Versicherung erteilt wurde, war zwischen den Parteien streitig. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 02.11.2006 der E-Versicherung mit, dass die Beklagte eine Abrechnung auf der Basis des Wiederbeschaffungswertes wünschte, da ihr eine Weiterveräußerung des ausgebrannten Fahrzeugs nach Reparatur unmöglich sei, sie habe daher das Fahrzeug der T-Bank zur Verfügung gestellt. Mit weiterem Schreiben erklärte der Kläger gegenüber der T-Bank, die Beklagte wünsche keine Reparatur. Da die T-Bank jedoch auf Reparatur bestehe, stelle die Beklagte ihr das Fahrzeug zur Verfügung. Der hinsichtlich der T-Bank verbleibende Restwert belaufe sich auf 2.133 Euro, die Ratenzahlung der monatlichen Darlehensraten werde eingestellt. Mit weiterem Schreiben bat der Kläger gegenüber der O. GmbH um Mitteilung, aus welchen Gründen die Finanzierung des Fahrzeugs nicht über die P-Kreditbank, sondern über die T-Bank erfolgt sei, auch machte er gegenüber der P. AG Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz geltend und bat um Anerkennung dem Grunde nach, bevor die Ansprüche im Einzelnen beziffert würden. Die Rechtsschutzversicherung der Beklagten teilte dem Kläger mit, sie sehe auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen M. keine Erfolgsaussichten gegen die P. AG hinsichtlich der Ansprüche aus Produkthaftung, es bleibe offen, ob die Ansaugvorrichtung fehlerhaft im Sinne der Produkthaftung sei, dies wäre von der Beklagten nachzuweisen. Außerdem wies die P. AG die Ansprüche der Beklagten schriftlich zurück. In der Folge verlangte die Beklagte vom Kläger eine vollständige Kopie der Handakte, was dieser als Kündigung des Mandatsverhältnisses auffasste. Der Kläger erteilte gegenüber der Rechtsschutzversicherung der Beklagten seine Gebührenrechnung, deren Bezahlung diese jedoch ablehnte, da sie bereits einen anderen Rechtsanwalt der Beklagten bezahlt habe. Daraufhin erteilte der Kläger der Beklagten die streitgegenständliche Gebührenrechnung, die er in der Folge mit der Klage gegen die Beklagte geltend machte. Die Beklagte bestritt im Rechtsstreit die Höhe der Gebührenrechnung und rechnete gegen die Honorarforderung des Klägers mit einem Schadensersatzanspruch wegen angeblicher anwaltlicher Pflichtverletzungen auf, wobei sie geltend machte, dass der Kläger keine Gewährleistungsansprüche gegenüber der O. GmbH geltend gemacht habe, obwohl der Kaufvertrag eine dreijährige Eigengarantie enthalten habe. Auch sei es fehlerhaft gewesen, gegenüber der P. AG lediglich Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz geltend zu machen. Ferner habe der Kläger gegen seine Verpflichtung aus § 49b V BRAO verstoßen, wonach der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags darauf hinzuweisen habe, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richteten. Auch habe die Beklagte mehrere Sachstandsanfragen an den Kläger gerichtet, welche er ignoriert habe, mehrere Schreiben habe er erst auf ihre Aufforderung übersandt, in verschiedener Hinsicht sei sie erst dann über den Stand der Angelegenheit informiert worden. Auch entfalle die Vergütung ebenfalls gemäß § 628 I 2 BGB. Die Klage hatte vor dem AG Siegburg keinen Erfolg.
Rechtliche Wertung
Der Kläger habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars aus dem Mandatsverhältnis. Dabei könne die genaue Höhe des seinerzeit entstandenen Vergütungsanspruchs dahinstehen, da dieser Anspruch jedenfalls später nach § 628 I 2 BGB wieder vollständig entfallen sei. Veranlasse der Verpflichtete durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils, so stehe ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.
Das Verhalten des Klägers sei als vertragswidrig anzusehen. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, die Beklagte über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten, ihr insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. Zwar habe der Kläger vorgetragen, er habe Abschriften aller Schreiben an die Beklagte versandt. Dies habe die Beklagte jedoch bestritten und eine Reihe von Vorgängen benannt, über die sie konkret nicht informiert worden sei. Darüber hinaus habe der Kläger ihre Sachstandsanfragen nicht beantwortet und sei nicht erreichbar gewesen. Diesem Vortrag in der Klageerwiderung sei der Kläger nicht entgegengetreten. Weder habe er auf die Klageerwiderung repliziert, noch in der mündlichen Verhandlung widersprochen. Selbst wenn der Vortrag der Beklagten insoweit nicht als unstreitig anzusehen sein sollte, liege darin jedenfalls kein substantiiertes Bestreiten der Klägerseite. Darüber hinaus träfen die Ausführungen der Beklagten insofern zu, als der Kläger deren Gewährleistungsansprüche nicht in dem erforderlichen Umfang geltend gemacht habe.
Auch liege ein Verstoß gegen § 49b V BRAO vor, der Kläger habe sich auf den entsprechenden Vorwurf der Beklagten, nicht auf die Berechnung der Gebühren nach dem Gegenstandswert hingewiesen worden zu sein, nicht geäußert, sodass das Gericht von einem Verstoß ausgehen müsse. Ob dies allerdings für sich genommen eine Kündigung des Mandatsverhältnisses berechtigen würde, erscheine zweifelhaft, müsse indes auf Grund der vorgenannten weiteren Vertragsverletzungen nicht beantwortet werden. Zumindest verstärke dies aber bei einer Gesamtschau die Berechtigung der Vertragskündigung im Übrigen. Gemäß § 628 I 2 BGB hätten die bisherigen Leistungen des Klägers infolge der Kündigung für die Beklagte kein Interesse. In jedem Falle sei noch eine weitere anwaltliche Tätigkeit erforderlich, um die Anspruchsgegner der Beklagten in Anspruch zu nehmen oder auch nur in Verzug zu setzen.
Praxistipp
Die Entscheidung des AG Siegburg verdient Erwähnung, weil sie augenfällig zwei Dinge belegt: Zum einen, dass die Nachlässigkeit bei der Unterrichtung des Mandanten über den Stand und den Fortgang der Angelegenheit, wenn sie mit anderen «Ungeschicklichkeiten» der Mandatsführung zusammentrifft, zur Veranlassung der Kündigung durch vertragswidriges Verhalten im Sinne von § 628 I 2 BGB führen kann.
Zum anderen zeigt der vom AG Siegburg entschiedene Sachverhalt, dass die eigene Tätigkeit durch den Rechtsanwalt nicht nur in der Handakte ausreichend dokumentiert, sondern auch erforderlichenfalls im Rechtsstreit konkret vorgetragen werden muss, und schließlich, dass die pauschale Darlegung, Abschriften aller Schreiben seien an den Mandanten versandt worden, zumindest dann nicht ausreichend ist, wenn der Mandant dies substantiiert bestreitet
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