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BGH XII ZB 166/99
(XII. ZS, Beschluß v. 09. 01. 2002
XII ZB 166/99 [OLG Stuttgart])
BGB § 1618
1. Eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls ist nicht zu erkennen, wenn die für das Einbenennungsbegehren vorgetragenen Umstände nicht über das hinausgehen, was typischerweise die Situation eines Kindes aus geschiedener Ehe kennzeichnet, wenn der sorgeberechtigte Elternteil erneut heiratet und den Familiennamen seines neuen Partners annimmt.
2. Gegenüber der - beantragten - ersetzenden Einbenennung ist die sog. additive Einbenennung ein aliud, das somit nicht Verfahrensgegenstand ist.
(Leitsätze der Redaktion)
Gründe:
I.
Das 1994 geb. Kind V. H. ist aus der 1996 geschiedenen Ehe des AGg. mit der ASt. hervorgegangen, die das alleinige Sorgerecht innehat, seit Dezember 1996 erneut verheiratet ist und mit ihrem Ehemann den gemeinsamen Ehenamen V. trägt. Aus dieser Ehe stammt die 1997 geb. Tochter S. V.
Auf Antrag der ASt. ersetzte das FamG die Einwilligung des AGg. in die Einbenennung des Kindes V. Auf die Beschwerde des AGg. änderte das OLG den Beschluß des FamG ab und wies den Antrag der ASt. zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der ASt.
II.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde, dem angefochtenen Beschluß fehle eine ausreichende Entscheidungsgrundlage, weil das OLG den Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht hinreichend aufgeklärt habe. Es habe die vom FamG unterlassene Anhörung der Eltern und des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung fünfjährigen Kindes nicht mit der Begründung als überflüssig ansehen dürfen; allein aus dem Vertrag der ASt. ergebe sich bereits, daß die begehrte Namensänderung für das Wohl des Kindes nicht erforderlich sei. Zumindest habe das OLG den Antrag nicht zurückweisen dürfen, ohne die Beteiligten zuvor auf die Möglichkeit einer "additiven" Einbenennung nach § 1618 S. 2 BGB hinzuweisen.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des OLG, daß die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung nach der Neufassung des §1618 BGB durch Art. 1 Nr. 7 KindRG nicht mehr schon dann ersetzt werden kann, wenn die Einbenennung dem Wohl des Kindes dient, sondern erst dann, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden und die Einbenennung daher unerläßlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden.
Die entgegenstehende Auffassung, derzufolge eine dem Kindeswohl dienliche Einbenennung regelmäßig auch erforderlich sei, weil alles, was das Kindeswohl fordere, grundsätzlich Priorität genieße (vgl. Bäumel/Wax, FamRefK, § 1618 BGB Rz. 7), ist abzulehnen, weil sie der vom Reformgesetzgeber bewußt vorgenommenen Verschärfung der Eingriffsvoraussetzungen und seiner Absicht, den Schutz der namensrechtlichen Bindung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil stärker als bisher auszugestalten, zuwiderlaufen würde (vgl. Senatsbeschluß v. 24. 10.2001 - XII ZB 88/99 -, FamRZ 2002, 94 f, m. N.).
Unter Zugrundelegung der in dieser Entscheidung dargelegten Voraussetzungen, unter denen das FamG die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in die Einbenennung ersetzen kann, ist es im vorliegenden Fall verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, daß das OLG von einer Anhörung des Kindes und seiner Eltern abgesehen hat. Der Sachvortrag der ASt. bot vielmehr eine ausreichende Entscheidungsgrundlage, weil ihm kein Anhaltspunkt für eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls zu entnehmen war, der dem Gericht Anlaß zu weiterer Sachaufklärung hätte geben können. Sämtliche Umstände, die die ASt. zur Begründung des Einbenennungsbegehrens vorgetragen hat, gehen nämlich nicht über das hinaus, was typischerweise die Situation eines Kindes aus geschiedener Ehe kennzeichnet, wenn der sorgeberechtigte Elternteil eine neue Ehe eingeht und den Familiennamen des neuen Ehepartners annimmt:
a) Der gemeinsame Wunsch des sorgeberechtigten Elternteils und seines neuen Ehepartners, das Kind einzubenennen, wird in § 1618 BGB ebenso vorausgesetzt wie die Einwilligung des Kindes selbst, wenn dieses das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Dieser Umstand ist daher allein nicht geeignet, zugleich die Erforderlichkeit der Einbenennung für das Kindeswohl darzulegen, die nach § 1618 S. 4 BGB hinzukommen muß, um die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils ersetzen zu können.
b) Auch der Vortrag der ASt., das Kind fühle sich geärgert und gehänselt, wenn es im Kindergarten mit seinem derzeitigen Nachnamen angesprochen werde, und leide darunter, einen anderen Namen als den seiner neuen Familie zu führen, kann als zutreffend unterstellt werden, ohne daß sich daraus Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls ergeben, denen das OLG hätte nachgehen müssen. Bloße Unannehmlichkeiten infolge der Namensverschiedenheit zur Familie des sorgeberechtigten Elternteils können die gedeihliche Entwicklung des Kindes nicht ernsthaft beeinflussen und vermögen daher die Erforderlichkeit einer Namensänderung nicht zu begründen (vgl. OLGSaarbrücken, ZfJ 2000, 437, 438, m. N.). Soweit die ASt. geltend macht, für das Kind sei es unverständlich, einen anderen Namen als den seiner neuen Familie führen zu müssen, zeigt dies lediglich auf, daß es der ASt. nicht gelungen oder ihr sogar nicht daran gelegen ist, dem Kind in geeigneter Weise die Gründe für die Namensverschiedenheit und insbesondere die darin zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit seinem Vater zu erklären, die ungeachtet der Eingliederung in die neue Familie fortbesteht (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.).
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der ASt., seit längerem gebe es keinen Besuchskontakt mehr zwischen dem Kind und seinem Vater. Die Aufrechterhaltung der Beziehung des Kindes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist auch und insbesondere dann für das Wohl des Kindes wichtig, wenn der Kontakt weitgehend abgebrochen ist und durch die Einbenennung als nach außen sichtbarer endgültiger Ablösung von ihm verfestigt würde (vgl. Senatsbeschluß, a.a.O.; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1380, 1381).
2. Der weiteren Beschwerde ist zwar einzuräumen, daß dem Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung im Rahmen des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich die Richtschnur eines Verfahrensantrages, nicht aber eines Sachantrages zukommt, so daß das Gericht vor Ablehnung eines solchen Antrages regelmäßig gehalten ist, die Beteiligten [Bet.] auf die einen milderen Eingriff darstellende Möglichkeit hinzuweisen, den Ehenamen des sorgeberechtigten Elternteils dem bisherigenNamen des Kindes voranzustellen oder anzufügen (additive Einbenennung, § 1618 S. 2 BGB).
Von Amts wegen konnte eine solche Entscheidung indes schon deshalb nicht getroffen werden, weil es sich nicht um ein weniger gegenüber der beantragten Namensänderung handelt, sondern um ein aliud, das bisher nicht Verfahrensgegenstand war (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 1375 = OLG-Report 1999, 297, 298, 299). Zudem hätte eine solche Entscheidung erst getroffen werden können, wenn die ASt. und ihr neuer Ehepartner eine solche additive Einbenennung vorgenommen und der AGg. seine Zustimmung hierzu versagt hätte (vgl. Willutzki, KindPrax 2000, 76, 78, m. N.).
Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles stellt aber auch keinen Verfahrensfehler dar, daß das OLG nicht den Versuch unternommen hat, auf ein Einvernehmen der Bet. mit einer additiven Einbenennung hinzuwirken. Nachdem die ASt. erklärt hatte, sie habe sich über die gesetzliche Neuregelung rechtlich beraten lassen, hat darin weiter ausgeführt, der AGg. habe nach "sehr unangenehmen belastenden Auseinandersetzungen" im Anschluß an die Scheidung "sehr kleinliches und fast schikanöses Verhalten" gezeigt. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das OLG daraus geschlossen hat, die ASt. lasse es an der gebotenen Loyalität gegenüber dem AGg. und insbesondere an dem Bemühen fehlen, eine Bereinigung des Verhältnisses diesem als Grundlage für einen dem Kind zuträglichen Umgang mit dem AGg. herbeizuführen. Dies wird insbesondere aus der Darstellung der ASt. deutlich, das Kind betrachte seinen Vater lediglich als einen Bekannten wie etwa die Geschwister der ASt. auch, wenngleich mit Besonderheit, das es mit seiner Mutter früher einmal bei ihm gewohnt habe. Dem Vorbringen der ASt. ist zu entnehmen, daß Sie diese Vorstellung des Kindes hinnimmt und als zusätzliches Argument für ihr Begehren anführt, statt sich zu bemühen, diese dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner sozialen Biographie zuwiderlaufende Vorstellung korrigieren und ihm die Bedeutung seiner Beziehung zu seinem Vater nahezubringen.
Unter diesen Umständen durfte das OLG davon ausgehen, daß es der ASt. in erster Linie darum ging, das fortbestehende Namensband zwischen dem Kind und seinem Vater zu zerschneiden, und daß ihr einer weniger einschneidenden Regelung, die dieses Namensband weitgehend erhalten hätte, nicht gelegen war. Auch im Interesse des Kindeswohls war es bei dieser Sachlage nicht erforderlich, auf eine Änderung des Antrags hinzuwirken, denn auch eine nur additive Einbenennung hätte die ohnehin durch das Verhalten der Bet. gefährdete Bindung Kindes an den AGg. zusätzlich geschwächt und wäre deshalb für sein Wohl nicht einmal förderlich, solange die ASt. ihrer vorrangigen Aufgabe nicht nachkommt, dem Kind die Verbundenheit mit seinem Vater zu erläutern und diese angemessen zu fördern.
[editiert: 17.05.04, 15:44 von Ingrid]