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Bei der Ersetzung der Zustimmung eines nichtsorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung nach § 1618 BGB handelt es sich um eine Sorgerechtssache nach §§ 23b I S. 2 Nr. 2 GVG, 621 I Nr. 1 ZPO
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OLG Stuttgart
18 UF 39/99
26.03.1999
BGB § 1618 S. 4; ZPO §§ 621 1 Nr. 1, 621e; GVG § 23b I S. 2 Nr. 2
1. Bei der Ersetzung der Zustimmung eines nichtsorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung nach § 1618 BGB handelt es sich um eine Sorgerechtssache nach §§ 23b I S. 2 Nr. 2 GVG, 621 I Nr. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung des Rechtspflegers beim Familiengericht ist mit der befristeten Beschwerde nach 62le ZPO anfechtbar.
3. Für die Ersetzung der Zustimmung reicht nicht aus, daß die Namensänderung dem Kindeswohl dienlich ist. Vielmehr ist eine Namensänderung nur erforderlich, wenn das mit dem Elterninteresse grundsätzlich gleichrangige Kindesinteresse jenes
überwiegt.
Aus den Gründen:
Das am 26. 1. 1992 geborene Kind K. stammt aus der Ehe der Beteiligten. Die Ehe wurde durch Urteil des FamG v. 26. 1. 1995 rechtskräftig geschieden; in diesem Urteil wurde die elterl. Sorge für K. auf die ASt. übertragen. Die zwischenzeitlich
wieder verheiratete ASt. und ihr Ehemann bemühen sich um eine Änderung des Familiennamens des Kindes dahin, daß dieses den Familiennamen des Ehemannes annimmt. Der AGg. hat seine Zustimmung zu dieser Namensänderung verweigert, im gerichtlichen Verfahren jedoch mitgeteilt, er stimme einer Anfügung des [neuen] Namens zu.
Das FamG hat durch den Richter den Antrag der ASt., die - verweigerte – Zustimmung des AGg. zu ersetzen, nach Anhörung der ASt., des AGg. und des Sohnes zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß hat die ASt. Beschwerde eingelegt.
1. Die Beschwerde der ASt. ist nach § 62le 1 ZPO zulässig. ...
Bei der Ersetzung der Zustimmung eines nicht sorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung des Kindes handelt es sich nach der ab 1. 7. 1998 geltenden Rechtslage um eine Familiensache, weil insoweit ein Verfahren betreffend die elterl. Sorge i. S. von §§ 23b I S. 2 Nr. 2- GVG, 621 I Nr. 1 ZPO vorliegt (FamRefK1Hoffmann, Rz. 4, Zöller1Philippi, ZPO, 21. Aufl., Pz. 27, Jeweils zu § 621 ZPO; Biittner, FamRZ 1998, 585, 586; wohl auch 'Künkel, FamRZ 1998, 877).
Zwar handelt es sich bei, der Namensänderung nicht um die Regelung oder Ausübung der elterl. Sorge, sondern um die Ausübung' des aus Art. 6 11 GG fließenden Elternrechts. In einem weit verstandenen Sinne, der jedes Tätigwerden zum Wohle eines Kindes erfaßt, ist jedoch auch im Betreiben der Namensänderung durch einen Elternteil eine Sorgerechtsausübung zu sehen. In jedem Fall gilt für solche Angelegenheiten jedoch § 64 FGG, der in Abs. Ill S. 1 bestimmt, daß auf sie die Vorschriften des Zweiten Abschnitts im Sechsten Buch der ZPO, mithin die §§ 621 bis 621fZPO, anzuwenden sind.
2. Nach § 1618 S. 4 BGB kann das FamG die verweigerte Zustimmung eines Elternteils, dem die elterl. Sorge nicht zusteht, in eine Namensänderung des Kindes ersetzen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
a) Funktionell zuständig ist im ersten Rechtszug nach § 3 Nr. 2a RPflG der Rechtspfleger, weil 14 RPflG insoweit keinen
Richtervorbehalt enthält. Doch ist nach § 1 RPflG unschädlich, daß im vorliegenden Fall der Richter statt des Rechtspflegers entschieden hat, auch wenn der Richter nach § 1 1 1 RPflG i. V mit § 39 RPflG mit der Sache auch im Falle der Erledigung eines Rechtsmittels nach Entscheidung durch den Rechtspfleger nicht mehr befaßt worden wäre.
b) Die Ersetzung der Zustimmung des AGg. ist nicht zum Wohle des Kindes ' erforderlich. Dabei ist unerheblich, ob sie dem
Wohl des Kindes dienen würde (a. A. FamRefK1Wax, R,. 7, Palandt1Diederiehsen, BGB, 57. Aufl., Rz. 17, jeweils zu § 1618 BGB), solange sie nicht notwendig ist, um Schäden vom Kind abzuwenden, oder sie gegenüber einer Nicht-Einbenennung einen deutlich höheren Nutzen für das Kind verspricht (zu letzterem Wagenitz, FaniRZ 1998, 1545, 1552).
Dies ergibt sich aus folgendem: Die Fassung des § 1618 S. 4 BGB in Art. 1 Nr. 6 des Regierungsentwurfs zum KindRG sah die Ersetzung vor, wenn die Namenserteilung dem WoW des Kindes dient (.BT-Drucks. 13/ 4899, S. 8), ohne dies weiter zu begründen (BT-Drucks. 13/ 4899, S. 92). Demgegenüber wurde vom Rechtsausschuß des Bundestags die Gesetz gewordene Textfassung vorgeschlagen, um die Bindungen des Kindes an den Elternteil, dem die elterl. Sorge rücht zusteht, zu unterstreichen (BT-Drucks. 13/8511, S. 74). Daraus folgt die grundsätzliche Gleichrangigkeit der Kindes- und der Elterninteressen (Wagenitz, a.a.0.), die nur dann nicht mehr besteht, wenn die Kindesinteressen die Interessen des Elternteils überwiegen.
Ein solches Überwiegen ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere kann aktuell eine Gleichgültigkeit des AGg. gegenüber dem Sohn nicht festgestellt werden, nachdem er sein Umgangsrecht durch das FamG klären ließ und auch klären lassen mußte. Zwar war dies in der Vergangenheit anders, doch dürfte dies ganz entscheidend mit den persönlichen Problemen zusammengehangen haben, die sich in der von der ASt. angesprochenen Drogenproblematik niedergeschlagen haben; dies darf deshalb dem AGg. im Rahmen der Namensänderung als einem Randbereich der elterl. Sorge nicht zum Nachteil gereichen- Auch die soziale Integration des Sohnes etwa in der Schule oder im Fußballerein erfordert nicht konkret die Namensänderung. Daß eine Namensgleichheit für die ASt. und den Sohn in diesem Zusammenhang angenehm wäre, weil damit nach außen die Hinweise auf die eigene soziale Biographie getilgt wären, ist unerheblich, dies zumal in einer Zeit der weitgehenden rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung geschiedener Ehepartner und Kinder aus geschiedenen Ehen nüt Verheirateten und ihren mit ihnen zusammenlebenden Kindern.
Gerade die bisherige soziale Biographie des Kindes steht vorliegend einer Namensänderung entgegen. Denn ersichtlich soll mit ihr bewirkt werden, den bereits in der neuen Familie dadurch begonnenen Austausch des Vaters, daß der Sohn den neuen Ehemann der ASt. als "Papa" anspricht und offensichtlich auch ansieht, auch rechtlich weitestgehend nachzuvollziehen. Damit würde sich eine Namensänderung nicht als für das Kindeswohl erforderlich erweisen, sondern sich lediglich dahin auswirken, daß das Bewußtsein des Sohnes von der Vaterschaft des AGg. zurückgedrängt oder gar ausgelöscht würde. Dies aber würde seinem Recht auf Kenntnis seiner Abstammung und sozialen Biographie aus Art. 2 1 GG i. V mit 1 I GG widersprechen, ohne daß hierfür aus Gründen des Kindeswohls eine sachliche Notwendigkeit ersichtlich wäre.
c) Zwar kommt dem Antrag der ASt. als in einer Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit gestellt lediglich die
Rechtsnatur eines Verfahrens- und nicht auch eines Sachantrags zu. Gleichwohl ist es dem Senat verwehrt, statt der von ihr begehrten Namenserteilung eine vom AGg. eingeräumte Namensanfügung zu verfügen. Insoweit handelt es sich nicht lediglich um ein Weniger gegenüber der Namenserteilung, sondern um ein aliud, das nicht Verfahrensgegenstand ist.
d) Der Senat sieht von einer erneuten Anhörung der ASt., des AGg. und des Kindes ab, weil der Wille des Kindes durch die
Anhörung im ersten Rechtszug hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist und Anhaltspunkte für eine Willensänderung nicht ersichtlich, zudem keine zwischen den Bet. streitigen entscheidungserheblichen Tatsachen mehr zu ermitteln sind, vielmehr es nur noch um die Entscheidung von Rechtsfragen geht. Einer Anhörung des Jugendamts bedarf es nach 5 49a 1 FGG nicht. . . .
[editiert: 24.04.04, 18:36 von Ingrid]