Lomax
Vielschreiber
Beiträge: 68
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Erstellt: 07.02.07, 18:20 Betreff: Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit? |
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Zitat: Seblon
Ich frage mich tatsächlich, ob sich die SF durch ihr längeres Bestehen als literarisches Genre |
"Literarisches" Schreiben macht sich in erster Linie an der Sprache fest, nicht an "anspruchsvollen" Inhalten. Und dabei fällt mir auf, dass ich die heute weithin populäre Forderung nach "Inhalt vor Form" vor allem in der SF kennen gelernt habe. Selbst viele der "inhaltlich anspruchsvollen" SF-Autoren sind sprachlich eher anspruchslos - mit ein Grund, warum die SF aus Sicht der Literaturwissenschaftler immer wenig Beachtung gefunden hat. Diesem Diktum hat sich die Fantasy sehr viel weniger unterworfen, und da ist es meist so, dass, sobald man die anspruchsvolleren Werke betrachtet, die Sprache zumindest ebenso gepflegt wird wie der Inhalt. Insofern würde ich durchaus sagen, dass die Fantasy eher das "literarischere" Genre ist - und weitaus weniger unter dem Problem zu leiden hat, das Andreas Eschbach mal sinngemäß auf einer Buchmesse für die SF genannt hat: Wenn etwas gut ist und eindeutig Literatur, sagen die Literaten gleich, dass es keine SF mehr sein kann.
Zitat: Seblon
Während die Sehnsucht nach Wundern, Göttern, Magie und Traditionen der Fantasy immanent erscheint, ist gerade die Veränderung bzw. die Evolution (technisch und gesellschaftlich) die Essenz der SF. |
Auch mit solchen Urteilen muss man vorsichtig sein. Viele Fantasy-Werke haben durchaus sehr vielschichtige Inhalte und aktuell relevante "Botschaften". Aber während diese in der SF gerne an der Oberfläche erzählt werden, also die "Vision" zugleich auch die Geschichte ist, arbeitet man in der Fantasy sehr viel mehr mit dem Subtext. Die erzählte Geschichte, die Handlung, ist also nur der Hintergrund, vor dem der Autor dann seine unterschwelligen Botschaften platziert. In dieser Hinsicht ist die Fantasy also auch die "intellektuellere" Literaturform Das Problem ist dabei nur, dass je nach Zielgruppe vermutlich 90% der Leser diese Inhalte gar nicht wahrnehmen, und 99% nicht bewusst. Aber gerade diesen Prozentsatz, der die Botschaften unbewusst als emotionalisierte Aussage aufnimmt, erreicht man dafür sehr viel besser, als die SF es mit ihren meist leicht durchschaubaren Botschaften kann. Ich persönlich würde daher als Autor immer lieber mit dem Subtext arbeiten, als im Buch deutlich zu machen, dass ich eine Botschaft habe - was ja oft genug auch als "moralischer Zeigefinger" erst zum Widerspruch einlädt. Und ich vergesse auch nicht, dass es ein Fantasy-Werk war, aufgrund dessen ich zum ersten und einzigen Mal eine "politische" Einstellung um 180 Grad geändert habe. Diese Wirkung hat noch kein SF-Roman bei mir erzielt, obwohl ich in der SF bei der Lektüre schon oft das Gefühl hatte, dass der Autor genau das bei mir gerne erreicht hätte Die Fantasy platziert also ihre relevanten Botschaften unterschwelliger als die SF, und im Gegensatz zur SF betreffen diese Botschaften zumeist keine komplexen, gesellschaftlichen Szenarien, sondern Fragen der allgemeinen menschlichen Lebensführung - also eher die Ethik als die Politik. Und auch das hat seinen Grund, denn die Fantasy hat durchaus keine so kurze Geschichte, sondern literaturhistorische Vorbilder, von denen sie vieles übernommen hat. Tolkien beispielsweise hat den Herrn der Ringe als "Mythos für England" konzipiert und sich ganz bewusst an den Bauformen von Sagen und frühen epischen Schriften orientiert. Im Vergleich mit diesen Vorbildern ist die Fantasy natürlich "künstlich", weil sie die vordergründige Handlung einem anderen Zeitalter entnimmt. Aber ähnlich wie bei Mythen und Legenden dient auch in der Fantasy dieses vordergründige Setting nur als "vereinfachtes Modell", in dem sich ein Wertekanon tradieren und vermitteln lässt. Und diese Werte sind durchaus oft genug deutlich moderner als das Setting der Geschichte, die im Vordergrund erzählt wird. Das merkt man recht schnell, wenn man moderne Fantasy und ihre Botschaften mit tatsächlichen mittelalterlichen Sagen vergleicht.
Nun gibt es in der Fantasy natürlich jede Menge Werke, die gar nichts enthalten: Weder eine ausgefeilte Sprache, noch einen Subtext. Charakterlose Kopien der Oberflächenmerkmale des Genres ... Nun gut, aber die gibt es in der SF auch. Ich glaube nicht, dass sich beide Genres in dieser Hinsicht viel geben. Aber im Gegensatz zur SF sind gerade die besseren Werke der Fantasy selten welche, die den Leser an der Hand nehmen und ihm genau zeigen, was er sehen soll. Ich persönlich finde das eigentlich besser so - und umso bedauerlicher, dass gerade der deutsche Markt sich zumeist auf die Oberflächenkopien beschränkt und man für "richtige" Fantasy tatsächlich meist auf englische Autoren angewiesen ist. Dabei vertrete ich persönlich die Ansicht, dass man auch für den reinen "U-Bereich" der Fantasy nicht auf diese Vielschichtigkeit verzichten muss, gerade weil die Fantasy unterschwellig arbeitet und niemand einen Autor daran hindert, mehr reinzupacken, als der Leser eigentlich haben will, und das dann so zu verpacken, dass es auch beim oberflächlichen Lesen zumindest nicht stört.
____________________ Endlich bin ich auch dabei: Lomax' Weblog lockt ins Lohmannsland - www.lohmannsland.de
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