Lomax
Vielschreiber
Beiträge: 68
|
Erstellt: 08.02.07, 11:06 Betreff: Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit? |
|
|
Zitat: Seblon
Dort habe ich auch meinen Unmut darüber geäußert, dass in 95% aller erscheinenden CRPG's Elfen, Zwerge, Orks, Drachen etc. im Mittelaltersetting auftauchen und ich mich frage, wann auch der letzte CRPG-Fan mal etwas neues und originelles sehen möchte. |
Zum einen muss ich mich als Historiker immer ärgern, wenn bei Fantasy von einem "Mittelaltersetting" gesprochen wird, weil für mich das Mittelalter doch etwas sehr Spezifisches ist und nicht jedes archaische Setting gleich mittelalterlich. Und die Settings, die mittelalterlich sind, orientieren sich eher an den Mittelalterbildern der Romantik als am Mittelalter an sich. Ein richtiges mittelalterliches Setting hat also durchaus noch Innovationskraft
Zum anderen erinnere ich mich gerne an meine Fantasy-Blütezeit in den 80ern. Gegen Ende kamen die Verlage offenbar auch zu dem Schluss, dass die üblichen Settings zu abgegriffen waren, und man fand (tatsächlich) immer seltener HdR-Klone und immer öfter Bücher, die "alles neu" machen wollten. Leider erschöpfte sich dieses "neue" zumeist auf immer exotischere Welten, zu denen man keinen Zugang fand, und immer ausgefallenere und größere Monster. Daraufhin war die Fantasy 10 Jahre lang für den deutschen Buchmarkt tot, und meines Empfindes nach war es ein verdienter Tod. Meine Lehre daraus ist: Lieber gut kopiert als schlecht selbst gemacht. Wenn ein Autor kein mitreißendes Setting konzipieren kann, soll er es lieber bleiben lassen und sich auf altbewährtes stützen. Denn man sollte nicht vergessen, dass das Setting nicht alles ist: Eine gute Geschichte kann davon unabhängig erzählt werden, und wenn die Geschichte gut ist, dann wirkt sie vor einem altbekannten Setting immer noch besser als vor einem missglücktem. Innovation ist ja schön und gut, aber nicht, wenn man krampfhaft und aus Selbstzweck danach suchen muss.
Auch klassische Settings haben durchaus noch ihre Berechtigung. Sie sind dem Leser vertraut, und er findet rasch hinein - und das bedeutet auch, wenn ein Autor noch wirklich etwas neues zu erzählen hat, kann er bei einem so altvertrautem Setting den Blick der Leser rascher aufs Wesentliche lenken. Und wer das "Mittelaltersetting" nimmt und in entscheidenden Punkten davon abweicht, findet für diese Dinge, die anders sind, auch mehr Aufmerksamkeit als ein Autor, der alles ohne Sinn und Verstand neu machen will und bei dem dann die wichtigen Innovationen in dem Wust untergehen. Ich würde also nicht sagen, dass das "klassische" Setting vermieden werden muss. Viele Geschichten können damit sogar besser erzählt werden. Und gerade dann, wenn der Autor außer Action und farbenfrohen Fantasien noch mehr zu bieten hat, beispielsweise auch kritische und gesellschaftliche Aussagen, dann kann er die in vertrautem Rahmen oft besser herausarbeiten, als wenn er sie mit "Farbe" zuklatscht. Das Problem sind also weniger "Mittelaltersettings" oder gebräuchliche Versatzstücke wie "Elfen, Orks und Zwerge". Immerhin kommen in den meisten Romanen auch Menschen vor, ohne dass das abgegriffen wirkt Das Problem ist, wenn diese Romane keine starke Geschichte mehr zu erzählen haben, wenn außer den üblichen Klischees in den Büchern nichts passiert, wenn "Elfen, Orks und Zwerge" ziellos durch die Bücher stapfen und keinen dramturgischen Nutzen mehr haben. Ich denke also, die Fantasy sollte sich eher auf das Stück konzentrieren und nicht so sehr auf die Kulisse. Und natürlich auf die Sprache ... aber das ist natürlich ein ganz anderes Thema, weil mein Missfallen da nicht fantasyspezifisch ist, sondern ein Grunsätzliches.
____________________ Endlich bin ich auch dabei: Lomax' Weblog lockt ins Lohmannsland - www.lohmannsland.de
|
|