molosovsky
Experte
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Erstellt: 16.02.07, 15:05 Betreff: Re: Pro & Contra bekannte Fantasy-Settings und -Archetypen |
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Einspruch: > • Als zweites habe ich schon Mervyn Peake und seinen > Gormenghast-Zyklus genannt, vor allem Band 1 und 2: Rein äußerlich > auch ein mittelalterlich- bis frühneuzeitliches Setting, das noch dazu > (böse, böse) feudalistische Strukturen thematisiert. Trotzdem ein > Vorbild von Mieville und sehr ... eigen. Im Gegensatz zu Tolkien war Peake kein Exeget frühchristlicher Glaubensdiskurse. Die ›alte Welt‹ die in Gormenghast verhandelt wird, ist das viktorianisch/edwardische England, bzw. die ständischen Rituale der chinesischen Gesellschaft, die Peake als Kind erlebte. - Freilich hängt diese Sicht davon ab, was ich als ›typisch mittelalterlich‹ ansehe, oder was ich vermute, was für die Fäntäsy-Verköstiger als ›typisch mittelalterlich‹ gilt. Für mich ist zum Beispiel der durch Mangelernährung geschwächte Pächter, der auf der harten Ackerkrume rumkratzt um einiges ›typischer‹ mittelalterlich, als ein Vertreter der Adels- und Ritterschicht. Natürlich denken die Meisten eher an die ›tollen‹ Aspekte einer Epoche. Aber wie groß auch die romantische Sehnsicht nach ›richtigen Kerlen‹, ›klarem Weltbild‹ und ›Lagerfeuerromantik‹ sein mag, zu einem typisch mittelalterlichen Zahnarzt würde wohl kaum einer freiwillig gehen (nebenbei: »The Beach« berhandelt das sehr schön). Typisch Mittelalter ist für mich ein König, der nicht lesen und schreiben kann (siehe Karl der Große). Für andere Leut sind prächtige Rüstungen, Schwerter (die nebenbei geklagt oftmals gar nicht praktikabel sind) mit Runen, Burgen mit aberwitzigen Zinnen usw als ›typisch mitelalterlich‹ gelten. — Kurz: vor allem in den USA (aber auch anderswo) ist Fäntäsy zu einem Großteil ein Trost, weil man selber in einem Land wohnt, das keine europäischen Burgen un antike Stätten usw aufzuweisen hat. Entsprechend sind auch eher die romantischen Geschichtsverklärungen des 18/19. Jhds der Quell dieser Art von Fäntäsy (man vergleiche Moritz von Schwind mit den Gebrüdern Hildebrandt!).
Ich stimme zu, daß wohl kaum ein Subgenre an sich schlecht ist. Aber, man kann eine Sache zu Tode reiten. Ein solcher toter Gaul ist die ›Mittelalterfäntäsy‹. Resummee: nein, nicht das Setting an sich bestimmt die Qualität, sondern eben die Inszenierung und Instrumentalisierung des Settings (man beachte zum Beispiel, welche Aspekte des Wilden Westens in einem Popkorn-Western wie der »Young Guns«-Reihe überhoht und vernachlässigt werden, und was nun ca. 15 jahre später so eine anthropologisch ›harte‹ Serie wie »Deadwood« aus dem Genre macht).
Grüße Alex / molo
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