Gast
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Erstellt: 18.08.05, 11:31 Betreff: Re: Die phantastische Literatur für den anspruchsvollen Leser |
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Ich will hier gar nicht über die Zweiteilung von "anspruchsloser" und "anspruchsvoller" Fantasy sinnieren, aber auffällig finde ich, dass ein großer Teil der "interessanten" Fantasy der letzten Jahre (Mieville, VanderMeer, Mary Gentle) vor allen Dingen von der Neuzeit udn der Moderne fasziniert ist, und nicht, wie die klassische Fantasy, von einem idealisierten Mittelalter. D.h. diese "neueren" Fantasy (die allerdings auch nicht wirklich neu ist, siehe Peake) erfreut sich - oft auf kritische Art, aber dennoch erfreut sie sich - an Industrialisierung, an Eisenbahnen, an kruder Wissenschaft, an aufbrechenden sozialen Konflikten. Im Herrn der Ringe ist die Industrialisierung eine reine Abgrenzungsfolie, eine zerstörerische Kratf, die von Sauron und Saruman freigesetzt wird. In PSS leben die Figuren in einer industrialisierten Welt mit all ihren Schrecken und Wundern ... Insofern sind Insbesondere Mieville und VanderMeer wohl wirklich "Postmodern" zu nennen, gerade weil sie von der frühen Moderne fasziniert sind und sie in eine Mythologie umwandeln. Die Mythisierung von Neuzeit und moderne erscheint mir jedenfalls im Moment als das interessantere Projekt als die Mythisierung des Mittelalters.
VanderMeer City of Saints and Madmen erscheint übrigens Ende August auf deutsch bei Klett-Cotta in wunderschöner Aufmachung. Ich hab das erste Viertel auf Englisch gelesen und kann das Buch bislang eigentlich nur jedem Mieville-Leser ans Herz legen. Das Buch ist kein Roman, sondern eine Sammlung von Novellen, Stories, und vor allen Dingen historischen und wissenschaftlichen Abhandlungen (die alles andere als trocken sind) über die Stadt Ambergris (dt. Ambra). Sehr viel schwarzer Humor, stilistisch streckenweise ausgesprochen exmerimentell (und von daher sicher nicht an jedem Punkt gelungen), aber von seltener Faszinationskraft. Die deutsche Übersetzung ist von Erik Simon, was für Kongenialität garantieren sollte.
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