BAS-LAG: Das China Miéville-Forum
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Autor Beitrag
molosovsky
Experte

Beiträge: 230


New PostErstellt: 08.10.06, 15:58     Betreff: Zu Seblons Fragen (Warnung: langer Post)

Ich bin dann mal weg. 6 ...
Hallo Seblon!

Bin etwas ermattet am letzten buchmessetag (war als ›offizieller
buchmesse/literaturwelt-blogger‹ dort).
Da kommen mir Deine fragen-vorschläge ganz recht als entspannung.

AAAAALSO: rundum gute ideen für fragen. Die fragen nach büchern/themen
zu unterteilen find ich gandios!
Mir schweben noch fragen vor dem inneren auge, die man sortieren könnte
nach den drei großen ambitions-strängen die China zu verweben trachtet
(siehe Believer- oder Crooked Timer-interviews).
• reisserischer (weird-fiction, phantastik-genres) garn,
• avantgardistische sprach- und stilhaltung;
• gesellschaftlich relevantes schildern & erzählen.

Allein schon fein wäre, wenn China zu jedem dieser drei felder seine
drei hammer-›einflüße/lieblinge‹ anführt.
Als viertes fände ich Chinas top-3 des sachbuch-feldes auch
interessant. (Nebenbei: Ich hab vor kurzem Daniel C. Dennetts »Darwins
gefährliches Erbe« gelesen. Was da über gestaltungs- und
möglichkeitsräume zu finden ist, hat mich an einigen stellen sehr arg
an China-ideen & -passagen erinnert; ich vermute, daß China dieses
Dennett-buch kennt, bzw. sich mit evolutionstheorie näher
auseinandergesetzt hat. Überhaupt: habt Ihr nicht auch bei guten z.B.
BBC-naturdokus das gefühl, daß China sich seine inspirations-kicks zu
einem gutteil aus den bio-naturwissenschaften holt?)

Dann würde ich noch gern wissen, ob China weiterhin sachbücher zu
schreiben gedenkt (akademisch oder nicht). Hey, ich könnte mir
vorstellen, daß wenn er ein buch über phantastik abliefern würde,
dieses mindestens so exzellent wäre wie die arbeit von Aldiss (Trillion
Year Spree/Milliarden Jahre Traum).

Wenn genug zeit ist, würde ich gerne die energie investieren, noch zu
Seblons fragen was zu kommentieren (nicht unbedingt verbesserungen,
aber gedankengänge halt).

Beispiele:
> Fragen zu KING RAT:
> die Hauptcharaktere in KING RAT erinnern doch sehr stark an
> archetypische Comic-Superhelden, wie Spiderman bzw. Batman erinnern.
> In wieweit hattest Du mit dem Roman tatsächlich einen Comic-Roman im
> Sinn?

Ich hab von meiner ersten Miéville-lektüre weg gemerkt (bzw. bin davon
ausgegangen), daß China eben ein unbescheuklappter junger autor ist,
der sich nicht nur auf literatur zwecks quellen und auseinandersetzung
einläßt, sondern ganz selbstverständlich bezug nimmt auf medien, die
für seine generation ganz krampflos zum großen narrationsangebot (und
damit ›kunst‹) gehören. Nicht unähnlich einer haltung, wie sie Douglas
Coupland als von der bildenden kunst kommender autor beschreibt. Auch
Coupland hat viel weniger probleme mit dem aufgreifen von pop-kultur
und mainstream-entwicklungen. — Je nach dem wie man den ›pop-literatur‹
versteht, kann man KING RAT (und teile von LOOKING FOR YAKE und sogar
den Bas-Lag-romanen) als pop-literatur nehmen.

> War dir zu Beginn der Arbeit an PSS bereits bewusst, was aus Lin, aber
> auch aus Yagharek werden würde, oder warst Du selbst ein Stück weit
> überrascht darüber, in welche Richtung sich die Story entwickelt?

Das trau ich mich ja mit »Ja« beantworten (überheblich wie ich nun mal
bin). Immerhin ist es ein markantes gemeinsames merkmal der
›anti-trio‹, daß im letzten teil eines buches eine große wende,
verschiebung (synkope) zum vorherigen verlauf stattfindet. Man wurde
auf eine falsche fährte geführt, und plötzlich gehts um was GANZ
ANDERES. — (Nicht von ohngefähr gibts ja leserstimmen, die über zu
viele zufälle und plötzliche wendungen stöhnten.) — Den kern der frage
find ich aber toll und würde ihn auf die ganze ›anti-trio‹ übertragen.
In etwa: Hatte China von beginn an diese drei schlußvolten der
Bas-Lag-romane im sinn?

> Würdest Du Dir eher einen Realfilm oder einen kompletten CGI-Film
> wünschen?

Der unterschied ›real-‹ und ›CGI-‹film erscheint mir doch recht
konstruiert, in einer epoche, in der diese beiden pole vor allem durch
ihr vermischtwerden auffallen (und glänzen).

> Gerade als schwuler Mann freue ich mich immer sehr über die seltenen
> Momente innerhalb der Phantastik, wo homosexuelle Charaktere
> auftauchen. Bei IC habe ich mich allerdings gefragt, welche Relevanz
> Cutters Homosexualität überhaupt für die Story hatte. Was war Deine
> Motivation, Cutter als schwulen Mann auftauchen zu lassen?

Oscar Wilde sag ich nur. Bitte, der topos von nicht nur sexueller
sondern eben ›platonischer‹ liebe zwischen weiserem, älterem und
jüngeren, vitaleren mann ist doch nun wirklich nicht besonders an den
haaren herbeigezogen, und liegt doch in einem western- bzw. revoluzer-
und parteien-rangelspiel nahe, oder?



Soweit im augenblick.
Grüße
Alex / molosovsky
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