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molosovsky
Experte

Beiträge: 230


New PostErstellt: 20.11.05, 20:23     Betreff: Re: "Der eiserne Rat" ist erschienen.

Der Tag, an dem die Erde...
Hallo Lomax.

> die Plätze tauschen? So weit sollte es eigentlich nicht gegangen sein.

Kommt leider so doch so oft vor, daß ich nach 2 Minuten Blättern eine
Stelle fand.
Originalstelle (nach mass market Taschenbuch, Pan Books 2005) Seite
598, Zeile 20:
    Zitat:
    ‘{…}, and it was … so—’ He shook his hands at his head. ’—so
    draining…’
Im Deutschen, Seite 665, fünfte Zeile von unten:
    Zitat:
    »{…}, und es war – so …« Er schüttelte die Fäuste neben seinem
    Kopf. »… so kräftezehrend …«
Mir fällt einmal auf, daß im Deutschen nur der bekanntere
Halbgeviertstrich und der kurze Divis verwendet wird, aber selten (so
auch bei »Der Eiserne Rat« nicht) der lange Geviertstrich vorkommt; er
wird durch einen Halbgeviertstrich ersetzt. (Mein Handbuch dazu ist der
»Typo Atlas« von Günter Schuler).
Zudem: warum nicht ›kräftezehrend‹ entsprechend ›draining‹ auch
kursiv?

Mein Dahingeschreibsel, daß langer Bindestrich und Ellipse in allen
Fällen ihres Vorkommens die Plätze tauschen ist natürlich Quatsch.

Leider habe ich auch noch keine wirklich überzeugende Übersicht zum
Thema ›ungewöhnliche Satzzeichen‹ gefunden. Wann also überhaupt drei
Punkte, langer Gedankenstreich usw vorkommen, bleibt also erstmal
entweder kein Problem (›simple moderne Prosa‹), wird zu einem Stilding
mit System eines Autor (Arno Schmidt). Im Lauf der Jahrhunderte hat
sich da auf jeden Fall einiges geändert, und in so mancher älteren
Satzzeichen-Exotik findet man sich auch als heutiger Leser schnell und
mit Gewinn zurecht (z.B. die plapperhafte ›Gedanken-Atemlosigkeit‹ von
Sternes »Tristram Shandy«).

»IC« ist ein Buch, daß sich mehrerer Traditionen der Vertextlichung von
Dialog und Stimmen bedient. Im Anamnesis-Teil verwendet Miéville eine
Art wörtliche Reden zu notieren, die ich zuerst bei Joyce kennenlernte,
lange Geviertstrich, keine Anführungszeichen (—Bla). Im restlichen Buch
verwendet er einfache englische Anführungszeichen (‘Bla’), die im
Deutschen mit doppelten französischen Anführungszeichen wiedergegeben
werden (»Bla«).

Nimm Stellen wie den Weber-Auftritt (deutsch Seite 283, englisch S.
253). Im Original echte Kapitälchen (sogen. Small Caps), auf Deutsch
›nur‹ Versalien.

Das sind alle lächerliche Kleinigkeiten, und ich lass hier lediglich
exemplarisch mal den Typo-Geek raushängen. Minuspunkte für die deutsche
Ausgabe bringt das nicht ein. Solche Unterschiede sind für mich aber
lebediges Buchkulturgeschehen, daß mich zum Nachdenken über
Detailfragen die Textgestaltung betreffend anregt.

Heikler erscheint mir lediglich, wenn Kursivität (bzw.
Nichtkursivität) von Stellen nicht mit dem Original übereinstimmen. Das
kommt einige Male vor, und bildet den Großteil meiner in Arbeit
befindlichen Abweichungsliste (ich les noch bis zum Ende des 5.
Kapitels und leg »Der Eiserne Rat« dann bis zum Leserundenbeginn
beiseit). Bisheriger Stand der Liste:

Seite 15 • Zeile 1 ›Womöglich ohne Wiederkehr.‹ = kursiv.
17 • Am Ende des 2. Absatzes fehlt der Satz: ›When the guns' heinous
syncopation stopped, he unchlenched his jaw.‹
17 • aus ›Bullet had taken muscle‹ wird ›Die Kugel hatte einen Batzen
Fleisch mitgenommen‹.*
19 • Nach Zeile 20 neuer Abschnitt = Leerzeile fehlt.
20 • ›Sie folgten Cutters Kompass nach Süden…‹, richtig: ›southwest‹.
21 • nach ›…in anderen Sphären schwebend‹ keine neue Zeile.
22 • Nach Zeile 11 neuer Abschnitt = Leerzeile fehlt.
29 • Zeile 4 ›Arschlöcher‹ = kursiv.
30 • Zeile 13 ›Sag die Wahrhheit‹ = kursiv.
30 • Zeile 21 ›Jabbers willen‹ = kursiv.
31 • Zeile 16; kein Zeilenwechsel vor ›Cutter schüttelte den Kopf‹
sondern danach.
34 • Zeile 6 von unten ›Akrif‹ = nicht kursiv.
35 • Zeile 14 ›spielt‹ = kursiv.
46 • Zeile 4 ›welchen Weg er nehmen muss‹ = ›er‹ kursiv.
46 • Zeile 8 ›Nachrichten‹ = kursiv.
52 • Zeile 19 ›Töte Euch‹ und Zeile 20 ›Mörder!‹ = kursiv.
55 • Zeile 3; mein Vorschlag: ›verkrüppelten‹ statt ›bresthaften‹.
57 • Zeile 18; Zeilenwechsel nach ›Cutter schaute auf den Trupp
Soladaten hinunter‹.
63 • Zeile 10 ›Jahren‹ = nicht kursiv.
63 • Zeile 14 ›Er zeigte … blutüberströmt.‹ = nicht kursiv.
64 • Zeile 9, das dritte ›Jabber‹ = kursiv.
64 • Zeile 8 von unten ›weiß‹ = kursiv.

* bisher die einzige Stelle, wo ich eine inhaltliche Abwechung
ankreide. ›Muskel‹ ist exakter als ›Batzen‹.

Vor der Übersetzung kniee ich respektvoll nieder, auch wenn sie an
vielen kleinen Stellen kurz vom Ton, der Knappheit des Originals
abweicht. Der deutsche »Eiserne Rat« ist sicherlich um einiges
erklärender, weniger sperriger gegen flottes Verständnis als das
Original. Dafür gönnt sich Bauche-Eppers an wenigen Stellen Exotismen
und Neologismen, die so nicht an der Stelle im Original stehen; siehe
z.B. die Handhabung des Begriffe ›motorgun‹ und ›rivebows‹ in Kap. 4,
S. 58ff. Bei »PSS« und »TS« hatte ich damit z.T. noch massive Probleme,
doch mittlerweile wäre eine ›Korrekturliste‹ von mir dazu genauso knapp
und harmlos, wie das obige Beispiel.

Ich mein, über die deutschen Ausgaben von »PSS« und »TS« gibt es genug
zu kritteln was berechtigter ist. Immerhin hat keines der
Miéville-Bücher bei Bastei so richtige Aua!-Schlampereien
erlitten, wie Michael Marraks »Morphogenesis«. Und »Der Eiserne Rat«
ist seit »King Rat« wieder schlicht ein gutes Taschenbuch geworden. —
Die Buchmacher schlampen halt manchmal, und vieles was am Ende die
Kleinigkeiten ausmacht, ist nur Ergebnis von zu wenig Zeit und zu
vielen Details. So wie ich den Bastei-Verlag als Leser seit Jugendtagen
wahrnehme, schlägt das nicht aus der Art der Verlags-Tradition: ab und
an rutschen gewaltige Schlamperein in die Bücher, dafür ist das
Programm thematisch manches Male ›final frontier‹, beste Literatur, wie
im Falle Miéville.

Auch Du liebe Zeit, ich hoffe, ich kau Dir kein Aug ab, Lomax. Aber es
immer schön, mit jemanden über solch spezielle Details zu plauschen.

Grüße
Alex / molosovsky
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