Theophagos
Dauerschreiber
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Erstellt: 01.02.06, 22:39 Betreff: Re: Miéville und Lovecraft |
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Ich wärme das Thema mal auf...
Ich glaube, bei der Wahrnehmung von Lovecraft gibt es eine leichte Schieflage. Lovecraft war Rassist, aber im Laufe der Zeit mäßigte sich seine Einstellung - so war Sonia Greene, die kurzzeitig seine Frau war, Jüdin. Generell war er eher konservativ. Diese Einstellungen findet sich z.T. auch in seinen Geschichten. Im Kern aber war er ein Nihilist. Er war der Ansicht, daß die bürgerliche Ordnung, vor allem ihr Wertesystem, bloß falscher Schein ist. Das unterscheidet ihn z.B. ganz massiv von Tolkien. Beide leiden unter den Sinnverlust der Moderne, aber während Tolkiens Geschichten eine vormoderne Gesellschaft gutheißen, 'entlarven' HPLs Geschichten die Moderne als Flug des Ikaros - man gelangt zu dicht an die Wahrheit. Die Wahrheit, nicht wertvoller als eine Kakerlake zu sein - beide sind wertlos. Cthulhu ist eben nicht der Fremde, sondern die Wahrheit - und diese ist dem Menschen fremd. Das erklärt aber nicht, warum Miéville HPL schätzt.
Ich denke, daß Miéville HPLs Vermischen von Genres sehr schätzt. In vielen seiner Geschichten gehen halt Horror und Science Fiction (Mi-Go) oder Horror und Fantasy (Traumlande), manchmal sogar alle drei in einander über - HPL war einer der prominentesten Vertreter der 'Old' Weird. Und Weird ist bei Miéville ja Programm. Vielleicht ist das schon unter dem Begriff "Ästhetik" gefaßt, aber ich verwende diesen Begriff etwas enger. Ohja, HPL hat auch wirklich einmalige Monster - keine Duzendware von der Stange.
Ein wenig sonderbar finde ich dennoch, daß Miéville sich so eindeutig positiv auf HPL bezieht - ein Wort der Klärung vermisse ich schon. Und warum bezieht er sich nicht ebenso positiv auf Clark Ashton Smith? Der war immerhin deutlich zurückhaltender mit fragwürdigen Botschaften.
Theophagos
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