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BAS-LAG: Das China Miéville-Forum
Das Forum für Fans von China Miéville und seiner Romane
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Autor |
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Seblon
Administrator
Beiträge: 354 Ort: Bochum/NRW
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Erstellt: 11.09.05, 19:34 Betreff: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Habe meine Zeit im Zug auf dem Weg nach Sylt und sehr viel meiner Zeit auf der Insel mit Die Narbe und Leviathan verbracht.
Auch wenn ich einige Figuren sehr liebgewonnen habe (wie z.B. Gerber Walk), mir als sehr großer Vampir-Fan das Auftauchen des Brucolac und seiner Mannen sehr gefallen hat und auch der gesamte Roman wieder vor originellen, detailreichen Ideen (wie z.B. den Krustkürass) strotzt, sind mir doch die meisten Zusammenhänge etwas zu nebulös geblieben.
Ich liebe Miévilles originelle und farbenfrohe Figuren, ich kann das gar nicht anders sagen. Was mir innerhalb von The Scar fehlt, ist ein Verständnis der Motivationen der Charaktere. So bleibt mir die Hauptfigur Bellis Schneewein die gesamte Zeit über ein Rätsel, sowohl in ihrer merkwürdigen Sehnsucht nach New Crobuzon, wie auch in ihrem extrem ambivalenten Verhalten gegenüber den anderen Figuren. Ihre Vergangenheit wird nicht offenbart, deshalb erschien mir vieles an ihrem Gebaren auf Armada, von Miéville inszenierte Staffage zu sein. Reiner Selbstzweck. L'art pour l'art. Nichts weiter.
Auch die Motivation der Liebenden ist und bleibt extrem schwammig. Als sozial-psychologische Studie ist der Roman zu detailreich, nicht stringent genug, als Abenteuer-Roman in der Tradition eines Stevenson oder Melville löst er sich zu sehr in seinen unklaren, sehr farbigen Facetten auf. In all seiner Originalität kommt etwas ans Tageslicht, das mir beliebig erscheint. Ich habe mich die ganze Zeit (mit den Figuren!) gefragt, wohin die Reise geht, aber leider war diese Frage nach vielen, vielen Seiten einfach nicht mehr spannend.
Für mich ist The Scar weit weniger ein Meisterwerk, als PSS.
Es grüßt
Seblon, der Brucolac
Ein Humanist liebt das Licht, gleichgültig, woher es kommt. Er liebt die Rose, gleichgültig, in welchem Boden sie wächst. Er ist ein Sucher nach Wahrheit, gleichgültig, aus welcher Quelle sie fließt. Er weiß: Anhänglichkeit zur Lampe ist nicht Liebe zum Licht.
frei nach Abdu'l-Baha 1844-1921
[editiert: 01.12.05, 17:47 von Seblon]
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molosovsky
Experte
Beiträge: 230 Ort: Ffm
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Erstellt: 14.09.05, 09:25 Betreff: Bellis ist fein
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Hi Seblon und alle.
Ich kann mich nicht aufraffen TS schlapper als PSS zu finden. PSS ist wilder, aber auch unreifer als TS. Bei PSS folgt alles noch unbedarfter einer Holterdipolter-Art. Ich kann mit Terry Gilliam vergleichen: PSS ist »Brazil«, und TS ehr sowas wie »Fisher King«. – PSS würde ich kaum ernst nehmen können, wenn nicht im letzten Drittel des Buches harte Entscheidungen und Konsequenzen
Ich kenne wenige Romane die dem Leser eine Volte wie TS zumuten. Es geht eben NICHT um den Avanc, die Reise zur Narbe, sondern um Bellis und ihre Reise. Trotzdem all die Wahnsinns-Phantastik vorkommt, schließ der Roman eben mit einem äußerst persönlichen Brief ab, der alles andere als exotisch-phantastisch ist.
Bellis ist keine lockere Person die sich gegenüber anderen gerne öffnet, nur konsequent also, daß sie auch zum Leser auf Distanz bleibt. (Mach Dich bei IC auf herbe Lektüre gefaßt. Charakterzeichnung wird dort doch knapper, härter. Bibliotheka-Phantastika spricht sogar von Unsymphatlern als Protags. Der Rezensent dort scheint mir auch von unrealistischen Gummi-Gutmenschen-Figuren z.B. aus Fernsehe-Serienwahre versaut zu sein.). – Mir war sie jedenfalls ziemlich symphatisch.
Das ›Programm Bellis‹ wird ja auch gleich zu Beginn vorgestellt. ›Bleib mir von der Pelle, Schwester Meriope‹ – Bellis, die kalte, auf andere abfällig guckende hartherzige intellektuelle. Man achte darauf, wie herrlich aber dann z.B. das Motiv/Allgemeinplatz durchgespielt wird , daß Frauen (Bellis) die gefährlichen Strolche (Fennek, Uther Doul) statt braver Kerle (Tearfly) bevorzugen.
Tip: Konzentrier Dich vielleicht bei einer Zweitlektüre auf die Figuren. Die im Blick zu behalten ist bei Miéville nicht ganz leicht (kann mich noch erinnern, wie bei SF-Netzwerk einige Miéville-leser aus allen Wolken vielen, als ich meinte, daß Isaac ein Schwarzer ist.)
Grüße Alex / molosovsky
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Seblon
Administrator
Beiträge: 354 Ort: Bochum/NRW
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Erstellt: 14.09.05, 17:22 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Ich habe überhaupt nichts gegen unsympathische Protagonisten, aber ich will ihre Handlungen auf Basis ihrer jeweiligen Anlage nachvollziehen können. Ich komme ja aus dem Theaterbereich und dort habe ich den sehr verstärkten Blick auf den Subtext von Figuren und ihren Dialogen und das ständige Abklopfen der Motivationen der Handelnden gelernt. Was treibt Bellis an? Was läßt sie so besessen davon sein, zurück nach New Crobuzon zu wollen, sie ist der Stadt doch gerade entkommen? Wie erklärt sich ihre unglaubliche Passivität angesichts so vieler Krisen? Was hat sie so kühl und distanziert werden lassen?
Uther Douls unklare Motivationen wird ja sogar ganz konkret thematisiert. Wie bereits erwähnt gibt auffallend viele unklare Motivationen, sowohl in der Handlung, wie auch in den Figuren. Bellis scheint mir merkwürdig artifiziell nebulös, aber nicht tiefgehend vielschichtig.
Der Biss in den Apfel war Zeichen einer Befreiung, er eröffnete den schmerzhaften aber nötigen Pfad....
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opus3d
Stammgast
Beiträge: 34
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Erstellt: 08.12.06, 23:19 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Uther, Belis & Co...
Meiner Meinung nach ist es Mievilles Hauptintention, mit diesem (ich kann es garnicht oft genug sagen) herrausragendem Roman/Noir, dem Leser ein absolut beklemmendes, mystisches und sagenumwobenes Lesevergnügen zu bereiten. (über die enthaltene sozial/politische Kritik ganz zu schweigen.)
Wo es in Perdido eben noch die eher schillernden Charaktere gab, deren Absichten, Emotionen und Beweggründe deutlich hervor gehoben wurden, ist die Narbe im Vergleich zu diesem eher bunten Roman, wohl das genaue Gegenstück.
Es ist hier alles nur wage zur erkennen, als würde ein Nebel die ganze Zeit dem Leser den 100%gen Durchblick verwehren wollen. (ich fínde das Artwork auf dem Cover auch sehr gut gewählt, so wie Musik ja Farbe und Emotion wiederspiegelt, spiegeln diese Cover durch die Farbe die vermittelte Emotionen der Geschichte/n wieder)
Die Absicht Belis dem Moloch NC zu entfliehen und in die unbekannte Ferne zu flüchten, scheint auf der Hand zu liegen. Nur verschwimmt diese Absicht als einziger Antrieb für ihr Handeln im Laufe des Geschehens, in dem sie mit jeder Menge Gewissensfragen konfrontiert wird (Remade gefangen/frei, das Joch Amadas/New Crobuzons, Freiheit/Blutzoll...uvm.), bei welchen sie ständig die Umstände abzuwegen hat.
So erscheint es mir, als sei Belis nur diese Maske der passiven (neutralen!)Beobachterin, die sich der Leser aufsetzt, wenn er in diese Welt eintaucht. Eine Art spitzfindig gestalltetes Organ, durch das wir in den Genuss der Sinneswahrnemungen kommen. (als Beweis dafür, möchte ich auf den Brief hinweisen, den sie während der gesammten Handlung schreibt und dem damit einhergehenden, stetigen Wechsel zwischen Ich-Erzähler und Aussenstehendem-Beobachter ihrer Person. Ich betrachte auch die Freude/Hoffnung von Belis wieder nach NC zurückzukehren, als ein wohlüberlegtes zu guter letzt, doch noch stattfindendes Schließen des Kreises....)
Uther Doul, der den Brucolac nicht nur besiegen, sondern auch noch demütigen konnte( da bin ich übrigens sehr an Seblons Meinung zu diesem Thema interessiert ), der sagenumwobene Kämpfer, der schon dem GeisterhauptImperium einen Streich spielte, sich aus der Welt der Toten in das Leben zurück kämpfte und wohl als einziger von allen, uns als Leser eingeschlossen, den absoluten Durchblick zu haben scheint.
Dieser fungiert meiner Meinung nach als Quelle der Ruhe/Unruhe, welche dem Beobachter(Belis/Uns) neuen Anreiz gibt zu Hinterfragen(die Liebenden...z.B.), aber auch mit seinem Allwissen etwas Licht in diese fantastischen Tiefen der Arcana, Zauber und Mythen wirft(GeisterHaupt, die Quelle d. Torques, das possible Schwert...usw.). Und natürlich mit seiner unheimlichen Präsenz und seiner Allmacht einen enormen Unterhaltungswert erfüllt. (Belis´ direkter Konterpart eben)
Will sagen: diese beiden Figuren, welche übrigens wirklich die einzigen sind, über deren Beweggründe, Emotionen und Absichten wir nicht 100%ig ins Bilde gesetzt werden und noch genügend Raum für Spekulationen bleibt, sind nur, meiner Meinung nach sehr gut gewählte, Stilmittel die den Leser begleiten/führen sollen, deren Beweggründe und Absichten eben auch ein Stück weit in uns selbst zu finden sind. (ich sollet hier wahrscheinlich noch wesentlich mehr auführen, möchte aber nur auf die Stimmung die dieser unglaubliche Roman vermittelt, eingehen, welche ich eben durch genau diese beiden Charaktere kanalisiert sehe.)
Betrachtet man den gesamten Rest, von Gerber, Schekel, Vogelsang, Silenius, Brucolac, Belis Freundin aus der Bibliothek, den Forscher Aum, die Grimmenök(oderso), bis hin zu den Truppen New Crobuzons, ist eigentlich alles berichtet worden, was es über Absicht und Beweggründe in Abhängigkeit der jeweiligen Rollen zu berichten gibt...
(an dieser Stelle fällt mir gerade der Kaktusman der Aeroganz ein, welchen ich fast vergessen hätte, ist schließlich gut 2-3 Jhr her das ich das Buch gelesen habe. Nur möchte ich diesen, zwar auch ausschließlich als Stilmittel betrachten, jeodch ohne die tragende Bedeutung der anderen beiden.)
...und genau dieses Absetzen dieser 2 Charaktere und natürlich der gewaltige, fantastische, epische und einfach nicht in Worte zu fassende Inhalt dieses Buches, machen die absolute Erstklassigkeit und Individualität des Autoren aus.
China Mieville versteht es wie kein zweiter mit dem Leser zu verfahren, und das wird in keinem seiner Romane deutlicher hervorgebracht wie ind diesem. Vielleichbt liegt meine Überzeugung auch an einer leichten Voreingenommenheit, welche ich gegenüber diesem Roman habe, da dieser mein erster Mieville überhaupt war. Doch es hat mich davor und auch danach nicht ein Buch mehr so in seinen Bann gezogen wie dieses.
Liebe Grüße,
der Coldwine Lover
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Seblon
Administrator
Beiträge: 354 Ort: Bochum/NRW
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Erstellt: 10.12.06, 11:49 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Zitat: opus3d
Uther Doul, der den Brucolac nicht nur besiegen, sondern auch noch demütigen konnte( da bin ich übrigens sehr an Seblons Meinung zu diesem Thema interessiert ), der sagenumwobene Kämpfer, der schon dem GeisterhauptImperium einen Streich spielte, sich aus der Welt der Toten in das Leben zurück kämpfte und wohl als einziger von allen, uns als Leser eingeschlossen, den absoluten Durchblick zu haben scheint. |
Was genau meinst Du mit Uther Douls Demütigung des Brucolacs? Ich muss gestehen, dass es nun bereits über 1 Jahr her ist, dass ich den Roman gelesen habe und dazwischen ca. 40 andere Romane liegen und ich vermutlich der vergesslichste Mensch des subindischen Kontinents bin...(bin meist froh, wenn ich morgens noch meinen Namen weiß )
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
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opus3d
Stammgast
Beiträge: 34
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Erstellt: 10.12.06, 13:35 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Als sich der Brucolac dem Vorhaben der Liebenden Armada endgültig bis über die Narbe zu bringen in den wegstellt, wird er von Doul, der dies nicht dulden kann zum Kampf gefordert.
Das Kampfgeschehen an sich wird nicht genauer beschrieben, es heißt dann nur, dass der Brucolac nach dem Kampf, hier bin ich mir jetzt auch nicht mehr sicher wo genau(2-3 Jahre her;)), von Doul an einem öffentlichen Platz an ein Kreuz genagelt wurde, an dem er den ganzen Tag durch die Einwirkungen der Sonne bis an den Rand der Bewustlosigkeit geschwächt wurde und sich erst in der Nacht wieder erholen konnte.
Da der Brucolac der wohl Mächtigste aller Vampire ist überlebt er diese Schmach, ich glaube mehrere Tage oder Wochen sind es die er überstehen muss, und wird dann nach Trümmerfall entlassen, wo er sich dann geschwächt und gedemütigt zurück zieht und seinen Status als furchteinflösender Fürst der Finsterniss auf Armada endgültig verloren geben muss.
Da mich der Brucolac unter all diesen fantstischen Charakteren am meißten faszinierte, war ich stock sauer und habe im Geiste das Gefecht gegen Doul des öfteren wiederholt, in welchem ich ihn dann in die Knie zwingen konnte. hahaa ne war nur ein Scherz.
Dachte du hättest ähnlich Partei für den Brucolac an dieser Stelle ergriffen wie ich.
Liebe Grüße,
der Coldwine Lover
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Seblon
Administrator
Beiträge: 354 Ort: Bochum/NRW
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Erstellt: 11.12.06, 19:41 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Zitat: opus3d
Da mich der Brucolac unter all diesen fantstischen Charakteren am meißten faszinierte, war ich stock sauer und habe im Geiste das Gefecht gegen Doul des öfteren wiederholt, in welchem ich ihn dann in die Knie zwingen konnte. hahaa ne war nur ein Scherz.
Dachte du hättest ähnlich Partei für den Brucolac an dieser Stelle ergriffen wie ich. |
Ja, Du hast vollkommen Recht, auch wenn ich Uther Doul mit seinen vibrierenden Klingen für einen fantastische Figur halte, war ich als begeisterter Vampir-Fan doch etwas enttäuscht vom schnellen Schachmatt des Brucolac. Vielleicht hat sich der Buffy-Fan Miéville etwas zu sehr von der Serie beeinflussen lassen, wo Vampire ja auch immer sehr schnell und problemlos das Zeitliche segnen. Miévilles Herz schlägt sehr eindeutig eher für den an Matrix erinnernden Assassinen Uther Doul als für den klassischen Vampir-Mythos.
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
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opus3d
Stammgast
Beiträge: 34
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Erstellt: 11.12.06, 19:47 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Leider...
gab es Buffy und Matrix zu der Zeit schon?
Liebe Grüße,
der Coldwine Lover
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molosovsky
Experte
Beiträge: 230 Ort: Ffm
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Erstellt: 11.12.06, 19:49 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Also ich fand die Marter des Brucolac am Ende von The Scar schon auch so geschildert, daß man Mitleid für dieses Monster haben kann. Also ich hatte (auch) Mitleid. Jetzt ists raus.
Grüße Alex / molosovsky
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Seblon
Administrator
Beiträge: 354 Ort: Bochum/NRW
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Erstellt: 11.12.06, 20:09 Betreff: Re: Was bleibt von Armada..? (mögliche Spoiler!)
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Zitat: opus3d
Leider...
gab es Buffy und Matrix zu der Zeit schon? |
Buffy gibt es seit 1997 und der grandiose erste Matrix-Film wurde 1999 produziert. Miéville schrieb THE SCAR 2001/2002.
Es grüßt
ein Diener des Brucolacs
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
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