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Autor Beitrag
hirschi41m1

Administrator

Beiträge: 87


New PostErstellt: 21.02.07, 01:11     Betreff: Re: Zeit und Licht Antwort mit Zitat  

Einstein und das Problem der Zeit

Einsteins Vorhersagen



Im Alltag scheint es nichts einfacheres als das zu geben:
der Blick auf die Uhr, das Zeitmessen. Zugegeben - die
Präzision hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer
mehr verbessert. Von den Wasseruhren der Ägypter über die
Pendeluhren und Chronometer auf den englischen Schiffen bis
hin zu den heutigen Atomuhren hat sich die Präzision immer
weiter heraufgeschraubt. Aber - so glaubt die Alltagserfahrung -
der Gang einer Uhr hängt nicht davon ab, wie schnell sie
sich bewegt oder wo sie sich gerade befindet... Einstein sagt
genau das Gegenteil:

  • Uhren laufen langsamer, wenn sie sich bewegen (dies heißt
    "relativistische Zeitdilatation" und kommt aus der speziellen
    Relativitätstheorie) und
  • auch, wenn sie sich in der Nähe schwerer Körper befinden
    (dies nennt sich "relativistische Rotverschiebung" und wird in der
    allgemeinen Relativitätstheorie behandelt).


Zu beiden verblüffenden Phänomenen hat "Quarks&Co" jeweils ein
Experiment gemacht. Denn Einstein liebte zwar die
Gedankenexperimente, doch gerade die letzten beiden Jahrzehnte
haben den Physikern erst die Möglichkeiten in die Hand
gegeben, Einsteins "Gedankenexperimente" in die Wirklichkeit
umzusetzen. Es sind "Nagelproben" der Einsteinschen Relativitätstheorie
- auch wenn es ausgetüfteltere Versuchsaufbauten gibt,
die Einstein wesentlich besser und genauer bestätigen. Alle
diese Versuche haben aber den Nachteil, nicht so
anschaulich zu sein, wie die von uns gemachten...

Voraussetzung - genaue Uhren






"Quarks"-Autor Heinz Greuling checkt die
Präzisons-Uhr nach dem Flug mit
dem Lufthansa Airbus


Erst seit etwa 1960 gibt es so präzis laufende Cäsiumuhren,
die es erlauben, Einsteins Vorhersagen zu überprüfen. Denn:
Die vorhergesagten Effekte lassen sich mit einer
Taschenuhr nicht nachweisen, da braucht's genauere Uhren.
Die "gesetzlichen Zeitmacher" in Deutschland benutzen solche
Uhren, genauer die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in
Braunschweig in ihrem Zeitlabor. Ihr Leiter, Dr. Andreas Bauch,
hat uns mit seinen Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite
gestanden - sie liehen uns auch die Uhr, mit denen man
überhaupt die vorhergeagten Effekte nachweisen kann. Dabei
handelt es sich um die Cäsiumuhr von Hewlett-Packard
HP 5071A high performance (auch hier unser besonderer
Dank an Hewlett-Packard Deutschland). Sie läuft in 100.000
Jahren um eine Sekunde falsch - und misst Zeiten auf
Nanosekunden genau, das sind Milliardstel Sekunden.

... ein Gefühl für Größenordnung





Der Lufthansa-Pilot Cord Becker begrüßt das "Quarks"-Team und die Uhr



So unverständlich die beiden Zeit-Phänomene (Zeitdilatation und
Rotverschiebung) sind, kann man trotzdem sehr
einfach ein Gefühl für die Größenordnung und Relevanz
dieser relativistischen Effekte bekommen (Physiker machen das
genauso): Es hängt nämlich immer von Größenordnungen ab.



Zeitdilatation und alle anderen Effekte wie die
etwa die Lorentz-Längen-Kontraktion
(s. "Eine Fahrt mit Lichtgeschwindigkeit"),
oder die relativistische
Massenzunahme (s. "Aus Masse wird Energie") hängen immer von Geschwindigkeitsverhältnissen ab.



Also: Wie schnell bewegt sich der betrachtete Gegenstand im
Verhältnis zur Lichtgeschwindigkeit (=300.000 km pro Sekunde)? In
unserem Uhrenexperiment fliegt der Airbus
A340-300 etwa 830 km pro Stunde, verglichen mit
300.000km pro Sekunde ist das sehr wenig. Aber verglichen mit unseren
normalen Alltagsgeschwindigkeiten - ist das fast nichts. Also
erwartet ein Physiker auch keine relativistischen Effekte
(sonst muss man eben - wie wir - superpräzise messen).



Dagegen hängt die relavistische Rotverschiebung ab von Massen-
und Größenverhältnissen. Physiker benutzen dabei eine Hilfsgröße,
den so genannten Schwarzschildradius. Je schwerer ein
Körper ist, umso größer ist der Schwarzschildradius. Für
die Erde beträgt er 9 Millimeter, für unsere Sonne
ist er 3 Kilometer. Relativistische Effekte
werden spürbar, wenn der Schwarzschildradius mit den Größenverhältnissen
des betrachteten Gegenstandes vergleichbar wird.



Bei unserem Uhrenexperiment sind das: 9 Millimeter Schwarzschildradius
der Erde verglichen mit der Höhendifferenz
(also die Flughöhe) - wahrlich ein winziger Effekt!
Unser Experiment - auf der Sonne durchgeführt - würde sich
erheblich einfacher gestalten - abgesehen von den etwas
unwirtlichen Temperaturen...

Eine Uhr auf Reisen


"Quarks&Co" machte die Nagelprobe und schickte in einem
aufwendigen Experiment die Cäsiumuhr aus Braunschweig über den
Atlantik hin- und zurück. Am 28. Oktober flog der Autor
und Physiker Heinz Greuling mit dem Präzisonschronometer im
Lufthansa-Flug LH 420 von Frankfurt nach Boston und direkt wieder
zurück mit dem Flug LH 421. Die Lufthansa und die Piloten
Cord Becker und Gerd Becker und ihre Crews und der Technische Leiter
Otto Hamann machten damit etwas möglich, was sonst nicht hätte
verwirklicht werden können: direkt nachzuvollziehen, ob einer,
der eine Reise tut, dabei jünger wird. Und tatsächlich: ganz
wie vorgesagt, zeigte sich beim anschließenden Uhrenvergleich
in Braunschweig eine Zeitdifferenz von 28 Milliardstel Sekunden.


Die Atomuhr auf dem Kölner Dom





Die superpräzise Cäsiumuhr in hundert Metern Höhe im Nordturm des Kölner Domes


In diesem Experiment deponierte "Quarks&Co" die Braunschweiger
Atomuhr für eine Woche auf dem Kölner Dom. Der Dompropst
Bernard Henrichs und die Frau Dombaumeister Prof. Dr. Barbara
Schock-Werner gaben ihr "placet et nihil obstat" -
sie waren selbst gespannt, ob Einstein Recht hat: Würde die
"dem Himmel nähere" Uhr schneller laufen als eine in
Braunschweig niedrig gelegenere Uhr? Für eine Woche
brachte der Autor und Physiker Heinz Greuling die Cäsiumuhr
in die luftige Höhe des den Touristen nicht zugänglichen Nordturms
der Kölner Kathedrale und ließ sie dort anderthalb Wochen
(bei einem Höhenunterschied von knapp achtzig Meter
zu Braunschweig) ticken. Der anschließende Uhrenvergleich
in Braunschweig mit der Schwesteruhr ergab tatsächlich eine
Zeitdifferenz von 7 Milliardstel Sekunden (genau wie
Einstein es erwartet hätte): die höher gelegene Uhr war
also wirklich und messbar um 7 Nanosekunden gealtert...

Heinz Greuling



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