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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 05.12.03, 22:32     Betreff:  Bettel-Demo heute in Berlin ... gut gemeint aber ...

aber eine Demo ist was anderes


Pünktlich um 15 Uhr am S-Bahnhof Grunewald angekommen, wurde erschreckend deutlich, was ich insgeheim befürchtet hatte: es war ein gutgemeintes Ringelpietztreffen für lauter Gutmeinende, gut gemeint organisiert von braven Gutmeinenden, die angeführt wurden von professoralen und anderen im öffentlichen Leben stehenden Gutmeinenden.

Es hatten sich immerhin ca. 200 Menschlein hier im tiefsten und sattesten Viertel des alten West-Berlins versammelt, standen mit staunenden Augen erwartungsvoll und ziellos herum, ließen sich unterschiedlich farbige Bettel-Demo-Plaketten geben, denn - so wurde aufgeklärt - es sollten sich vier farbgleiche Gruppen bilden, gelb, blau, grün und orange. Ich nahm eine gelbe und eine blaue. Jede Gruppe sollte dann getrennte Demo-Routen ablatschen und sich am Schluß wieder hier am S-Bahnhof-Vorplatz zur Abschlußkundgebung treffen.

Welch ein Blödsinn, dachte ich mir, bei so wenig Studis sich auch noch zersplittern!

Als ich Peter Grottian, der gerade interviewt wurde, mit einer gelben Plakette sah, entfernte ich den blauen Aufkleber und steckte mir auch die gelbe Plakette an. Als mir dann strahlende Studis Lampions oder Fackeln in die Hand drücken wollten, muß ich sie wohl so perplex angeschaut haben, daß sie es schnell wieder aufgaben. Dann ergatterte ich mir schnell noch das letzte Exemplar der "Presseerklärung" (im Anhang), die ich besser schon Tage zuvor erhalten hätte.

Hier las ich mit immer länger werdendem Gesicht, was Grottian & Co. "organisiert" hatten: nämlich tatsächlich einen Fackelzug im nobelsten und sattesten Viertel West-Berlins ganz im Stile eines St. Martins-Umzuges einer Kindertagesstätte. Auf mein lautes Kopfschütteln grienten einige verantwortlich ausschauende Umstehende ganz verlegen. Was war ich froh, daß ich mein Demo-Transparent heute zuhause gelassen hatte, es hätte bei den Gutmeinenden nur Verwirrung ausgelöst und dafür hätte ich mich dann doch ein bißchen geschämt.

Der angekündigte Schulterschluß mit erhoffter zahlreicher Teilnahme anderer vom sozialen Raubzug der neoliberalen Partei SPD/GRÜNE/CDU/CSU/FDP Betroffenen war hier wohl ein Schlag ins Wasser, es waren nur brave Studis und einige ihrer Professoren und Gönner zum Ringelpietz gekommen. Ich hätt's eigentlich gleich wissen müssen, siehe oben.

Na immerhin kam ich kurz mit einem jungen attaci ins Gespräch, der mir einen interessanten wenn auch nicht mehr ganz aktuellen und taufrischen Sonderdruck der "Zeitung zum Studentenprotest ..." in die Hand drückte. Auf meine Frage, warum attac nicht sehr viel intensiver das Internet als Medium nutze und ich z. B. auf der attac-homepage keinerlei Hinweis auf die heutige Demo gefunden hätte, lächelte er nur verlegen und meinte, sicher wolle man die Studentenproteste nicht auf der attac-Hauptseite "verwässern", denn unter www.hochschulstreik.de und www.attac.de/uni gäbe es schon Hinweise. Er wußte selber, wie dünn seine "Entschuldigung" war. Aber mir wurde deutlich, daß vor einem tatsächlichen und realen Schulterschluß zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen noch sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden mußte. Allerdings heute war ich dazu nicht in der Stimmung.

Denn neben mir dudelte und fiedelte es plötzlich, daß ich meinte, mein vor Jahren verstorbenes Katz-und-Kater-Pärchen sei aus dem Katzenhimmel zu mir herabgestiegen. Drei ziemlich ältere Herren begannen mit der Live-Musik und stimmten zum beginnenden Fackel-Umzug an. Mich grauste es und ich floh vondannen in Richtung S-Bahnsteig und fuhr wieder zurück in mein trautes Heim. - - - Ich weiß, daß das gemein war - - - aber ich konnte nicht anders!

Ach ja, ich hab ja noch ganz vergessen, von den höchstens 250 Umzüglern waren etwa 10 bis 15 nach Foto-Reporter Ausschauende dabei - ein toller Prozentsatz, wenn man bedenkt, daß auf der 100.000 Riedendemo am 1.11. fast niemand von denen zu sehen war - und es waren rundherum und zwischenmang die unvermeidlichen grünen Milizen zusammen mit freundlichen Schutzpolizisten. Die brauchten heute bestimmt keine Tonfas und Pfefferspray einzusetzen.

In der Berliner Abendschau wurden sogar drei oder vier Minuten von diesem romantischen Fackelumzug samt Peter Grottian in Großaufnahme gesendet. Und quasi als rechtfertigende Entschuldigung für diesen Aufwand gegenüber den Programmdirektoren machte man aus höchstens 200 Fackelzüglern 1000 demonstrierende StudentInnen. Ganz enttäuscht wurde auch berichtet, fast überall hätten die reichen Grunewäldler ihre Eisentore und Geldbörsen verschlossen.

Man möge mir die Bissigkeit und den satirischen Kommentar verzeihen - - - doch die mußten einfach raus. Nun kann und muß ein neuer Anlauf genommen werden!

bjk

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 05.12.03, 23:21 von bjk]
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