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Landtag pfeift auf Demonstrationsrecht - Polizei auch!

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Baba Yaga
New PostErstellt: 13.02.04, 01:09  Betreff: Landtag pfeift auf Demonstrationsrecht - Polizei auch!  drucken  weiterempfehlen

Grundrechtekomitee:

Landtag in Niedersachsen pfeift auf Demonstrationsrecht

»Das Versammlungsrecht – kein hohes Gut für den niedersächsischen Landtag«
– so überschreibt das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. in Köln eine am Dienstag veröffentlichte Dokumentation, in der staatliche und polizeiliche Übergriffe beim Einsatz gegen Anticastordemonstranten in Niedersachsen sowie die ignorante Haltung des Parlamentes zu solchen Vorfällen angeprangert werden.

Bereits im September vergangenen Jahres hatte das Komitee eine zehnseitige Petition an den Landtag in Hannover gerichtet, in der die Grundrechtsverstöße anläßlich der Castortransporte 2001 und 2002 gerügt worden waren. Das Komitee verfolgt seit 1981 das Geschehen im Umfeld von Demonstrationen und hat sich den »uneingeschränkten Erhalt des Demonstrationsrechtes« (Art. 8 GG) zum Ziel gesetzt.

Wer nun erwartet hatte, daß das Landesparlament in Hannover ein Verbündeter im Kampf um den Grundrechtsschutz sein könnte, sah sich durch die Innenausschußsitzung vom 23. Januar 2004 enttäuscht.

Die Abgeordneten nahmen lediglich einen nichtssagenden Bericht des niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport zur Kenntnis und entschieden, daß das Grundrechtekomitee über diesen Bericht informiert werden solle.

Damit erklärte der Landtag die parlamentarische Behandlung der Petition für abgeschlossen.

Deutlicher konnten die Abgeordneten ihr Desinteresse an den Grundrechten nicht unter Beweis stellen.
Die minutiös dargestellten Beobachtungen der erfahrenen
Demonstrationsbeobachter des Grundrechtekomitees
hätten allen Anlaß gegeben, sich kritisch mit der abwiegelnden Antwort des Innenministers auseinanderzusetzen.

Kritisiert wurden in der Petition der polizeiliche Einsatz von Hunden und Pferden, unberechtigte Ingewahrsamnahmen, Demonstrationsverbote per Allgemeinverfügung, Einschränkungen der Freizügigkeit, Ausschluß des Rechtsweges, Campverbote, Aufenthaltsverbote, Aufhebung der informationellen Selbstbestimmung und gewalttätige Übergriffe einzelner Polizeibeamter.

Das Ministerium hat all diese detaillierten Vorwürfe nicht zur Kenntnis genommen und ohne grundrechtliche Argumentation und Nachprüfung die Angemessenheit aller polizeilichen Maßnahmen behauptet.

In Wahrheit lebte die ganze Region um Gorleben während der Castortransporte in einem Ausnahmezustand. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Freizügigkeit, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit hatten nach Beurteilung des Grundrechtekomitees zeitweise ihre Gültigkeit verloren.
Daran änderte sich nach Einreichung der Petition nichts, denn dieselben Rechtsverstöße wurden erneut bei den Castortransporten im November 2003 beobachtet. Landesregierung, Landtag und Polizei haben also nichts dazugelernt.

Wörtlich heißt es in der oben erwähnten Dokumentation des Grundrechtekomitees: »Alljährlich werden Demonstrationen für mehrere Tage und in einem ›Verbotskorridor‹ mit pauschalen ›Belegen‹ für zu erwartende Gewalttätigkeiten verboten. Schon diese Allgemeinverfügungen machen deutlich, daß die Bürger und Bürgerinnen generell unter Verdacht gestellt werden.«

Weitere Ergebnisse der Beobachtungen:
Das Recht auf Versammlungsfreiheit werde eingeschränkt zugunsten des Eigentumsschutzes der Betreiberfirma. Aber die Polizei bleibe nicht beim »Verbotskorridor« stehen. Im November 2003 wurden vielmehr ganze Dörfer in Gewahrsam genommen. Die Teilnehmer am Kulturmarathon wurden eingekesselt und eine ganze Nacht festgehalten. Über tausend Bürgerinnen und Bürger wurden bei nächtlichen Minustemperaturen in Gewahrsam genommen. Privateigentum der Anwohner wurde polizeilich zerstört und sie konnten die Transportstrecke nicht mehr verlassen, um nach Hause zu fahren.

Beklagt wird vom Grundrechtekomitee vor allem auch der massive Einsatz von Hunden und Pferden gegen Demonstranten im November 2001. 50 Personen seien durch Hundebisse verletzt worden. Auch »Platzverweise« seien nicht rechtmäßig begründet worden. Sie sind zwar zur Verhütung von Straftaten zulässig, aber das Ministerium konnte nicht belegen, daß 460 (!) Personen an der Begehung von Straftaten gehindert werden mußten. Eine Sitzblockade jedenfalls ist nicht strafbar.

Übrigens waren auch zwei Demonstrationsbeobachter des Grundrechtekomitees mit etwa 80 weiteren Personen im November 2001 weit außerhalb der Verbotszone von morgens 7.20 Uhr bis abends 18.30 Uhr in Gewahrsam genommen worden. Angebliche »Erkenntnisse«, daß es Absprachen zur Besetzung von Gleisen gegeben hätte, werden vom Innenministerium nicht belegt.

Daher kommt das Komitee zu dem vernichtenden Urteil, das niedersächsische Innenministerium sei »grundrechtsblind«. Der Landtag hat diese Blindheit auch für sich reklamiert.


Baba Yaga
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