Erstellt: 28.05.05, 08:04 Betreff: Re: Oskar Lafontaine will's wissen!
Zitat: Ralf.
Grüße von einem hitzegeplagten :-((( Ralf
Lieber Ralf, die Hitze nervt auch mich vor allem, weil draußen kein Lüftlein geht und drinnen noch heute morgen 28° sind aber die Guten halten's aus und um die Schlechten isses eh nicht schad' - sagt man im Bayrischen
ansonsten möchte ich Euch beiden ja recht geben - wenn, ja wenn nicht durch die besondere Konstellation ein politischer Neuaufbruch möglich sein könnte! Darum unterstütze ich auch nachfolgenden Appell:
Erster Appell
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
Nächste Woche wird in Berlin über ein linkes Wahlprojekt beraten. Wir möchten dieses Ansinnen unterstützen und darauf drängen, dass es unbedingt zu einem für alle tragbaren Abschluß geführt wird und dieses kurze Statement den unmittelbaren Akteuren am Anfang der Woche mit möglichst viel Unterschriften übergeben wird. Wir bitten um Weitergabe bzw. einen Rücklauf an bis Sonntagnacht.
Ab Herbst droht jetzt die schwarze Agenda: Zerschlagung des Flächentarifvertragssystems mit der Folge massiver Lohnsenkung, weiteres Ausbluten öffentlicher Daseinsvorsorge und sozialer Sicherungen, weitere Begünstigungen für die sogenannten Leistungsträger, ein Schulterschluss mit der Bush-Regierung und vieles mehr. Schwarz-Gelb wird eine Machtfülle nutzen können, von der die Kohl-Regierung noch nicht zu träumen wagte. Rot-Grün hat dafür den Boden bereitet und nimmt auch im Wahlkampf keine grundsätzliche Strategiekorrektur vor. Es droht die kalte Perspektive eines schwarz-gelb verwalteten Neoliberalismus.
In dieser Situation beginnt sich eine neue politische Dynamik der Linken und der sozialen Opposition zu entwickeln, die eine historische Chance für die politische Verankerung emanzipatorischer Kräfte birgt. Diese Chance darf nicht vertan werden. Die Hoffnungen auf ein gemeinsames Antreten zur Bundestagswahl 2005 dürfen nicht enttäuscht werden. Nur ein gemeinsames Antreten von WASG und PDS zur Bundestagswahl 2005 kann diese Verankerung sichern. Das Scheitern eines gemeinsamen Projekts birgt die Gefahr des Rückzugs vieler Menschen, die jetzt engagiert und willens sind, sich für eine andere Politik und eine bessere Zukunft einzusetzen. Der Erfolg einer linken Kraft ist auch wichtig für die Spielräume der fortschrittlichen Kräfte innerhalb der SPD und der Grünen.
Ein gemeinsames Projekt erfordert von den Beteiligten eine Bereitschaft zum Kompromiss und zur Anerkennung der Divergenz, eine Kultur der wechselseitigen verlässlichen Solidarität. Gegenseitige Abwertung darf es nicht geben. Die Schwierigkeiten, die durch den enormen Zeitdruck und die Anforderungen des Wahlrechts bestehen, gilt es solidarisch und in Respekt vor den unterschiedlichen politischen Identitäten zu lösen.
Es gibt keine erfolgversprechende Alternative zu einem gemeinsamen Wahlprojekt der deutschen politischen Linken. Kommt keine Zusammenarbeit zustande, schlägt dies dramatisch und mit langfristigen Wirkungen auf die Linke zurück. Wir appellieren an die Mitglieder, Mandatsträger und Vorstände von WASG und PDS, diese Chance zu ergreifen und ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden! Die Ausstrahlungskraft, die ein solches Projekt jetzt hätte, ist es wert.
Name - Beruf und/oder Funktion - Ort
Zweiter Appell
Bundestagswahl September 2005
Drohende neue Rechtsentwicklung und Chancen für linke Politik
Erstunterzeichnende:
Angela Klein (attac und Sozialistische Zeitung/SoZ; Köln), Jürgen Habich (Vorsitzender der Sozialinitiative gegen Armut und Ausgrenzung Neumünster e.V.); André Leisewitz (verantwortlicher Redakteur „Z“; Frankfurt/M.), Ekkehard Lieberam (Marxistisches Forum Sachsen; Leipzig), Werner Seppmann (Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung; Haltern); Gerd Wiegel (MOBIT – Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus; Gotha), Winfried Wolf (Mitherausgeber der „Zeitung gegen den Krieg“; Wilhelmshorst)
Der Ruf nach einer vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 wird inzwischen von allen gesellschaftlich relevanten Parteien und Gruppen unterstützt. Insbesondere Vertreter aus den Unternehmerverbänden haben die Initiative positiv aufgegriffen. Die Börse reagierte mit einem Kursanstieg.
Tatsächlich droht eine Verschärfung des neoliberalen Kurses und ein beschleunigter Prozess der Umverteilung von unten nach oben. Gleichzeitig sehen wir mit einer linken Kandidatur allerdings auch Möglichkeiten für eine Stärkung fortschriftlicher – demokratischer, ökologischer und sozialistischer – Positionen. Den Entscheidungsträgern in der PDS und in der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) kommt in diesen Tagen eine große Verantwortung zu, diese Möglichkeiten wahrzunehmen.
I
Zweck der „Operation vorgezogene Bundestagswahl“
Als Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPD-Parteichef Franz Müntefering am Abend der NRW-Wahl und noch vor Bekanntgabe eines vorläufigen amtlichen Endergebnisses eine Bundestags-Neuwahl im September 2005 forderten, wurde dies als „Befreiungsschlag“ mit demokratischer Grundtendenz ausgegeben: Die Wählerinnen und Wähler sollten klären, ob die SPD-Grünen-Regierung und ihre Politik in der Bevölkerung noch eine Mehrheit hätten.
In Wirklichkeit hat das Projekt „vorgezogene Bundestagswahl“ antidemokratische und unsoziale Konsequenzen:
Sollte – wider Erwarten – die SPD-Grünen-Regierung die Wahl gewinnen, dann werden Schröder-Fischer argumentieren, sie seien auf der Grundlage von Agenda 2010 und Hartz IV „bestätigt“ worden. Der antisoziale Kurs würde fortgesetzt, wenn nicht verschärft.
Im Fall des – wahrscheinlichen – konservativ-liberalen Wahlsiegs wird der Kurs zum Abbau des Sozialstaats und von Privatisierungen im öffentlichen Sektor ebenfalls fortgesetzt bzw., wie teilweise angekündigt, nochmals verschärft.
Beide potentiellen Regierungslager stehen für einen Kurs der Militarisierung. Beide unterstützen sie den EU-Verfassungsentwurf mit der Aufrüstungsverpflichtung. Rot-Grün hat den Tabu-Bruch des Angriffskriegs auf Jugoslawien 1999 zu verantworten und will zukünftig deutsche Interessen u.a. „am Hindukusch verteidigen“. Schwarz-gelb hat unter Helmut Kohl den Kurs auf Auslandseinsätze der Bundeswehr begonnen; Kanzlerkandidatin Angela Merkel wollte 2003 deutsche Soldaten nach Bagdad schicken.
In der SPD und bei den Grünen wirkt die faktische Ausrufung zur vorgezogenen Bundestagswahl als Disziplinierungsinstrument. Die logische Feststellung, man habe – insbesondere bei den Stammwählern in der lohnabgängigen Bevölkerung und bei Erwerbslosen – wegen des antisozialen, neoliberalen Kurses die Wahl verloren, unterliegt einem Denkverbot. Die naheliegende Folgerung, diesen Kurs aufzugeben, wird kaum noch artikuliert.
Ein weiterer linker Differenzierungsprozess der SPD, ein möglicher Differenzierungsprozess in den Gewerkschaften und vor allem die Bildung einer glaubwürdigen Wahlalternative werden durch die extrem knappe Zeitspanne bis zur Wahl außerordentlich erschwert.
II
Brisantes soziales Umfeld
Das Projekt „vorgezogene Neuwahl“ findet in einem brandgefährlichen sozialen und ökonomischen Umfeld statt:
In den ersten drei Monaten 2005 gab es erstmals seit 1932 mehr als fünf Millionen offiziell registrierte Erwerbslose. Auch bei der Wahl im September wird die Arbeitslosigkeit mit rund 4,5 Millionen so hoch wie nie zuvor bei einer Bundestagwahl sein.
Die neoliberale Wirtschaftspolitik hat bei den deutschen Konzernen zu einem aggressiven Kurs auf den Weltmarkt beigetragen. Die relativ kleine Bundesrepublik Deutschland war 2003 und 2004 „Exportweltmeister“. Dennoch heißt es: „Der Standort Deutschland ist gefährdet.“ Gleichzeitig drohen die Schwäche des Binnenmarkts und Krisenerscheinungen auf dem Weltmarkt in eine neue allgemeine Rezession umzuschlagen.
Die neoliberale große Koalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP hat die sogenannte „Politikverdrossenheit“ verstärkt. Selbst bei der „Richtungswahl“ in NRW gingen knapp 40 Prozent der Walberechtigten nicht an die Urnen.
Nicht nur die sozioökonomische Lage, auch der Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen weist fatale geschichtliche Parallelen auf. Die viel bemühten „Väter (und Mütter) des Grundgesetzes“ hatten eine Vertrauensfrage im Parlament mit vorgezogenen Neuwahlen unter Verweis auf die negativen Erfahrungen in der Weimarer Republik nur als äußerste Möglichkeit vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat vor dem Hintergrund der Erfahrungen 1982 und 1983 (Ablösung der Regierung Schmidt durch die Regierung Kohl) festgestellt, vorgezogene Neuwahlen seien nur dann verfassungskonform, wenn die amtierende Regierung im Bundestag tatsächlich keine Mehrheit mehr hat. Eine Niederlage in einer Vertrauensfrage dürfe „nicht künstlich herbeigeführt“ werden.
Doch genau dies plant die SPD-Grünen-Regierung. Diese Regierung hat eine parlamentarische „eigene“ Mehrheit (von Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen). Darüber hinaus wird ihr politischer Kurs grundsätzlich auch von CDU und FDP unterstützt. Die „Blockade im Bundesrat“ kann kein Thema sein, da auch eine vorgezogene Bundestagswahl nichts an den dort herrschenden Mehrheitsverhältnissen ändert.
Die gleiche große Parteien-Koalition, die in den letzten Wochen eine Volksabstimmung über den Entwurf einer EU-Verfassung ablehnte und für verlogene 95-Prozent-Mehrheiten für diesen Verfassungstext in Bundestag und Bundesrat sorgte, verbiegt mit dem Projekt „vorgezogene Bundestagswahl“ verfassungsrechtliche Bestimmungen. Das angebliche Plebiszit ist pure Demagogie. Der wahre Grund, weshalb der größte Teil des politischen Establishments und insbesondere das Unternehmerlager und die Börse das Projekt „vorgezogene Bundestagswahl“ unterstützen, ist das rabiate Interesse an einer Fortsetzung und Verschärfung des neoliberalen und antisozialen Kurses.
Diese Politik muss zu noch mehr Erwerblosen, zu noch mehr Anhäufung von Reichtum, zum Absturz von Millionen in Armut und Elend und zu noch mehr „Politikverdrossenheit“ führen. In diesem Kontext droht die Stärkung der extremen Rechten, ein parlamentarisches und außerparlamentarisches Anwachsen von faschistischen, neonazistischen und rassistischen Positionen.
Eine Politik, die eine solche soziale und wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt oder auch nur in Kauf nimmt, ist gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte verantwortungslos.
III
Verantwortung der Linken
In dieser Situation hat die Linke eine große Verantwortung – und eine ernsthafte Chance. Offensichtlich hätte ein breites linkes Bündnis, hinter dem PDS und WASG stehen, die Chance, auf rund zehn Prozent der Stimmen zu kommen. Gleichgültig wer ab September 2005 die neue neoliberale Regierung stellt, sie würde sich einer großen Fraktion von 50 und mehr Bundestagsabgeordneten gegenüber sehen, von denen erwartet werden kann, dass sie den antisozialen und militaristischen Kurs einer solchen Regierung angreifen und den demokratischen und sozialen Bewegungen im Land eine Stimme verleihen.
Die Bildung einer solchen Wahlpartei ist – noch – möglich. Sie würde dem Modell folgen, das 1969 mit der „Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF)“ praktiziert wurde. Dies würde erfordern, dass unverzüglich autorisierte Vertreter beider Parteien eine Initiative zur Gründung einer linken Wahlalternative bilden. Da nach Paragraph 18 des Bundeswahlgesetzes „spätestens am neunzigsten Tag vor der Wahl“ der Wahlvorschlag eingereicht werden muss, müsste bis Mitte Juni (spätestens bis 18. Juni) ein Gründungsparteitag durchgeführt werden.
Behauptungen, wonach sich in einem solchen Fall die bestehenden Parteien auflösen müssten, sind unzutreffend. Im Gegenteil: Eine solche Wahlpartei sollte durch die Fortexistenz der bestehenden Parteien der realen Situation Rechnung tragen: Die bestehenden Differenzen zwischen PDS und WASG und die existenten unterschiedlichen Kulturen – unter anderem zwischen Ost und West – würden respektiert. Gleichzeitig würde es sich um ein offenes Projekt handeln, mit dem sich eine Dynamik zur Einbeziehung sozialer Bewegungen – u.a. derjenigen zur Kritik von Globalisierung und Konzernmacht – entwickeln könnte.
Getrennt als PDS und WASG zu kandidieren, birgt offensichtlich die Gefahr, dass beide Parteien an der 5-Prozent-Hürde scheitern. Damit droht ein demokratisches Potential von einigen Millionen Wählerinnen und Wähler parlamentarisch unberücksichtigt zu bleiben. Die Hoffnung, dass die PDS es „diesmal im Alleingang schafft“, ist extrem gewagt: Das Beispiel der NRW-Wahl hat gezeigt, dass die PDS im entscheidenden Westen kaum die hier erforderliche Stimmenzahl auf sich vereinen kann, um bundesweit auf fünf Prozent zu kommen. Gleichzeitig haben die gut drei Jahre neoliberaler Politik des Berliner SPD-PDS-Senats zur Folge, dass drei PDS-Direktwahl-Mandate in Berlin ebenfalls in Frage stehen.
Eine bundesweite Kandidatur der WASG wiederum, die offensichtlich dann zur Debatte steht, wenn sich PDS und WASG nicht auf eine gemeinsame Wahlpartei einigen, ist ebenfalls mit enormen Risiken verbunden.
Wir fordern die Führungen von PDS und WASG auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die Chance für eine gemeinsame linke Kandidatur zu nutzen!
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