Zitat: Baba Yaga
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Natürlich wird der Nachwahl-Alltag einer erfolgreichen BT-Wahl für das Linksbündnis mit sehr viel Auseinandersetzungen, Einigungs-, Konsolidierungs- und Programmdiskussionen gepflastert sein, und es wird Eitelkeit und Personalgerangel geben, - das ist abzusehen und ist wohl so menschlich, daß es nicht verhinderbar sein wird -, aber das darf uns nicht davon abschrecken und abbringen, den Weg sozialer Gerechtigkeit, umfassend respektierter Menschenwürde und Einforderung aller Grundfreiheiten zu gehen. . |
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Uwe Kalbe vom ND hat in seiner wöchentlichen Glosse "Letzte Lesung" die menschliche Schwäche, von der Baba ahnt, köstlich auf's Korn genommen.
HIER auch im Original nachzulesen.
11.06.05
Die Macht sei mit ihnen Uwe Kalbe
Manchmal wünscht man sich einen Jedi, der es richtet. Was heißt einen! Nur keine Legende vom starken Mann! Das Chaos um Neuwahl und Abwahl, großen Wurf und Hinauswurf, Vertrauen und Misstrauen, Rücktritt und A...-tritt – eine ganze Jedi-Armada von Raumgleitern müsste es schon sein, die das Chaos beendet. Wie im George-Lucas-Film »Starwars« müssten sie heranschweben, ein wenig über Berlin kreisen, um sich zu orientieren, damit sie nicht die Falschen erwischen. Dann würden sie ihn entdecken, den Reichstag. Sie würden warten auf den Moment, da sich die gläserne Kuppel einen Spalt öffnet, um hineinzuschwirren, doch das wird sie nicht tun, das Dach wird zu bleiben, weil allenfalls ein Blick ins Herz der deutschen Demokratie vorgesehen ist, aber kein freier Eintritt, erst recht nicht für Außerirdische, was für die Jedis der letzte Anstoß sein wird. Yoda, das Zwerglein mit den Fledermausohren und dem Laserschwert unter dem langen Umhang wird das Zeichen geben – »Mores lehren werden müssen wir sie!« Und dann wird das Gute siegen. Die Macht sei mit ihnen!
Zu offensichtlich ist es, dass Besitz das Böse ergriffen hat vom Kanzler. Vielleicht wird Yoda etwas an seinem Stil feilen, danach, wenn es geschafft ist. Subjekt, Prädikat, Objekt – jemand, der die gute Seite der Macht in sich trägt, wird das irgendwie hinkriegen. Damit Schluss ist mit der Kakophonie in Berlin. Damit ein Wort wieder ein Wort ist. Ein Satz ein Satz. An dem nicht gedeutelt wird, bis aus ihm »Einsatz, Einsatz!« wird – für Hartz IV und den Kanzler bis zum bitteren Ende, Hauptsache, beide treffen nicht irgendwann direkt aufeinander.
Auch wenn man Schröders Sorge versteht, ab Herbst arbeitslos, alles Ersparte aufbrauchen zu müssen, damit er ArbeitslosengeldII beziehen darf. Zusätzlich wird er Pflege brauchen, der Altkanzler in spé. »Ich habe Vertrauen in die Überparteilichkeit des Bundespräsidenten.« Mit diesem Satz hat Gerhard Schröder den letzten Beweis seiner Erblindung geliefert. Vertraulichkeit hin oder her – so jemand braucht Fürsorge. Wer an Köhlers Nichteinmischung glaubt, erinnere sich nur an seinen Eingriff in die Straßenverkehrsordnung und deren Vorfahrtsregeln. Wer hat denn nach dem Gespräch mit Köhler ausposaunt, dass Schröder seine Leute nicht mehr im Griff hat? Schröler?
Ansonsten bliebe ja nur der Kanzler selbst. Na gut, kann sein. Es wäre möglich, dass jemand im Zuge des Verfalls der Macht demütig wird und plötzlich der Wahrheit zuneigt. Dann brauchten wir die Jedis nicht. Nicht mal Müntefering, der Schröder vielleicht noch rechtzeitig aus dem Kanzleramt verscheucht. Nicht Kurt Beck, der Müntefering an der SPD-Spitze ersetzt. Nicht Sigmar Gabriel, der Becks Platz als Nachtwächter im Marx-Haus in Trier einnimmt. Damit Gerhard Schröder nach Hannover zurückkehren kann. Wir brauchten Köhlers Indiskretionen nicht, um Schröders Augenleiden zu erkennen und müssten nicht die Demütigung der drei Blindenhunde aus der SPD-Fraktion miterleben, die zu seinem Schutz zu bellen begannen und von ihm zum Dank – kusch! – zurück in ihre Hütte geschickt wurden.
Doch leider heißt es der Wahrheit ins Auge blicken: Besitz die dunkle Macht ergriffen hat vom Kanzler. Yoda hilf! Wer sonst soll uns retten, wenn Schröder arglistig die Vertrauensfrage stellt? Keiner kann garantieren, dass Vertrauensvoten im Bundestag noch ablaufen, wie es sich gehört. Mit der Abwahl des Regierungschefs. Oder mit einem Vertrauensbeweis, so wie ihn ewige Wahrheiten wie Sozialabbau, Kriegseinsatz und der Kanzler eigentlich verdient haben.
Niemand weiß heute noch, was eine Kanzlermehrheit ist. Jetzt lautet die Frage: Will Schröder Vertrauen oder Misstrauen? Woher will er wissen, ob er überhaupt noch Kanzler ist? Wie sollen die Abgeordneten ahnen, ob sie so abgestimmt haben, wie sie eigentlich wollten? Erst recht, seit Schröder den Schwierigkeitsgrad erhöht hat und die Frage bis zuletzt geheim hält? Ja, so endet es, wenn sich jemand mit der dunklen Seite der Macht einlässt. Hier hilft nur die Weiterentwicklung eines Leninschen Satzes: »Vertrauen ist gut, Misstrauen ist besser.«
Doch glücklicherweise nahen sie schon, die Jedi-Ritter mit ihren fliegenden Listen. Yoda lässt schon ab und zu sein Laserschwert aufblitzen. Und ein Raunen kommt von einem zweiten galaktischen Übervater, der sich bisher in seiner unheimlichen Aura verborgen hält. Sie beide werden die dunkle Seite der Macht vertreiben und durch die eigene ersetzen. Dann wird alles besser sein. Vertrauen und Misstrauen werden ordentlich nebeneinander existieren. Bald schon werden die Jedis heimisch werden, und nach einer Weile wird man sie nur noch an ihrem Sprachstil erkennen. Wenn überhaupt.
[editiert: 12.06.05, 08:46 von bjk]
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