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PLATTFORM FÜR LINKE GEGENÖFFENTLICHKEITEN
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bjk
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Erstellt: 21.07.05, 19:24 Betreff: Re: "Die Linkspartei." - Punkt - - - war da nicht noch was? |
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PDS - WASG - Die Linkspartei. - Sarah Wagenknecht bezieht Stellung in
Sahra Wagenknecht Auf dem Weg in den Mainstream Die lange geplante Auflösung der PDS und die Folgen für die antikapitalistische Linke in der BRD
Die Umfrageergebnisse erreichen fast schon schwindelerregende Höhen. Krebste die PDS vor zwei Monaten noch bei vier Prozent herum, sprang die neue Linkspartei, die es eigentlich noch gar nicht gibt, unversehens auf elf Prozent, und verwies damit FDP und Grüne auf die Ränge. Für den Osten werden ihr inzwischen ein Drittel der Stimmen und damit die vielen Orts stärkste Position im Parteienspektrum vorausgesagt. Allenthalben ist von »historischer Chance« die Rede, von einem Durchbruch, von ungeahnten Möglichkeiten. Endlich eine Linke, die gesamtdeutsch eine wichtige Rolle spielen kann, endlich die lange ersehnte Verankerung im Westen, endlich Akzeptanz, endlich Breite, endlich öffnen sich Türen, endlich ...
In PDS-Gremien löst die aufscheinende Ära bundesweiten Einflusses flügelübergreifend euphorische Stimmungen aus – nur ein paar schräge Gestalten im Umfeld von Marxistischem Forum, Kommunistischer Plattform und PDS-Basis meckern und suchen Streit wegen nebensächlicher Fragen wie etwa der des Parteinamens. Haben sie die Zeichen der Zeit nicht begriffen? Oder irren vielleicht doch jene, die ausgerechnet im Duo Gysi/ Lafontaine den Ausgangspunkt einer neuen, starken bundesweiten Linkskraft verorten?
Eines zumindest sollte den nüchternen Beobachter in jedem Fall verblüffen. Dieselben Medien, die über 15 Jahre für die PDS kaum einen Dreizeiler übrig hatten – es sei denn, es ging darum, irgendeines Funktionärs verschollene Stasiakte zum x-ten Mal zu entdecken –, berichten heute über jeden Nebensatz, der aus PDS- oder WASG-Vorständen nach draußen sickert. Die FAZ stellt eine halbe Zeitungsseite bereit, um Lafontaine gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, der Begriff »Fremdarbeiter« entstamme braunem Vokabular. Das Handelsblatt, in dem die PDS über all die Jahre eine Un-Partei war, hat Bisky auf der Titelseite und schickt Korrespondenten zu fast jeder Zusammenkunft, an der mehr als zwei WASGler teilnehmen. SPD und Grüne, die wohl wissen, daß Totschweigen die schärfste Waffe im Kampf gegen politische Gegner ist, hauen drauf, was das Zeug hält, um auch dem letzten Wähler klar zu machen, daß er das neoliberale Establishment am meisten ärgern kann, indem er die Linkspartei wählt. Und dieselben Umfrageinstitute, die die PDS auch zu den Zeiten bei vier Prozent führten, als sie bundesweit noch einen Zuspruch von fünf oder, wie bei der Europawahl, über sechs Prozent hatte, tun ihr Bestes, der neuen Linkspartei hohe Prozente zuzuschlagen.
Niemand will bestreiten, daß es Wähler gibt, die Lafontaine wählen werden und die PDS nicht gewählt hätten. Nur, die Meinungsmacher der Umfrageinstitute wissen, daß gute Prognosen auch die realen Werte nach oben ziehen, weshalb sie bei ungeliebten Parteien am unteren Rand der Schätzung zu bleiben pflegen. Zudem wären sie in diesem Fall noch nicht mal verpflichtet, Umfrageergebnisse überhaupt zu publizieren, denn die Linkspartei, nach der sie fragen, gibt es ja noch gar nicht.
Das alles ist kein Argument gegen ein wahlpolitisches Zusammengehen zwischen PDS und WASG. Es ist nur ein Grund mehr, sich sehr genau anzusehen, welche Weichen – die Chance der Stunde und die riesigen Hoffnungen ausnutzend – bei dieser Gelegenheit mitgestellt und welche Geschäfte, die vielleicht auch nicht ganz neu sind, dabei miterledigt werden sollen. Und hier ergäbe sich vielleicht doch der eine oder andere Anlaß für Linke, offen und vernehmlich »Nein« zu sagen und Verhinderung zumindest zu versuchen, statt im allgemeinen Jubelbad unterzutauchen.
Alternative zur Fusion
Bleiben wir zunächst beim Wahlbündnis. Es gibt, soweit ich sehe, niemanden, der die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen PDS und WASG zum Zweck des Einzugs einer starken linken Fraktion in den Bundestag verneinen würde. Auch wer der Meinung ist, daß die PDS in der gegenwärtigen politischen Situation in der Lage sein sollte, mit einer auch nur einigermaßen linken Wahlkampfführung (bei möglichster Öffentlichkeitsenthaltsamkeit der Berliner Senatoren) die fünf Prozent aus eigener Kraft zu meistern, sollte einer Konkurrenzkandidatur zweier linker Parteien nicht das Wort reden. Ohne parlamentarische Möglichkeiten zu überschätzen: Daß im neuen Bundestag eine linke Fraktion vertreten ist und wirken kann, ist von erheblicher Bedeutung für die Frage, wo die Hemmschwellen für weiteren radikalen Sozialabbau liegen werden, und beeinflußt außerdem, ob außerparlamentarischer Widerstand eher er- oder entmutigt wird. In dieser Lage das Risiko eines Scheiterns billigend in Kauf zu nehmen, wäre unverantwortlich.
Nach deutschem Wahlrecht wiederum gibt es kaum eine andere Möglichkeit des Zusammengehens zweier selbständiger Parteien als die Öffnung der Listen einer Partei für Mitglieder der anderen Partei. Insofern lag genau das Konzept nahe, das Bisky, Ramelow und andere auf dem »Kleinen Parteitag« vertraten: Die PDS bietet der WASG eine Kandidatur auf ihren Offenen Listen an. Um letztere nicht dem Vorwurf der Selbstaufgabe auszusetzen und außerdem den Bündnischarakter im Rahmen des wahlgesetzlich Erlaubten deutlich zu machen, ergänzt die PDS ihren Namen durch einen Zusatz. Als eine solche Lösung stand die Bezeichnung »Demokratische Linke. PDS« zur Debatte.
Das wäre akzeptabel gewesen. Daß auch eine Fraktion nicht daran zerbrechen muß, daß in ihr Mitglieder verschiedener Parteien wirken, zeigt die Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken im Europäischen Parlament, in der die Unterschiede ungleich größer sind als die zwischen PDS und WASG.
Aber es ging von Beginn an um mehr. Auf der Parteivorstandssitzung vom 11. Juni 2005 wurde eben nicht nur über die Öffnung der PDS-Listen und die Namensänderung in »Demokratische Linke. PDS« abgestimmt. Diese Abstimmung wurde vielmehr damit verbunden, einer Fusion von PDS und WASG innerhalb der nächsten zwei Jahre und damit dem Verschwinden der PDS von der politischen Landkarte den Segen zu geben.
Offiziell hieß es, daß die WASG ohne Fusionsperspektive nicht zu einer Kandidatur auf den Offenen Listen der PDS bereit gewesen wäre. Gegen diese Lesart freilich spricht einiges. Zum einen, daß die WASG noch unter erheblich höherem Druck stand als die PDS, eine Konkurrenzkandidatur zu verhindern. Denn wenn es schon für die PDS sehr schwer geworden wäre, die Wahl aus eigener Kraft zu bestehen, für die WASG wäre es nahezu unmöglich gewesen. Die 2,2 Prozent in NRW waren ein achtbarer Erfolg, aber mehr eben auch nicht, und wer in dem Bundesland, in dem er am besten aufgestellt ist, etwas über zwei Prozent erreicht, der kann nicht – auch nicht mit Lafontaine – mit fünf Prozent bundesweit rechnen. Eine WASG in Konfrontation zur PDS hätte letztlich nur ihre eigene Gründungsabsicht ad absurdum geführt: Aus einer Partei, die die neoliberal gewandelte SPD von links unter Druck setzen wollte, wäre eine geworden, die verhindert, daß links von Schröder/Merkel überhaupt etwas in den neuen Bundestag einzieht.
»Eine normale Partei werden ...«
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, weshalb der Fusionsplan nicht auf Leute wie Klaus Ernst zurückgehen kann: Die Idee einer neuen Linkspartei – und damit die Position, daß die PDS eigentlich ein überlebtes Projekt ohne Zukunftschancen sei – wurde von prominenten PDS-Mitgliedern bereits zu Zeiten vertreten, als Ernst und andere WASGler noch treu ihre SPD-Mitgliedsbeiträge zahlten und nicht im Traum daran dachten, bei der nächsten Wahl über eine von der – dann ehemaligen – PDS bereitgestellte Liste in den Bundestag einzuziehen.
Blicken wir zurück. Im Juli 2002 verriet André Brie dem Stern, daß die PDS seiner Ansicht nach müde geworden sei. Der Briesche Muntermacher bestand in dem Rat, die PDS müsse »eine normale Partei werden, die in der Perspektive zusammen mit der SPD dieses Land regieren will.« Zu diesem Zweck könne die PDS Oskar Lafontaine gut gebrauchen, denn der könnte nach Plan Brie »eine entscheidende Rolle beim Zusammenkommen unserer Parteien (SPD und PDS) spielen«1.
Die Debatte über mögliche SPD-PDS-Koalitionen auf Bundesebene und eine neue Linkspartei füllte daraufhin den Wahlkampf-Sommer 2002 und wurde kurz vor dem Urnengang noch einmal intensiviert durch einen Brief, den der frisch als Senator zurückgetretene Gysi gemeinsam mit Brie an Lafontaine schrieb. »Es ist an der Zeit«, hieß es da, »darüber zu reden, ob SPD und PDS ... auch gemeinsame Verantwortungen und Möglichkeiten haben. ... Die PDS hat mit der diktatorischen Tradition des osteuropäischen Staatssozialismus gebrochen, einen demokratischen Wandlungsprozeß vollzogen, dessen Ehrlichkeit und Verläßlichkeit wichtigen Proben standgehalten hat, unumkehrbar, wenngleich bei weitem nicht abgeschlossen ist. ... Wir wissen um die beispielhafte demokratische Tradition der SPD innerhalb der deutschen Parteienlandschaft, aber Sie werden verstehen, daß wir die Geschichte und Gegenwart der SPD auch nicht unkritisch sehen. ... Die PDS wird ihren gesellschaftlichen Zielen nur in Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie und den alten und neuen sozialen Bewegungen näher kommen können. Und die SPD, glauben wir, braucht die Herausforderung von links.« Wohlgemerkt, diese Ergebenheitsadresse bezog sich auf Schröders SPD, die nach vier Jahren Regierung schon reichlich neoliberale Untaten auf dem Gewissen hatte, und sie wurde in der heißesten Phase des Wahlkampfes publiziert, in der die PDS schon aus purem Selbsterhalt ihr eigenständiges Profil hätte betonen müssen. Lafontaine beantwortete die Anbiederung zunächst nicht, die Wähler taten es am 22. September.
Ein Jahr später – die PDS war gerade dabei, antikapitalistischen Programm-»Ballast« abzuwerfen – greift Oskar Lafontaine das Thema auf und bescheinigt der PDS, sie sei »jetzt reif für die von mir schon Anfang der 90er-Jahre ins Auge gefaßte Fusion mit der SPD. Dabei sollte nach dem Beispiel der bayerischen CSU eine ostdeutsche SPD entstehen. Diese hätte ein eigenes Profil und könnte die ostdeutschen Interessen besser vertreten.« (Welt am Sonntag, 14.9.03)
Schröders SPD, mit der hier Vereinigung empfohlen wird, war zu diesem Zeitpunkt bereits die der »Agenda 2010«, diverse »Hartz«-Gesetze befanden sich in der Umsetzungsphase. In dieser Situation war unter PDS-Mitgliedern nichts weniger populär als eine Vereinigung ausgerechnet mit der Kanzlerpartei. Der vor einem Jahr noch umworbene Oskar erntete also wenig Lob, selbst Gysi gab sich jetzt zugeknöpft und wies darauf hin, »daß es in Deutschland nach einer Fusion mit der SPD keine sozialistische Partei mehr« gäbe, was er damals offenbar noch als Verlust empfand.
Planmäßige Selbstaufgabe
Im Frühjahr 2004 begannen dann erste Vorbereitungen ehemaliger SPD- und PDS-Mitglieder zur Gründung einer neuen Partei. Bevor letztere allerdings das Licht der Welt erblickte, war Brie schon mit dem Rat zur Stelle, die PDS solle sich öffnen und »als Plattform für die Neuformierung einer linken Partei zur Verfügung stehen, mit der entsprechenden Bereitschaft zur Selbstveränderung.« (ND, 27.3.04) Im 2004er Sommerloch stieg dann auch Gysi wieder in die Debatte ein: Er denke »über eine gemeinsame politische Zukunft mit dem einstigen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine nach«, denn die PDS müsse »akzeptieren, daß sie nicht in der Lage sei, das Defizit einer fehlenden Linkspartei im Westen auszufüllen« (ND, 23.8.04). Da hatte die PDS gerade die Europawahl mit sechs Prozent bestanden, in Thüringen ein Spitzenergebnis erreicht und befand sich im Brandenburger Landtagswahlkampf.
Am 1. September erklärte Gysi dem Tagesspiegel, er halte »es für gut möglich, daß der ehemalige SPD-Vorsitzende zur Führungsfigur einer neuen Linkspartei wird, wenn die SPD 2005 nach Wahlniederlagen in Serie auch noch bei der Landtagswahl in NRW einbricht.« Und weil Wahlkämpfe sich zur Selbstdemütigung so gut eignen, wiederholte Gysi vier Tage vor der NRW-Wahl noch einmal die These, die PDS sei in den Altbundesländern immer noch eine »ausländische Partei«.
Daß das Wahlergebnis dies am Ende zu bestätigen schien, kam wahrscheinlich nicht ungelegen. Lieferte es doch einen Grund mehr für die Notwendigkeit der neuen »Linkspartei«, die nach ursprünglicher Planung bis zur Bundestagswahl 2006 stehen sollte, wie Gysi der Berliner Zeitung (25.5.05) erzählte. Was die eigentliche Zielsetzung anbetrifft, wurde er kürzlich noch deutlicher. »Ich gehe davon aus, daß sich die SPD ändern wird. In vier Jahren kann die Welt ganz anders aussehen, dann kann man über Zusammenarbeit reden«, erläuterte Gysi dem Stern. Für ihn mache es nämlich nur »für gewisse Zeit Sinn – ich sage nicht, für hundert Jahre – daß es eine Kraft links von der SPD gibt«. Auch Lafontaine scheint nach »gewisser Zeit« andere Pläne zu haben. Auf die Frage, ob er davon träume, wieder die Führung der SPD zu übernehmen, antwortete er: »Ich wollte immer eine starke linke Volkspartei. An diesem Ziel halte ich auch fest.« Natürlich setze das eine Abkehr von Schröders Neoliberalismus voraus. Aber die wird die SPD als Oppositionspartei ja verbal auch vollziehen.
Was der Rückblick belegt, ist zweierlei. Zum einen: Pläne zur Auflösung der PDS existierten lange vor Gründung der WASG und die, die sie vertraten, waren nicht einschlägige Gegner, sondern prominente Mitglieder der PDS. Zum anderen: Es geht bei der »neuen Linkspartei« nicht um eine auch im Westteil des Landes starke sozialistische Partei, sondern um eine von den schlimmsten Auswüchsen des Schröderschen Neoliberalismus gereinigte Sozialdemokratie.
Ein unerläßlicher Umweg
Die Fusion mit der WASG ist in diesem Kontext nicht mehr als ein unerläßlicher Umweg. Gysi/Brie könnten den PDS-Mitgliedern nicht im Ernst vorschlagen, ihren Namen und ihre Identität aufzugeben, um bei Müntefering und Co. anzudocken. Wer Mehrheiten bekommen will, muß sich Etappenziele setzen. Im Prozeß der Fusion mit der WASG kann fleißig entsorgt werden, was an antikapitalistischen Inhalten und sozialistischen Zielen in der PDS bis heute überlebt hat. Auch die WASG wird sich dabei verändern; Klaus Ernst geht mit Grund davon aus, daß »Kommunisten und Marxisten schnell wieder verschwinden«. (Auf aussichtsreichen Listenplätzen sind sie jedenfalls bisher nicht zu finden.) Ist auf diese Weise erst eine im traditionellen Sinn sozialdemokratische Partei geschaffen und artikuliert sich die SPD in der Opposition auch wieder eher in der Art Brandts als Blairs, drängt die Frage sich geradezu auf, ob die beiden Parteien auf Dauer getrennt marschieren sollten.
Verlust für die Linke
Ja, und? mögen manche erwidern. Ob die PDS in der SPD aufgeht, oder bleibt, was sie derzeit ist, mache denn das einen Unterschied? Ist die PDS nicht längst eine sozialdemokratische Partei, die in Berlin neoliberale Politik reinsten Wassers umsetzt? Ist da die WASG, die nach eigenem Bekunden zwar keine sozialistische Partei sein will, aber Streichorgien wie die von Berlin kritisiert, nicht sogar akzeptabler? Was wäre verloren, wenn es die PDS nicht mehr gäbe? Und was treibt ausgerechnet Kommunisten, die wesentliche PDS-Entscheidungen der letzten Jahre – Eintritt in die Berliner Koalition, Inhalte des neuen Parteiprogramms – kritisiert haben, dazu, jetzt um deren Namen und Existenz zu kämpfen?
Daß die sozialistische Identität der PDS seit langem beschädigt ist und die Politik im Berliner Senat mit linken Ansprüchen in etwa so viel zu tun hat wie das heutige PDS-Programm mit der marxistischen Theorie, ist eine Binsenweisheit. Dennoch: Die PDS-Politik erschöpft sich eben nicht im Berliner Senat, und auch vom neuen PDS-Programm hatten Brie und Gysi am Anfang der Debatte andere Vorstellungen, als sich am Ende als mehrheitsfähig erwiesen. Man denke nur an die beharrlichen Vorstöße, die Ablehnung von Kampfeinsätzen unter UN-Mandat zu kippen. Es hat nicht funktioniert. Die PDS ist die einzige größere Partei im bundesdeutschen Parteienspektrum geblieben, die als antimilitaristisch bezeichnet werden kann. In einer Zeit der Aufrüstung und wachsender Kriegsbereitschaft ist das nicht nichts. Die PDS ist übrigens auch die einzige parlamentarische Partei, die zu den gesamten »Reformen« à la Schröder Nein gesagt hat. Man kann ihr mit Recht vorwerfen, daß sie in Berlin fast nichts tut, um die Umsetzung von »Hartz IV« zu unterlaufen, aber man kann nicht behaupten, sie hätte sich je in die verlogene Debatte über die »Notwendigkeit« eines Abrisses des Sozialstaats im »Zeitalter der Globalisierung« eingeklinkt. Damit hat sie zumindest auf Bundesebene gewährleistet, daß der Verweis auf Alternativen überhaupt noch stattfand. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Oskar Lafontaine etwa vertritt öffentlich, daß jüngere Arbeitslose überhaupt nur nach Bedürftigkeitsprüfung Arbeitslosengeld bekommen sollen. Über seine »Fremdarbeiter«-Äußerung, seine partielle Legitimierung der Folter, seine Auffassungen zur Flüchtlingspolitik gar nicht zu reden. Das alles sind Positionen, die innerhalb der PDS nicht mehrheitsfähig wären. Dafür braucht es tatsächlich einer neuen Partei.
Ein weiterer Punkt sollte nicht vergessen werden: Die PDS ist die einzige politische Kraft, die aus der DDR kam und im bundesdeutschen Parteienspektrum überlebte. Wie heftig immer PDS-Repräsentanten diese Herkunft und Tradition verleugneten, die PDS als Partei steht trotz allem auch für sie und damit für vierzig Jahre realer antikapitalistischer Alternative, die die herrschenden Eliten der Bundesrepublik trotz ihrer Mängel weit mehr gehaßt haben dürften als jede andere Lebensäußerung der politischen Linken. Wenn die PDS von der politischen Bühne verschwindet, ist der Anschluß der DDR an die Bundesrepublik nach über 15 Jahren endlich vollendet. Dann bleibt tatsächlich nichts mehr als die Erinnerung jener Generationen, die noch aus eigenem Erleben wissen, daß es auch schon mal Verhältnisse ohne Arbeitslosigkeit, ohne Gebühren bei Arztbesuch oder Studium und ohne Existenzangst gab. Aber diese Erinnerung hätte keine politische Projektionsfläche mehr.
Es gibt also Gründe, weshalb die PDS trotz allem politische Heimat für viele Sozialisten und Kommunisten geblieben ist – und warum der politische Mainstream ihre Auflösung wünscht. Gerade in einer Zeit, in der der bundesdeutsche Kapitalismus Millionen ins soziale Aus stößt, die neoliberalen Lügen sich zunehmend selbst diskreditieren und die etablierten Parteien weniger Rückhalt haben als je, soll die politische Kraft verschwinden, auf deren Funktionieren sich die Herrschenden am wenigsten verlassen können.
Irgendwann, sicher, wird es dann wohl etwas Neues geben. Hier und heute dagegen würden sich Klima und Wirkungsbedingungen für antikapitalistische Linke wie für sozialen Widerstand deutlich verschlechtern. Das sollte sich niemand wünschen, dem es um gesellschaftliche Alternativen geht.
1 Stern, Juli 2002; dieses wie die folgenden Zitate entnommen aus »Der Weg zu einer neuen Partei? Eine Dokumentation«, Mitteilungen der KPF, 7/2005
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