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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 23.07.05, 08:35     Betreff:  Re: "Die Linkspartei." - Punkt - - - war da nicht noch was?




Eine WASG-Stellungnahme vom 13. Juli 2005


WASG Webside
Wahlkooperation mit der PDS und neue Linkspartei
Joachim Bischoff
Björn Radke

Die anfängliche Aufregung über die geplante Wahlkooperation und das
Zusammengehen von Wahlalternative und PDS in einer breit angelegten,
demokratischen Linkspartei hat sich gelegt. Wie stets folgt auf spektakuläre
Beschlüsse oder Ankündigungen die mühselige Alltagspraxis, das Projekt mit
politischem Leben zu erfüllen.

Die Wahlalternative hat auf ihrem Kasseler Parteitag mit deutlichen
Mehrheiten den politischen Kurs auf ein gemeinsames Agieren der Linkskräfte
beschlossen. Wir wollen eine starke Linkspartei, die nicht nur auf
Parlamentsbänken, sondern breit in der Bevölkerung verankert ist. Die
Linkspartei soll eine hörbare und nicht zu ignorierende Stimme im Parlament
und in der Öffentlichkeit sein. Angesichts der großen Gemeinsamkeit im Kampf
gegen den Neoliberalismus und in Respekt vor den überlieferten
politisch-kulturellen Unterschieden und programmatisch-theoretischen
Differenzen wollen wir zu den Bundestagswahlen eine Stärkung der linken
Opposition durch Unterstützung des Projekts der "offenen Liste" der
"Linkspartei" zustande bringen.

Darüber hinaus geht es mittelfristig darum, eine starke politische Kraft mit
einer neuen politischen Kultur zu schaffen, in der sowohl die beiden
Parteien aufgehoben sein können, die aber auch offen für andere Kräfte und
Strömungen ist. Wir wollen daher einen Prozess einleiten, in dem auf allen
Ebenen geprüft und debattiert werden soll, was die programmatischen und
organisatorischen Gemeinsamkeiten und Differenzen der verschiedenen
Linkskräfte sind, die in einer neuen politischen Formation zusammenarbeiten
wollen.

Steine auf dem Weg...

Die Kritiker an dem politischen Kurs, einer Wahlkooperation mit der PDS und
mittelfristig den Aufbau einer breiten, demokratischen Linkspartei zu
versuchen, verweisen zum einen auf die Kraft und Erfolge der
Wahlalternative; zum anderen betonen sie die zweifelsohne vorhandenen
programmatisch-theoretischen Differenzen zum PDS-Projekt und sind
skeptisch, ob die Mehrheit der PDS-Mitglieder überhaupt zu einer Öffnung und
einer Integration von Andersdenkenden bereit sind.

Die PDS hat ihrerseits einen Prozess der Veränderung ihres Parteinamens
eingeleitet. Auf dem kommenden Bundesparteitag (17.7) will die Bundespartei
ein deutliches Signal für eine Veränderung setzen, das aber von den
Landesparteien aufzugreifen und zu bestätigen ist. Die Zusammenarbeit von
WASG und PDS vollzieht sich auf der Ebene der Bundesländer mehr oder minder
geräuschlos; die PDS ist bekanntlich der organisatorische Träger eines
Wahlprojektes und daher entscheiden die innerparteilichen Kräfteverhältnisse
in der PDS über Personen und Wahlprogramm. Eine sonderlich spannende Debatte
über das Wahlmanifest von WASG und PDS/Linkspartei hat sich bisher nicht
entwickelt.

Dies hängt zum einen sicherlich mit dem starken Zeitdruck zusammen. Unter
dem Druck der Herausforderung der Politik der bürgerlichen Parteien -
weiterer Sozialabbau, Niedriglohnsektor, Systemwechsel in der
Krankenversicherung, weitere Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche-
sowie dem grundsätzlichen Festhalten von Sozialdemokratie und den Grünen an
der Agenda 2010 treten die unterschiedlichen Ansätze bei der wählbaren
Alternative zurück.

Da die neue Linkspartei im kommenden Parlament auf die Oppositionsrolle
festgelegt ist, wird in künftigen Debatten der Zusammenhang von höherer
Besteuerung von Unternehmen und Vermögen, der Auflage von öffentlichen
Investitionsprogrammen, einer Politik der Arbeitszeitverkürzung und der
Zurückdrängung eines Niedriglohnbereiches zu erörtern sein. Auch über die
einzelnen Schritte, wie die sozialen Sicherungssysteme armutsfest und
grundsätzlich zu erneuern sind, gibt es im Detail noch Differenzen, die
allerdings nicht über die Debattenbreite hinausgehen, die innerhalb der
Parteien selbst existieren.

Viele Kritiker in der PDS an einer Wahlkooperation reiben sich mehr an der
Frage der nicht-sozialistischen Ausrichtung der WASG und dem Populismus von
Lafontaine. Ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Grundsatzprogramm
und dem Wahlkampfmanifest der WASG zirkuliert vor allem in den westlichen
Landesverbänden die Einschätzung, die WASG habe kaum etwas zu bieten, was
über das traditionell Sozialdemokratische hinausgehe. Wir sehen in dem
Rückgriff auf die sozialistische Programmatik der PDS in Verbindung mit
einer mehr oder minder deutlichen Ausgrenzungsrhetorik ein Problemfeld, das
in künftigen Debatten zu bearbeiten ist.

Bislang ist nicht erkennbar, dass die Kritiker aus der PDS eine
nachvollziehbare Erklärung für die Transformation der europäischen
Sozialdemokratie zu einer neoliberalen Systempartei vorbringen.
Gleichermaßen werden wir darauf drängen müssen, dass eine Debatte in Gang
kommt, wo über die gesellschaftlichen Perspektiven des bloßen Abwehrkampfes
hinaus, über die Strukturen einer nachkapitalistischen Gesellschaftsordnung
die unterschiedlichen Positionen ausformuliert werden. Bislang drückt das
Beharren auf dem sozialistischen Charakter der PDS mehr eine emotionale
Bindung aus, der wenig gesellschaftstheoretische oder kapitalismuskritische
Einschätzungen unterliegen.

Ziemlich oberflächlich erscheint uns der Vorwurf, Oskar Lafontaine habe uns
auf linkspopulistische und fremdenfeindliche Positionen festgelegt. Dieser
verbreitete Vorwurf des Populismus speist sich aus der Einschätzung, dass
die Zeiten der nationalstaatlichen Gewährleistung von sozialer Sicherheit
endgültig vorbei seien. Gefordert werde von der Wahlalternative ein Ausbau
des Sozialstaates ohne Rücksicht auf die Kosten und die Belastungsfähigkeit
der Bürger; das WASG -Wahlprogramm sei daher in der Substanz
fremdenfeindlich, weil es auf eine nationale Abschottung hinausliefe. Hinter
der aufgesetzten Debatte über den Begriff >Fremdarbeiter< steht also viel
weitreichender die Kritik, dass nationalstaatliche politische Gestaltung von
gesellschaftlichen Verhältnissen obsolet geworden sei und daher die
Wahlalternative ein rückwärtsgewandten und modernen Populismus betreibe.


Scheitern von Rotgrün

Neoliberale Politik zielt auf eine politisch gewollte Veränderung der
Einkommensverteilung; mit jedem Schritt in diese Richtung verstärkt sich der
Verdrängungswettbewerb der Unternehmen und der tendenziellen Erhöhung der
Arbeitslosigkeit; durch die einsetzende Abwärtsspirale radikalisieren sich
die Vertreter neoliberaler Politik. Dies gilt zum einen für die Parteien des
bürgerlichen Lagers, zum anderen ist unübersehbar, dass die
Mitte-Links-Parteien zu den entschiedenen Akteuren einer Transformation
des »Rheinischen Kapitalismus« gehören. Es gehört zur Ironie der jüngsten
deutschen Geschichte, dass es die SPD war, die den Totengräber der
"Deutschland AG" gespielt hat: angefangen mit der steuerlichen Freistellung
der Veräußerungsgewinne der Banken, die sich aus direkten
Unternehmensbeteiligungen zurückzogen und sich neu auf den Finanz- und
Kapitalmärkten aufstellen, bis hin zur Öffnung des Wirtschaftsstandorts
Deutschland für Hedge Fonds. Dies politische Ausrichtung gilt für die
europäische Sozialdemokratie insgesamt; die Parteien haben im Bündnis mit
anderen Mitte-Links-Parteien, die Entfesselung des Kapitalismus betrieben.

Zugespitzt lautet die These: Gerade die Sozialdemokratie stand in den
vergangenen Jahren für aktionärorientierte Reformen und die Auflösung des
organisierten, managerzentrierten Kapitalismus deutschen Typs. Die
Sozialdemokratie ordnete sich mit dieser politischen Strategie in den
europäischen Verbund der >Linksparteien< ein, die mit Deregulierung und
Privatisierung den Siegeszug des Aktionärs- oder Vermögenskapitalismus in
Europa ermöglicht haben. Damit ist die Frage nach einer neuen Qualität des
Kapitalismus unabweisbar geworden. Keine Regierung zuvor hat den Umbau von
Wirtschaftsstandort und Wohlfahrtsstaat derart beschleunigt wie die von
Schröder - und damit den Weg freigeräumt für eine extrem machtorientierte,
rechtskonservativ-neoliberale Nachfolgeregierung.


Vorrang für Arbeit ?

Die Unionsparteien wollen eine Richtungsentscheidung bei den anstehenden
Bundestagswahlen. Sie versprechen den Bürgern, dass sie mit politischen
Veränderungen dafür sorgen werden, dass Deutschland aus der ökonomischen
Stagnation herauskommt. 7Jahre Rot-Grün haben in der Tat Deutschland in
eine tiefe Krise gestürzt. Fakt ist aber auch: die bürgerlichen Parteien
haben die Politik der Agenda 2010 mit getragen und zugleich diese Reformen
als zu zaghaft hintertrieben.

Die bürgerlichen Parteien unterlassen es die Bevölkerung drüber
aufzuklären, dass sie massive Einschnitte, die Beseitigung von
Arbeitnehmerrechten und die Aufkündigung der solidarischen
Sicherungssystemen vorhaben. Diese Politik bewegt sich zwischen
Bierdeckelsteuerreform, Kopfpauschale und Abschaffung der gesetzlichen
Krankenversicherung. Die bürgerlichen Parteien schleichen sich zur Macht. In
der Tat ist ihr Weg von kaum zu übertreffender politischer Korruption
gepflastert - dafür stehen die Namen Kohl, Kanther, Lorenz Mayer und Pfahls.
Aber dass diese unerträglichen Strukturen der Bereicherung, politischer
Manipulation und Versetzung von Regeln und Recht in der Demokratie heute in
Vergessenheit oder zu Belanglosigkeit geraten sind, ist der Politik von
Rotgrün zu verdanken. Die Bilanz von sieben Jahren Rotgrün ist zwar
zutreffend. Das Politikangebot der Unionsparteien aber taugt nicht dazu,
aus der ökonomischen Sackgasse herauszufinden.


Auf dem Weg zu einer vereinigten Linken

Die politische Auseinandersetzung verläuft nicht zwischen einem trostlosen
rotgrünen Regierungsprojekt und den politischen Ambitionen der Merkels und
Westerwelles. Die entscheidende Debatte und politische Weichenstellung zeigt
sich auf dem linken politischen Spektrum: Schröder hat zur Kenntnis
genommen, " dass SPD-Mitglieder damit drohten, sich einer rückwärts
gewandten, linkspopulistischen Partei anzuschließen, die vor
Fremdenfeindlichkeit nicht zurückschreckt. Einige haben diesen Schritt
vollzogen; an die Spitze jener Partei hat sich ein ehemaliger
SPD-Vorsitzender gestellt."

Es geht nicht um rückwärts gewandte oder gar fremdenfeindliche Politik. Es
geht darum auch und gerade unter den Bedingungen der Globalisierung eine
Politik zu betreiben, die Lebensinteressen der großen Mehrheit der
Bevölkerung ernst nimmt.

Damit wir aber in der politischen Aufklärung und der Entwicklung einer neuen
Formation der Linken weiter kommen, müssen wir zügig inhaltliche, d.h.
politisch konzeptionelle und strategische Debatten organisieren. Die Themen
sind uns vorgegeben. Es geht um:

· die strategische Option und die Programmatik der Sozialdemokratie;
· die Gefahrenpotentiale der Politik der bürgerlichen Parteien;
· die Entwicklungen und Strategievarianten bei den Parteien des extremen
Rechten;
· die Konturen und Realisierungschancen eines neuen europäischen
Sozialmodells und
· die Dimensionen und Perspektiven der Wirtschaftsdemokratie.

13. Juli 2005



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