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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 27.11.03, 13:26     Betreff: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt

Konzentrationslager

Ein Appell an das Gewissen der Welt


Ein Buch der Greuel
Die Opfer klagen an



Dachau – Brandenburg – Papenburg
Königstein – Lichtenburg – Colditz
Sachsenburg – Moringen – Hohnstein
Reichenbach – Sonnenburg


Verlagsanstalt >GRAPHIA<, Karlsbad 1934

- 1 -



Probleme des Sozialismus

Sozialdemokratische Schriftenreihe

Nr. ß Konzentrationslager

Karlsbad: Printed CSR



- 2 –


Fritz Ecker:
DIE HÖLLE DACHAU
Betrachtungen eines Gemarterten nach sieben Monaten Dachau

„Die nationalsozialistische Diktatur hat Deutschland in Barbarei und Brutalität gestoßen, das deutsche Volk mit tiefster Schmach bedeckt.“ Dieser Satz aus der programmatischen Kundgebung des sozialdemokratischen Parteivorstandes in Prag verdient im Ausland als Warnung vor dem heutigen Deutschland an allen Grenzübergängen angeschlagen zu werden.

Die folgende wahrheitsgetreue Schilderung all der Kulturwidrigkeiten, die ich selbst in neunmonatiger qualvoller Gefangenschaft als politischer Schutzhäftling erlebt habe, wird die Richtigkeit dieses Satzes beweisen. Meine Schilderung ist zwar die Schilderung eines Einzelnen, aber viele Tausende in Deutschland könnten über ähnliche, vielleicht noch grauen-
vollere Vorgänge berichten. Ich versichere, auf Ehre und Gewissen, daß ich meine Erlebnisse ohne die geringste Übertreibung darstelle. So schauderhaft sie auch anmuten, nicht einmal alles ist darin enthalten. Manches kenne ich nur aus Schilderungen von Mitgefangenen, vieles andere mitzuteilen ist nicht möglich, weil die Namen der Betroffenen erkannt werden könnten und sie neuen Verfolgungen ausgesetzt würden, wenn ich öffentlich über die an ihnen verübten Greuel berichten wollte.

Keine andre Absicht leitet mich bei meinem Bericht, als mitzuhelfen an der A u f r ü t t e l u n g aller z i v i l i s i e r t e n M e n s c h e n , aufzurufen zum Kampf gegen die mittelalterliche Barbarei im Dritten Reich Adolf Hitlers. Mein heißester Wunsch ist es, durch mein Zeugnis dazu beizutragen, daß den Scheußlichkeiten, die in deutschen Konzentrationslagern und Gefängnissen an w e h r l o s e n und u n s c h u l d i g e n Menschen verübt werden, endlich ein Ende gemacht wird.

Körperliche Misshandlungen kann man darstellen. Ich bin mir aber bewusst, daß keine Schilderung imstande ist, das s e e l i s c h e E m p f i n d e n, das Gefühl der Entehrung gemarterter Menschen wiederzugeben. Stärkste körperliche Schmerzen und das Wissen, daß die erlittenen Misshandlungen lebenslänglich nachwirken werden, steigern diesen seelischen Schmerz. Er ist jedem unvorstellbar, der ihn nicht erlebte.

In Ehren ergraute Familienväter, alte Frontsoldaten, Menschen von hoher Gesittung, Männer die jahrzehntelang für Menschenrechte und ihre Weltanschauung ihr Bestes gaben, müssen sich vor jungen, verrohten Burschen entkleiden, werden über einen Tisch gelegt und dann erbarmungslos geschlagen. Fünfzig, hundert und noch mehr Hiebe auf das nackte Fleisch!

Wer eine solche, im Konzentrationslager Dachau alltägliche Szene, nicht miterlebt und erduldet hat, der kann schwer die seelischen Bedrückungen ermessen, die Gefangene oft der Verzweiflung und dem Wahnsinn nahe brachten. Viele mir persönlich bekannte Mitgefangene sind in wenigen Tagen ergraut.

Auch mir haben nach erlittenen Misshandlungen Mitgefangene erklärt: „Als Du aus dem Folterkeller kamst, warst Du kaum mehr erkenntlich. Du schienst um zehn Jahre gealtert!“
Auch mir sind die Haare an den Schläfen ergraut und die Spuren erlittener Misshandlungen werde ich zeitlebens am Körper tragen.

Unvergeßlich haftet in mir die zugefügte Schmach. Ich habe meinem Vaterland im Weltkrieg viereinhalb Jahre gedient. Das Eiserne Kreuz wurde mir verliehen. Nie in meinem Leben geriet ich mit den Strafgesetzen in Konflikt. Als Führungsvermerk steht in meinen Militärpapieren immer „Sehr gut“. Meine Mitbürger müssten mir für mein Zivilleben dieselbe Note erteilen.

Aber für einen Staatsbürger im Hitler Reich ist tadellose Führung eher ein Makel, denn eine staatsbürgerliche Tugend. Da im heutigen Deutschland die Träger der öffentlichen Gewalt nur zu oft selbst kriminell belastet sind, ist ihnen der ehrenhafte politische Bürger Gegner besonders verhasst. Ohne daß ich mir auch nur die geringste Verfehlung zuschulden kommen ließ, einzig allein deshalb, weil ich mich vor dem 5.März 1933 als Gegner der NSDAP betätigt habe, wurde ich neun Monate lang gefangen gehalten, musste unentgeltlich Zwangsarbeit verrichten und wurde in niederträchtiger Weise beschimpft, misshandelt und mit dem Tode bedroht, dem ich nur durch einen glücklichen Zufall entging.

Und so wie mir, erging, ergeht es in Deutschland Zehntausenden. Hunderte sind gemordet worden, die ebenso wenig >Verbrechen< begangen hatten wie ich. Man hat uns in Konzentrationslager verbracht, man hat Familienväter, die immer rein und ehrlich dastanden, verhaftet und im Angesicht ihrer Kinder als Lumpen und Verbrecher beschimpft und misshandelt. Man ließ die Kinder spüren, daß ihr Vater Verbrecher und staatsfeindliches Subjekt sei.

Die >Moral im Dritten Reich< erforderte es offenbar, daß die >Träger der Staatsgewalt< auch Frauen und Kinder der Inhaftierten peinigen und beschimpfen. Frauen, die bei den Behörden ihres Ortes um die Freilassung ihrer Männer bettelten, wurden gedemütigt und oft mit ordinären Ausdrücken abgefertigt.

„Seien Sie froh, daß Ihr Mann in Dachau ist“ , sagte ein Bürgermeister zu der bittenden Frau eines Gefangenen „da hat er es doch schön, daheim ist er ja auch arbeitslos!“

Auch meine Familie hat während meiner haft entnervende Drangsalierungen erleiden müssen. Immer wieder erschien die Gendarmerie zu Wohnungskontrollen. Man hat meiner Familie nicht einmal die Unterstützung gewährt, auf die sie gesetzlich Anspruch hatte. Mich aber hat man inzwischen im Konzentrationslager beinahe zu Tode geprügelt. Dieser >Dank des Vaterlandes< wurde mir dargebracht von vier jugendlichen Strolchen aus der braunen Armee des Herrn Adolf Hitler. Zu den Kriegsnarben an meinem Körper trage ich jetzt jene barbarischen Verletzungen, die mir im Konzentrationslager zugefügt wurden.

Jene >Volksgenossen< aber, die im Lager Dachau wehrlose Familienväter und alte Frontsoldaten zu Tode oder zu Krüppeln schlugen und schlagen, werden im deutschen Rundfunk, in der nationalsozialistischen Presse und in den Ansprachen der Führer als die >tapferen und getreuen Mannen Hitlers< bezeichnet. So werden heute gemeine Rohheit und erbärmliche Feigheit zur Tugend erhoben und als Tapferkeit dargestellt.

Als Verbreiter >erdichteter Greuelnachrichten< bezeichnet und mit schwersten Strafen belegt wird jeder, der erlittene Drangsalierungen weiter erzählt. Dringt die Wahrheit über die Grenzen des Dritten Reiches, so wird sie durch Propagandisten des Herrn Göbbels als >Greuelhetze der Emigranten< abgetan.

Ein Beispiel: Am Sonntag, dem 22 Oktober 1933, ließ der Kommandant des Konzentrationslagers Dachau, der SS Oberführer E i c k e , die nahezu 2500 Gefangenen des Lagers antreten. Er wetterte vor diesen Gefangenen, die täglich grauenvolle Schandtaten erdulden mussten, gegen die >Schurken<, die im auslande Greuelnachrichten über das Lager Dachau verbreiteten. Eicke gab dann in seiner Ansprache bekannt, daß die Schutzhäftlinge A l t m a n n, D r. K a t z, D r. R o s e n f e l d e r und Willy F r a n z versucht hätten, über Vorkommnisse im Lager, in eine Mütze eingenäht, herauszuschmuggeln.

„Zwei der verhafteten Verräter“ sagte Eicke wörtlich, „sind bereits i n s J e n s e i t s b e f ö r d e r t: der Jude Dr. Katz und sein Helfer Willy Franz. Wir haben noch genug deutsche Eichen, um jeden daran aufzuhängen, der sich uns entgegenstellt. Es gibt keine Greuel und es gibt keinen Tschekakeller in Dachau, Wer Prügel bekommt, erhält sie zu Recht!“

Es fehlte in dieser Ansprache natürlich nicht an Beschimpfungen und Verleumdungen der Gemordeten. Eicke erzählte dann ausführlich, wie die Vier Greuelnachrichten gesammelt haben.

„Der Verräter Altmann“ – so sagte der Kommandant – „hat seine Tätigkeit als Schreiber im Aufnahmeraum dazu benützt, sich jeweils die Namen jener Ankömmlinge zu notieren, die bei der Ankunft im Aufnahmeraum geschlagen wurden. Sein sauberer Helfer Willy Franz hat als Leiter der Lagerpoststelle Zugang zum Gefangenenverzeichnis gehabt und daraus die genauen Personalien der ihm von Altmann Benannten festgestellt. Der Jude Dr. Katz hat als tätiger Arzt im Krankenrevier Aufzeichnungen gemacht über die ins Revier eingelieferten Geprügelten. Der Dr. Rosenfelder, Rechtsanwalt aus Nürnberg, scheint auch nicht ganz unbeteiligt an der Sache zu sein!“

Eicke gab also in seiner Ansprache mit aller Eindeutigkeit die im Lager verübten Greuel zu, er brandmarkte nur jeden als Verräter, der wahre Mitteilungen aus dem L a g e r h e r a u s gelangen lassen wollte. Es gibt tatsächlich keinen besseren Kronzeugen dafür, daß im Lager Dachau geprügelt und gemordet wird, als diesen Kommandanten Eicke!

Als ich in Dachau entlassen wurde und mit anderen zur Entlassung Kommenden den Entlassungsschein in Empfang nahm, schärfte uns der Obersekretär M u t z b a u e r ein:
„Der Dr. Katz hat sich selbst erhängt und der Stenzer wurde auf der Flucht erschossen. Dabei bleibt es! Verstanden?“…

Dass im Lager Dachau mit W i s s e n u n d W i l l e n d e r L a g e r l e i t u n g geprügelt wird, beweist auch die Lagerordnung, die den Gefangenen von Zeit zu Zeit immer wieder verlesen wird wie die Kriegsartikel den Soldaten des kaiserlichen Heeres. Diese Lagerordnung enthält als Strafbestimmung auch die Prügelstrafe.

In einem Anschlag zur Reichstagswahl aus der ersten Woche des November 1933 stand am Schluß der bezeichnende Satz.
„Wer politisiert, wird kraft revolutionären Rechtes aufgehängt!“

Wenn in den deutschen Konzentrationslagern nichts zu verbergen und alles schön in Ordnung wäre, brauchte man die zur Entlassung kommenden Gefangenen auch nicht nach etwaigen Aufzeichnungen peinlichst zu durchsuchen. Ich musste mich damals, wie alle anderen, völlig entkleiden. Ein SS Mann durchsuchte jedes Kleidungsstück. Hemdkragen und Ärmelaufschläge wurden genauestens befühlt. Dann musste ich mich nackend auf den Tisch stellen. Ein SS Mann untersuchte mir den After auf versteckte Notizen.

Bei den Ansprachen an die zur Entlassung kommenden Gefangenen wurde ihnen immer strengstens eingeschärft, über alle Erlebnisse und Vorkommnisse während ihrer Schutzhaft zu schweigen. Es ist uns wörtlich gesagt worden:
„Wer etwas über bestimmte Lagerereignisse erzählt, kommt sofort wieder ins Lager und verlässt es zum zweiten Male nicht mehr lebend!“

So versuchte man die Verbreitung der Wahrheit über deutsche Konzentrationslager zu unterdrücken. Von Zeit zu Zeit gestattete man genehmen Pressevertretern den Lagerbesuch, zeigt ihnen, wie wundervoll es sich in so einem Lager lebt und wie erlogen all die Greuelnachrichten seien, die im Ausland umgehen. Ich habe öfter solche Besucher gesehen und die Art, wie sie informiert werden, beobachtet.

Selbst wenn ein Gefangener unbeobachtet und ungestört mit einem Besucher reden könnte, würde es ihm nie einfallen, sein Leben dadurch zu riskieren, daß er einem Unbekannten, - der auch ein Spitzel oder >Gleichgeschalteter< sein könnte -, etwas über erduldete oder gesehene Greuel erzählte. Und da man den Pressevertretern natürlich die Opfer der regelmäßigen Misshandlungen nicht besonders vorführt, sie auch nur in Begleitung >Zuverlässiger< und nach vorheriger Anmeldung diejenigen Abteilungen des Konzentrationslagers sehen lässt, die man sehen lassen w i l l , so sind diese gelegentlichen Besuche von Journalisten kein Gegenbeweis dafür, daß, wie ich berichten werde, im deutschen Konzentrationslager D a c h a u t ä g l i c h g e p r ü g e l t u n d g e f o l t e r t wird!.


Konzentrationslager Dachau, den 29.Jan.1934
Dachau

E n t l a s s u n g s s c h e i n
====================

Der Schutzgefangene Ecker Fritz

geb. 5.2.92 zu Furth i.W.

war bis zum heutigen Tage im Konzentrationslager Dachau verwahrt. Laut Verfügung der Bayer. Polit. Polizei München wurde die Schutzhaft heute aufgehoben.

Lagerkommandant

Stempel mit Adler und Hakenkreuz:
Konzentrationslager Kommandantur Dachau

Unterschrift
E i c k e


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Unsere Baba Yaga hat mir diesen Buchauszug per eMail zugehen lassen. Er hat mich sehr betroffen und nachdenklich gemacht. So unendlich viel Gutes mensch auch tut, so unendlich viele Greueltaten kann mensch auch begehen oder begehen lassen.

Haben die Befehlsempfänger, die Schergen, haben alle Wegseher bei Greueln wirklich weniger Schuld als diejenigen, die sich solche grausigen Exzesse ausdenken und befehlen? - - - Ich fürchte mich, hierauf jetzt eine emotionsfreie Antwort zu geben, sicher geht es vielen so.

Baba wird uns noch weitere Schreckenskapitel aus diesem Buch vorstellen.

bjk
sehr sehr nachdenklich

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 22.02.04, 10:13 von bjk]
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