|
|
Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten
PLATTFORM FÜR LINKE GEGENÖFFENTLICHKEITEN
Beiträge können nicht (mehr) eingestellt oder kommentiert werden!
|
|
|
|
|
Anfang
zurück
weiter
Ende
|
Autor |
Beitrag |
Baba Yaga
|
Erstellt: 05.12.03, 22:54 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
Fortsetzung von Seite 22:
Konzentrationslager – Ein Appell an das Gewissen der Welt
Die Einlieferung ins Lager
Der Glaser K a r l S t e i n e r aus Weiden wurde aus meiner Reihe herausgeholt und durch einen SS Mann so vorgestellt:“ Hier, das war der Sekretär Eisners. Er hat in München die Geiseln erschießen lassen!“
Vergebens versuchte S t e i n e r dem unwissenden Burschen klar zu machen, daß der Sekretär Eisners, des Präsidenten der der Bayerischen Republik im Jahre 1918, tatsächlich Felix Fechenbach hieß. Fechenbach habe aber mit dem Geiselmord in München so wenig zu tun gehabt, wie er selber. Es half ihm nichts. Er wurde schandbar geschlagen. Ihm hat man die Hose beim Herunterziehen in zwei Stücke gerissen und das Hemd zerfetzt. Steiner ist Vater zahlreicher Kinder. Als er bewusstlos auf dem Boden lag, rollte ihn der schon erwähnte SS Mann H a n s S t e i n b r e n n e r an die Wand und stellte ein Regal davor.
Später wurde der bewusstlose Steiner ins Revier getragen. << Herzschwäche>> war die ärztliche Diagnose. Steiners Einlieferung gab unter den Lagerinsassen zu dem Gerüchte Anlaß, Felix Fechenbach sei im Lager Dachau. Lange zeit danach wurde bekannt, daß Fechenbach beim Transport in ein anderes deutsches Konzentrationslager bei Detmold <<auf der Flucht>> erschossen worden ist.
Nach Steiner kam i c h an die Reihe. SS Mann F r a n z L i e b w e i n hatte sich schon nach der Misshandlung Wilmersdörfers Weidenstöcke frisch von einem Baum beschafft und kam mit der Bemerkung zurück: „Die müssen an denen da heute noch zerschlagen werden!“ Er sprach mit dem Scharführer E r b s m ü l l e r und zeigte dabei mit dem Finger auf mich.
Ich kannte F r a n z L i e b w e i n . Sein Bruder war 1932 wegen eines Sittlichkeitsverbrechens zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden und hatte mich bitten lassen – ich war damals im Nebenberuf Gerichtsberichterstatter der << Regensburger Volkswacht>> -, über die Gerichtsverhandlung nichts zu berichten. Ich bin 1932 diesem Wunsche nachgekommen und habe über den Prozeß nicht berichtet.
E r b s m ü l l e r kam näher und fragte mich nach Namen und Wohnort. Da ich seine Absicht ahnte, stand ich sogleich militärisch stramm. E r b s m ü l l e r entfernte sich. Kaum eine Minute später holte er mich zur <<besonderen Vernehmung>> aus Reih und Glied und führte mich in den Keller unter der Gefangenenküche. Ich ahnte was mir bevorstand und habe mir vorgenommen, keinen Schmerzensschrei hören zu lassen!
Im Keller zog E r b s m ü l l e r die Pistole, entsicherte und hielt sie mir, den Finger am Abzug, vor die Stirn. Er befahl mir, mich auszukleiden. Vier andere SS Leute, darunter F r a n z L i e b w e i n und B r u m m e r , standen schlagbereit, Ochsenziemer und Gummiknüppel durch die Luft schwingend, vor mir. Ich musste mich über einen Tisch legen. Mein Kopf wurde in eine Decke gewickelt und meine Kehle von einem SS Mann auf die Tischkante gedrückt. Dann schlugen drei SS Leute mit aller Kraft auf mich ein, bis mir das Blut von Rücken und Gesäß rann. Vierundsechzig Schläge habe ich gezählt. Danach wurde ich mit einem Eimer Wasser begossen und ich hörte E r b s m ü l l e r sagen: „Noch eine Lektion, der Kerl spürt ja nix, der schreit net!“
Und wieder wurde auf mich eingeschlagen, Oberschenkel und Waden waren mit blutenden Striemen bedeckt und ich war nahe daran, in Schmerzensgebrüll auszubrechen, als der Befehl kam: „Aufhören, es reicht!“
Einer schlug trotzdem noch mehrmals über meine Oberschenkel, bevor ich loskam.
Man befahl mir: „Anziehen! Rasch, rasch! Andere warten sch darauf“!
Während ich mich anzog wurde ich weiter geschlagen. In eile und Erregung hatte ich die Weste falsch zugeknöpft, ich musste sie aufknöpfen und nochmals zuknöpfen und wurde auch dabei ständig von zwei SS Leuten mit Stock und Gummiknüppel geschlagen.
Sodann wurde mir wieder die Pistole vor die Stirn gesetzt und E r b s m ü l l e r sagte: „Du warst <<bei der Vernehmung>> verstanden? Wo war´st?“
Halb bewusstlos entgegnete ich: “In Dachau!“ Daraufhin hat mir F r a n z L i e b w e i n durch einen Faustschlag zwei rechte Backenzähne ausgeschlagen.
E r b s m ü l l e r fragte erneut: „Hund, ich knall Dich nieder, wo war´st Du?“
Hatte ich das erste mal ganz benommen und unbewusst geantwortet: “In Dachau“ , so tat ich es das zweite Mal aus absichtlichem Trotz.
Da bekam ich von einem SS Mann einen Schlag mit dem Karabinerkolben in die Seite, dessen Schmerzen ich heute noch in den Rippen verspüre. E r b s m ü ll e r stellte die Frage zum dritten Male und drückte die Pistolenmündung an die Stirn. Man wollte von mir die Antwort haben, daß ich bei der << Vernehmung>> war: Ich erwiderte zum dritten Male: „In Dachau!“
„Warte nur, Du Hund, Dich kriegen wir schon noch, Du kommst lebendig nimmer aus dem Lager!“
zu dritt hatte man mich zur Türe hinausgeprügelt! Ich wankte in meine Reihe zurück. Bald brach ich zusammen. Ein SS Mann brachte einen leeren Kartoffelsack und sagte: „Da legst dich her, wenn Dir schlecht ist!“ Zwei andere SS Leute aber stießen mich mit den Füßen an den Kopf, bis ich mich wieder erhob.
Ich musste wieder in Reih und Glied stehen, bis alle <<Vernehmungen>> vorgenommen waren und danach noch ins Lager marschieren.
Ich fiel in der Baracke der 9.Kompanie bewusstlos um. Als ich später zu mir kam, waren an meinem Bett der Lagerarzt und Angehörige der SS, D r. S c h w a r z, dessen Assistenzarzt, der Schutzgefangene D r. K a t z und ein Sanitäter der Schutzpolizei. Ich erhielt Einspritzungen in den Oberschenkel. Neben meinem Lager – in der untersteh Reihe eines Kaninchenstalls – waren nur noch zwei andere Gefangene, der Kupferschmied W o l f g a n g M ü h l b a u e r und der Gewerkschaftssekretär A d o l f T h i e m, beide aus meinem Heimatort Weiden. Sie waren genauso bewusstlos geschlagen worden wie ich.
Als ich einmal den SS Arzt D r . S c h w a r z darauf aufmerksam machte, daß mein Urin mit Blut durchsetzt sei, erhielt ich die gewohnte Antwort:“ Das macht nichts, das kommt von der seelischen Depression!“
Ich lag bis zum 19. August im Revier und hatte eine Woche 40 Grad Fieber. Meine Kameraden hatten mich aufgegeben. Die SS Leute F r a n z und M a x L i e b w e i n aus meinem Heimatort Weiden – auch der Sittlichkeitsverbrecher M a x war SS Mann in der Lagerwache – aber ließ mir durch den Gefangenen B r u n n e r aus Hirschau ausrichten, ich würde ihnen nach meiner Entlassung aus dem Revier schon wieder in die Hände fallen, und dann habe mein letztes Stündlein geschlagen!
………………………………………….Seite 24 …………………………………………….. Fortsetzung folgt
|
|
nach oben |
|
|
Baba Yaga
|
Erstellt: 03.12.03, 01:29 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
Fortsetzung von Seite 19:
Konzentrationslager – ein Appell an das Gewissen der Welt Die Einlieferung in das Lager
< Ü b e r f ü h r u n g i n s K o n z e n t r a t i o n s l a g e r ! > Wieviel Spannung löst doch die Mitteilung nach wochenlanger Gefängnishaft aus und wie viel neue Erregung häuft sich an. Im Gefängnis konnte man noch von den Angehörigen besucht werden. Während der wenigen Minuten Sprechzeit tauche dabei schon die bange Frage auf: „Konzentrationslager?“ Gleichsam zur Selbstberuhigung fügte die fragende Gattin die Antwort hinzu:
„Du hast doch nichts getan. Ich habe mich viereinhalb Kriegsjahre um Dich gesorgt, soll ich denn diese Qual aufs neue erleben?“
Die Rachsucht der <Erneuerer deutschen Familienlebens> machte vor solchem Frauenleid nicht halt. Damit ein Abschied – für viele war es ein Abschied für immer – unmöglich werde, wurden wir bis zum Abtransport völlig im Unklaren gelassen. Am frühesten Morgen wurden wir geweckt und unter starker Bewachung nach D a c h a u transportiert. Während ich in Sorge um die Familie war, wie sie wohl die Nachricht von meiner Einlieferung ins Lager erfahre, war meine herzleidende Frau zu Hause ohnmächtig zusammengebrochen!...
Wegen Überfüllung des Landgerichtsgefängnisses Weiden war ich von dort am 26. Juni mit anderen in das Gefängnis des Amtsgerichtes in Vohenstrauß in der Oberpfalz überführt worden. Von dort brachte uns ein Autobus am 1. Juli nach dem K o n z e n t r a t i o n s l a g e r D a c h a u . Wir waren insgesamt 28 Häftlinge aus Weiden und Umgebung und trafen gegen ½ 10 Uhr vormittags im Lager ein. Schon der erste meiner Leidgenossen, der dem Auto entstieg, wurde mit Geheul und Pfiffen empfangen. Wie hungrige Wölfe umschwärmten uns SS Leute. Wütendes Geschimpfe und Drohungen waren ihr Willkommensgruß. Sie kannten uns nicht persönlich und wandten trotzdem ihren ganzen Haß gegen uns.
„Ihr Hunde, ihr Verbrecher, euch werden wir´s zeigen, euch lehren wir arbeiten, ihr Bonzensäue!“
Wie tobsüchtige schrien uns die SS Leute an, - und es waren doch nur Arbeitslose, politisch Irregeführte und Fanatisierte.
Es blieb nicht bei Drohungen. Umringt von den SS Leuten, marschierten wir zum < Aufnahmeraum>. Beim Namensaufruf war der Gefangene T r a u t n e r nicht rasch genug in Reih und Glied gesprungen. Sofort wurde er von dem SS Mann P u t z (den Namen habe ich später erfahren) brutal am Kopfhaar gefasst und zu Boden gerissen. Vier andere SS Leute traten dem armen Menschen, der keiner Politischen Partei angehörte, mit ihren Stiefeln ins Gesicht, stießen ihn an die Schienbeine und Ellenbogen und schrien: „Willst du aufstehen, du Hund!“
In uns anderen kochte die Wut über diese erbärmliche Feigheit an einem Wehrlosen, aber wenige Minuten später wurden wir mit derselben Brutalität behandelt.
Vor uns war ein Transport aus Coburg eingetroffen. Wir mussten deshalb vor dem Aufnahmeraum etwa zwei Stunden in Reih und Glied stehen. Bald wurde einer nach dem anderen aus unserer Reihe gerissen und fürchterlich misshandelt. Einigen Gefangenen, T r a u t n e r , W i l m e r s d ö r f e r und anderen wurde mit dem Seitengewehr das Kopfhaar stellenweise ausgeschnitten. Dabei wurden sie an den Haaren gepackt und zu Boden gerissen, getreten, aufgestellt und neuerdings niedergeworfen.
Ich habe nicht alle Gefangenen gekannt, insbesondere nicht die Coburger, deren Empfang ich nur zum Teil miterlebte. Ich habe gesehen wie der Arzt D r . E r i c h B r a u n aus Coburg im Aufnahmeraum zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen und gemein beschimpft wurde. Sogar die abwesende Frau Braun wurde mit ordinären und rohesten ausdrücken bedacht, obwohl keiner von den Rohlingen die Geschmähte jemals gesehen hatte. D r . B r a u n wurde dann in den Keller unter der Gefangenenküche geführt und grausam misshandelt. In den Aufnahmeraum zurückgebracht, wurde Braun von dem als Prügelhelden besonders berüchtigten H a n s S t e i n b r e n n e r weiter geschlagen und sollte dann nochmals in den Keller geführt werden. Auf die Zurufe anderer SS Leute, Braun sei schon „vernommen“, unterblieb aber die nochmalige Verbringung.
Ich habe den Körper von D r . B r a u n wiederholt gesehen. Das Fleisch hing ihm in Fetzen von Rücken und Gesäß. Braun lag sieben Wochen lang im <Revier>, der Krankenabteilung des Lagers. Ich lag in einem Bett neben ihm. Die rechte Hälfte seines Gesäßes ging in Fäulnis über. Das abgestorbene Fleisch wurde mit einer Schere abgeschnitten. Diese wunde war größer als eine Handfläche. Als Krankheit war auf der Krankentafel zu lesen <Cubitus>. Das bedeutet <aufgelegen>. Im Revier hat man mir die lateinische Bezeichnung mit <Substanzschwund> übersetzt.
Eines Tages fragte der SS Mann S t e i n b r e n n e r den Schwerkranken, was für eine Krankheit <Cubitus> sei. D r . B r a u n antwortete ihm: „Substanzschwund!“ „So, den hast Du wohl im Gehirn?“ „Nein, am Gesäß!“ „Aha, jetzt kenne ich mich schon aus, so ist es schon recht!“
Der Arzt erwog mehrmals Hautübertragungen, aber am 19. August 1933 wurde Braun mit der offenen Wunde aus dem Krankenrevier entlassen.
D r . B r a u n wurde einige Zeit später, noch nicht ausgeheilt, in die <Kiesgrube>, den berüchtigten Arbeitsplatz des Lagers abkommandiert und neuerdings aufs schwerste misshandelt. Zwei Gefangene haben ihn damals vom Arbeitsplatz in die Baracke getragen.
J u s t i n W i l m e r s d ö r f e r , Provisionsreisender aus Weiden in der Oberpfalz, war das nächste Opfer. Er wurden vor dem Aufnahmeraum von dem SS Mann F r a n z L i e b w e i n , der ebenfalls aus Weiden stammte, mindestens zwanzig Mal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dann wurde W i l m e r s d ö r f e r ein Plakat umgehängt mit der Aufschrift: „Ich bin ein Judenbonze!“ So wurde er photographiert und zum lachen gezwungen. Schließlich zog man ihn in ein offenes Pissoir, legte ihn dort über einen bereitgestellten Stuhl und dann schlugen vier SS Leute auf ihn los. F r a n z L i e b w e i n gebärdete sich unter allen als der Wütendste.
W i l m e r s d ö r f e r wurde einige Tage später mit starkem Fieber ins Revier gebracht und musste operiert werden. Er war zwei Monate im Revier. Auf dem Krankenblatt war als Krankheit angegeben: „Grippe und Abszess“. Kaum einigermaßen genesen, wurde er zur Arbeit beim Neubau für eine Bäckerei eingeteilt. Schon am zweiten Arbeitstag fiel er dem SS Mann L i e b w e i n wieder in die Hände. L i e b w e i n und der Scharführer F r a n k aus Würzburg misshandelten den W i l m e r s d ö r f e r von f r ü h 7 U h r b i s 1 1 U h r m i t t a g s ununterbrochen. Sobald W i l m e r s d ö r f e r bewusstlos geschlagen war, legten sie ihn unter den Hydranten und ließen das Wasser auf ihn niederrauschen. Dann wurde die Misshandlung fortgesetzt.
Wiederholt bat W i l m e r s d ö r f e r kniend: „Herr Scharführer, bitte erschießen Sie mich!“
Ich habe am Mittag desselben Tages W i l m e r s d ö r f e r s Körper gesehen. Grauenhaft! Die Operationswunde war durch Schläge mit dem Seitengewehr wieder aufgeschlagen. Der Körper war braun und blau voller Striemen, von den Händen hingen Hautfetzen, die beiden Gesichtshälften waren blau und stark geschwollen, ebenso die Ohren. Dem Arzt D r . M e i x n e r erzählte W i l m e r s d ö r f e r die Misshandlungen ausführlich und bat um Schutz. Der Arzt notierte auch alles, kam jedoch anderntags wieder und erklärte kurz angebunden: „Es gibt im ganzen Lager keinen Scharführer Frank“.
Der Steuerassistent G e o r g W e n g aus Weiden wurde von einem SS Mann als Reichsbannerführer bezeichnet und aus der Reihe geholt: „Heraus mit Dir, Dir werden wir´s Bananenhemd ausziehen!“
W e n g hatte im Kriege als Offizier im Felde gestanden. Er hatte schwere Kriegsverletzungen und litt an Malaria. Dessen ungeachtet wurde er von halbwüchsigen Burschen blutig geschlagen. Seine Kriegsnarbe war blutunterlaufen, der Rücken wies von oben bis unten Striemen auf. Als W e n g das Hemd wieder anziehen wollte, den blutigen rücken gegen uns unfreiwillige Zuschauer seiner Misshandlungen gewendet, zwangen ihn die SS Leute, das eigene grüne Sporthemd dreimal anzuspucken.
………………………………………………Seite 22 …………………………….........
Fortsetzung folgt
|
|
nach oben |
|
|
bjk
Beiträge: 7353 Ort: Berlin
|
Erstellt: 02.12.03, 08:58 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
Fortsetzung folgt
bjk
Reife ist schärfer zu trennen und inniger zu verbinden
|
|
nach oben |
|
|
bjk
Beiträge: 7353 Ort: Berlin
|
Erstellt: 02.12.03, 08:37 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
weil Baba und Ingrid uns in ihren bewegenden Beiträgen zum sehr ernsten Nachdenken angeregt haben, möchte auch ich Euch jemanden vorstellen, der die furchtbaren Greuel im KZ miterlebt und erlitten hat. Es ist der tschechische Jude, Pavel Stránský, Jahrgang 1921, mit dessen niedergeschriebener Überlebensgeschichte mir Baba im vergangenen Frühsommer ein kostbares Geschenk gemacht hat.
Mit großer Erschütterung habe ich diese authentischen Schilderungen gelesen und bin noch immer tief bewegt von der menschlichen Größe, die Pavel Stránský trotz der schlimmen Grausamkeiten, die er erduldet hat, nicht verbittern ließ. Im Gegenteil, er schreibt als ersten Satz: "Das wichtigste im Leben ist die Liebe."
In mehreren Fortsetzungen werde ich Stránskýs Überlebensgeschichte in den nächsten Wochen hier vorstellen, denn leider ist sein Büchlein wohl kaum noch käuflich zu erwerben.
bjk
Reife ist schärfer zu trennen und inniger zu verbinden
[editiert: 02.12.03, 08:52 von bjk]
Dateianlagen:
Stránský 1.jpg (299 kByte, 1.164 x 832 Pixel)
Anzeige optimiert für beste Darstellung. Großansicht - speichern
|
|
nach oben |
|
|
Baba Yaga
|
Erstellt: 02.12.03, 00:40 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
Fortsetzung aus: Konzentrationslager – Ein Appell an das Gewissen der Welt
Meine Verhaftung
Ich heiße F r i t z E c k e r und wurde am 5. März 1892 zu Furth im Walde, einem alten Grenzstädtchen in Bayern, geboren und katholisch erzogen. Mein Vater war Schneidermeister. Beide Eltern entstammen altbayerischen Geschlechtern. Sie und ihre Vorfahren lebten immer in und bei Furth. Nahe Verwandte haben festgestellt, daß meine Vorfahren väterlicherseits in früheren Zeiten ihren Namen mit den Buchstaben „gg“ geschrieben hätten und sie mit Burggrafen der nahen Umgebung in enge Verbindung gebracht, deren Namen auf „egg“ enden. Ich habe mein Lebtag darauf wenig gegeben, kann heute aber jedem Vergleich einer Bindung an <Blut und Boden> standhalten.
Nach Kriegsausbruch habe ich mich als Kriegsfreiwilliger gemeldet, habe den Krieg als Infanterist und MG Schütze überlebt und bin am 18. Dezember 1918 aus dem Heeresdienst entlassen worden. Am 9. Mai 1915 wurde ich in der Schlacht an der Loretto-Höhe und am 8. Mai 1917 bei der Erstürmung von Fresnoy, südlich von Arras, verwundet. Ich war Angehöriger des 7. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments, wurde 1916 dem aktiven Regiment zugeteilt und war an der russischen Front beim 13. bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment.
Anfang 1919 wurde ich kommunaler Angestellter in meiner Heimatstadt und im Mai 1920 Sekretär der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Weiden in der Oberpfalz. *** Im März 1933, nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und nach dem Reichstagsbrand, setzte eine Welle des Terrors ein, die viele zehntausende Deutsche in die Gefängnisse und in die bald darnach eingerichteten Konzentrationslager des Dritten Reiches brachte. Politische Gegner des Nationalsozialismus, oder Männer und Frauen, die als solche galten, waren die Opfer. Kampf den Bolschewisten, den Marxisten und Liberalisten waren die Schlagworte, unter denen die neue Staatsmacht den Terror der SA und SS legalisierte.
Meine Freunde drängten: Ich solle mich der bevorstehenden Verhaftung durch die Flucht ins Ausland entziehen. Ich konnte mich anfangs nicht dazu entschließen.
Als aber an meinem Wohnort ganz systematisch Verhaftungen vorgenommen wurden, nachdem mich ein Polizeibeamter gewarnt hatte, binnen einer halben Stunde würde auch ich geholt werden, als Frau und Kinder mir in Ängsten zuredeten, mich in Sicherheit zu bringen, - gab ich nach und fuhr ins Ausland.
Sehr schnell, am selben Tage aber, kehrte ich z u r ü c k . Ich brachte es doch nicht über mich, zu fliehen, während meine Freunde das harte Los der Verhaftung trugen. Es war ein harter und folgenschwerer Entschluß.
Der Gedanke an Frau und Kinder wurde verdrängt durch ein – wie ich heute erkannt habe – f a l s c h e s Pflichtbewusstsein. Damals aber glaubte ich, es dem Ansehen der s o z i a l d e m o k r a t i s c h e n Partei schuldig zu sein, die Gefängnishaft auf mich zu nehmen. Von der Grenze heimgekehrt, wurde ich verhaftet, ohne daß ich meine Familie von meiner Rückkehr verständigt hatte. Welchen Irrtum ich durch meine Rückkehr beging, sollte ich erst später erkennen. Nicht nur, daß ich für dumm gescholten wurde, weil ich mich freiwillig den Häschern auslieferte. Meine Tat hatte nahezu die Wirkung eines Selbstmordes., und ich habe durch meine freiwillige Rückkehr nicht nur selbst unsägliche Leiden erdulden müssen, sondern auch meine Angehörigen in tiefste Sorge gestürzt.
Mein Opfer war umsonst, denn heute bin ich trotz allem im Exil und habe niemandem nützen können. Alle meine späteren Leidensgenossen im Konzentrationslager waren der Ansicht: „Wohl denen, die sich noch rechtzeitig ins Ausland retten konnten! Nur dadurch haben sie sich Leben und Gesundheit bewahrt!“
***
Das Leben eines Emigranten ist bitter! Vielleicht ist mancher politische Flüchtling heute der Meinung, es wäre besser für ihn gewesen, in Deutschland zu bleiben und die Schutzhaft auf sich zu nehmen. Denen möchte ich sagen, daß das Verbleiben in Deutschland auf alle Fälle e i n S p i e l m i t d e m T o d e g e w e s e n w ä r e , denn nur von Zufälligkeiten hing oft das leben des Einzelnen ab.
Bei den Einlieferungen in die Konzentrationslager wurde völlig willkürlich gehandelt. Bestimmend für die Verhängung der Schutzhaft war nicht ein schuldhaftes Vergehen, sondern persönliche Missgunst, Haß, Neid, geschäftliche Konkurrenz, die Absicht, sich eines persönlichen Nebenbuhlers oder Gegners zu entledigen und anderes mehr. Die <Amtswalter> der NSDAP forderten, und der politische Sonderbeauftragte kam diesen, oft gemeiner Rachsucht entspringenden Forderungen bereitwilligst nach, um bei den <Amtswaltern> populär zu bleiben. Und so kamen neben politischen Gegnern des Nationalsozialismus auch gänzlich Unpolitische ins Konzentrationslager Dachau.
Ich erhielt in Dachau die Gefangenennummer 2463, wurde zuerst der zweiten Korporalschaft der 9. Kompanie und Mitte September der 1. Kompanie, 1. Korporalschaft, zugeteilt.
Da in Dachau jeder Gefangene eine fortlaufende Nummer erhält, weiß man, wie viele dies Leidensstätte durchlaufen haben. Die regierenden Männer Deutschlands geben die Zahl der in Konzentrationslagern Inhaftierten viel zu niedrig an. Rücksicht auf die Meinung des Auslandes verleitet sie zur Lüge. So hat der damalige Chef der Geheimen Staatspolizei in Preußen, Ministerialrat D r. D i e l s , Mitte März 1934 vor ausländischen Pressevertretern in Berlin behauptet, es seien 30 000 Deutsche durch die Konzentrationslager gegangen und 9000 noch drin. Ich kann feststellen, daß zur selben Zeit, im März, in Dachau alleine schon 6000 Gefangene gezählt wurden, und mehr als 2000 Insassen waren damals noch im Lager. Am Tage meiner Entlassung, am 29.Januar 1934, war nach meiner Erinnerung die Zahl von 5000 überschritten. Als ich das Lager verließ trafen dort zwei Omnibusse mit etwa sechzig neuen Häftlingen ein.
Auch danach ist Dachau trotz mancher Entlassung nicht leer geworden. So berichtet die mir zufällig in die Hand geratene <Bayerische Volkszeitung> in Nr. 112 vom 18.Mai 1934:
Rebdorf.(Aus dem Arbeitshause) Gestern Wurde wieder eine Abteilung von 50 Insassen des Arbeitshauses Rebdorf nach Dachau abgeschubt.
Dabei ist es bekannt, daß in Bayern allgemein die Verhaftungen weniger häufig waren als im <marxistischen Norden> des Reiches. Wenn Bayern mit seinen rund sieben Millionen Einwohnern schon 6000 Gefangene im Lager Dachau internierte, dann möge man danach die Gesamtziffern für das ganze Dritte Reich schätzen und kann unmöglich die Ziffer von 30 000 für glaubhaft halten, die Herr Diels angab. Dazu kommen dann noch die Hunderttausende, die <nur> durch die Gefängnisse oder Haftlokale der SA gingen. Auch in diesen Gefängnissen wird geprügelt und gemordet.
Ich kenne selbst bestimmte Fälle. Und wie es besonders bis zum Herbst 1933 in den Sturmlokalen der SA zuging, weiß man aus Einzelberichten. Auch die volle Wahrheit darüber wird noch bekannt werden.
........................................Seite 19 ....................................................
Fortsetzung folgt
|
|
nach oben |
|
|
IngridSF
Beiträge: 9 Ort: Idar-Oberstein
|
Erstellt: 28.11.03, 22:31 Betreff: Re: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
weiterempfehlen
|
|
|
Aus:
Viktor E. Frankl
…trotzdem Ja zum Leben sagen
Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
(erschienen im Deutschen Taschenbuch Verlag)
Der 1945 niedergelegte Bericht „Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ und die 1946 geschriebene dramatische Skizze „Synchronisation in Birkenwald“,“, die in diesem Band zusammengefasst sind, wollen nicht Mitleid erregen oder Anklage erheben. Noch weniger geht es um die Situation des Grauens. Worauf es dem Neurologen Frankl vor allem ankommt, ist, zu beschreiben, durch welche Phasen der Entmenschlichung die KZ-Häftlinge gehen mussten und wie es doch einigen von ihnen möglich war, innerlich zu vollbringen, was das „Buchenwald-Lied“ forderte: „…trotzdem Ja zum Leben sagen“. – Das Buch wurde in 26 Sprachen übersetzt, allein von der amerikanischen Ausgabe wurden an die neun Millionen Exemplare verkauft.
Viktor E. Frankl, geboren am 26. März 1905, war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien, zugleich Professor für die von ihm begründete Logotherapie an der International University in Kalifornien. Frankl hatte außerdem Professuren an der Harvard University, an der Stanford University und an Universitäten in Dallas und Pittsburgh inne. Vortragsreisen führten ihn nach Amerika, Australien, Asien und Afrika. 25 Jahre hindurch war Professor Frankl Vorstand der Wiener neurologischen Poliklinik, und seit ihrer Gründung war er Präsident der Österreichischen Ärztegesellschaft für Psychotherapie. Er starb am 2. September 1997 in Wien.
S. 134
"Psychologie der Lagerwache
Bevor wir uns, nach der Besprechung des Aufnahmeschocks und der Psychologie des eigentlichen Lagerlebens, mit der dritten Phase innerhalb der seelischen Reaktion des Häftlings befassen, nämlich mit der Psychologie des aus dem Lager entlassenen bzw. des befreiten, wollen wir uns nebenher noch mit einer Sonderfrage beschäftigen, die dem Psychologen im allgemeinen und im besonderen demjenigen, der die Dinge auch selber erlebt hat, wiederholt vorgelegt wird: mit der Psychologie der Lagerwache! Wie ist es möglich, dass Menschen aus Fleisch und Blut andern all das antun, was mitgemacht zu haben letztere berichten? Hat einer, der solche Berichte anhört und sie nun einmal wirklich auch glaubt, zur Kenntnis genommen, dass so etwas überhaupt möglich ist, dann fragt er eben, wie es psychologisch möglich sein konnte. Um diese Frage zu beantworten, auch ohne auf sie näher eingehen zu wollen, müssen wir auf folgendes hinweisen:
Erstens gibt es unter den Wachtposten eines Lagers ausgesprochene Sadisten, im strengen klinischen Sinne verstanden. Zweitens wurden die Sadisten eben ausgesucht, wann immer es galt, eine scharfe Bewachungsmannschaft zusammenzustellen.
Zu jener negativen Auslese der Helfershelfer und Henkersknechte, wie sie unter der Masse der Häftlinge, etwa zum Zwecke der Stellung von Capos, stattfand, zu dieser negativen Auslese, von der wir schon sprachen und sagten, sie lasse es verständlich erscheinen, dass oft gerade die brutalen Elemente und egoistischen Individuen überleben konnten, zu dieser negativen Auslese trat im Lager also eine positive Auslese der Sadisten hinzu.
Wenn wir auf dem Arbeitsplatz, bei grimmigem Frost und praktisch ohne rechten Kälteschutz durch Kleidung, im Graben standen und die Erlaubnis hatten, turnusweise – jeder nach je etwa zwei Stunden – uns für einige Minuten zu einem im Freien aufgestellten Korbofen zu stellen, für dessen Beheizung man Zweige oder Holzabfälle verwenden durfte, dann herrschte unter uns allen natürlich große Freude.
Dann gab es aber auch immer wieder einen Vorarbeiter oder Arbeitsführer, dem es einen Genuss bereitete, uns diese Freude eben zu nehmen, und es war nicht schwer, von seinen Gesichtszügen das sadistische Vergnügen abzulesen, mit dem er alles eigenmächtig verbat und den Ofen mitsamt der wunderschönen Holzglut in den Schnee stürzte.
Und wenn jemand der SS nicht zu Gesicht stand, dann hatte sie auch immer einen Mann unter sich, dem sie den Armen überantwortete, weil bekannt war, dass jener ebenso hemmungslos wie in sadistischen Quälereien hoch spezialisiert war.
Drittens wäre zu bemerken, dass ein Großteil der Lagerwache einfach überhaupt abgestumpft war durch die vielen Jahre, in denen sie gleichsam in zunehmender Dosierung Zeugen des ganzen sadistischen Betriebs im Lager geworden waren. Diese abgestumpften und in ihrem Gemütsleben verhärteten Menschen waren es dann hauptsächlich, die wenigstens den Sadismus in eigener Regie ablehnten; aber das war auch alles, denn gegen den Sadismus der andern unternahmen sie natürlich nichts.
Viertens muss aber auch noch folgendes bemerkt werden: Auch unter der Lagerwache gab es Saboteure. Ich will hier nur jenen Lagerführer aus dem Lager, in dem ich zuletzt war und aus dem ich befreit wurde, erwähnen. Er war SS-Mann. Nach der Befreiung des Lagers stellte sich jedoch heraus, wovon bis dahin nur der Lagerarzt (selber ein Häftling) wusste: der Lagerführer hatte aus eigener Tasche nicht geringe Geldbeträge insgeheim hergegeben, um aus der Apotheke des nahem Marktfleckens Medikamente für seine Lagerinsassen besorgen zu lassen!
Die Geschichte hatte ein Nachspiel: Nach der Befreiung versteckten jüdische Häftlinge den SS-Mann vor den amerikanischen Truppen und erklärten deren Kommandanten gegenüber, sie würden ihm den SS-Mann einzig und allein unter der Bedingung ausliefern, dass ihm kein Haar gekrümmt wird. Der amerikanische Truppenkommandant gab ihnen nun sein Offiziersehrenwort, und die jüdischen Häftlinge führten ihm den gewesenen Lagerkommandanten vor. Der Truppenkommandant ernannte den SS-Mann wieder zum Lagerkommandanten – und der SS-Mann organisierte für uns Lebensmittel- und Kleidersammlungen unter der Bevölkerung der umliegenden Dörfer.
Der Lagerälteste eben dieses Lagers jedoch, also ein Häftling, war schärfer als alle SS-Wachen des Lagers zusammen; er schlug die Häftlinge, wann und wo und wie er nur konnte, während beispielsweise der Lagerführer meines Wissens kein einziges Mal die Hand gegen einen „seiner“ Häftlinge erhoben hat.
Daraus ersieht man eines: mit der Kennzeichnung eines Menschen als Angehörigen der Lagerwache oder, umgekehrt, als Lagerhäftling ist nicht das geringste gesagt. Menschliche Güte kann man bei allen Menschen finden, sie findet sich also auch bei der Gruppe, deren pauschale Verurteilung doch gewiss sehr nahe liegt. Es überschneiden sich eben die Grenzen!
So einfach dürfen wir es uns nicht machen, dass wir erklären: die einen sind Engel und die andern sind Teufel. Im Gegenteil: entgegen der allgemeinen Suggestion, die sich im Lagerleben auswirkt, als Wachtposten oder Aufseher den Häftlingen gegenüber menschlich zu sein, ist und bleibt irgendwie eine persönliche und moralische Leistung; andererseits ist die Niedertracht eines Häftlings, der seinen eigenen Leidensgenossen Übles antut, besonders verwerflich. Dass die Charakterlosigkeit eines solchen Menschen die Lagerhäftlinge besonders schmerzt, ist ebenso klar wie andererseits die tiefe Erschütterung, mit der ein Häftling, die geringste Menschlichkeit entgegennimmt, die ihm etwa von einem Wachtposten erwiesen wird. Wenn ich mich z.B. daran erinnere, wie mir ein Vorarbeiter (also ein Nicht-Häftling) eines Tages verstohlen ein kleines Stück Brot reichte - von dem ich wusste, dass er es sich von seiner Frühstücksration abgespart haben musste -, dann erinnere ich mich auch daran, dass es bei weitem nicht dieses Stück Brot als materielles Etwas war, das mich damals buchstäblich zu Tränen rührte; sondern es war das menschliche Etwas, das dieser Mann mir damals gab, und das menschliche Wort sowie der menschliche Blick, der die Gabe begleitete…
Aus all dem können wir lernen: es gibt auf Erden zwei Menschenrassen, aber auch nur diese beiden: die „Rasse“ der anständigen Menschen und die der unanständigen Menschen. Und beide „Rassen“ sind allgemein verbreitet: in alle Gruppen dingen sie ein und sickern sie durch; keine Gruppe besteht ausschließlich aus anständigen und ausschließlich aus unanständigen Menschen, in diesem Sinne ist also keine Gruppe „rassenrein“ – nun, und so gab es den einen oder andern anständigen Kerl eben auch unter der Wachmannschaft!
Das Leben im Konzentrationslager ließ zweifelsohne einen Abgrund in die äußersten Tiefen des Menschen aufbrechen. Soll es uns da wundern, dass in diesen Tiefen auch wieder nur das Menschliche sichtbar wird? Das Menschliche als das, was es ist -, als eine Legierung von gut und böse! Der Riss, der durch alles Menschsein hindurchgeht und zwischen gut und böse scheidet, reicht auch noch bis in die tiefsten Tiefen und wird eben auf dem Grunde auch noch dieses Abgrunds, den das Konzentrationslager darstellt, offenbar.
Wir haben den Menschen kennengelernt wie vielleicht bisher noch keine Generation. Was also ist der Mensch? Er ist das Wesen, das immer entscheidet, was es ist. Er ist das Wesen, das die Gaskammern erfunden hat; aber zugleich ist er auch das Wesen, das in die Gaskammern gegangen ist aufrecht und ein Gebet auf den Lippen."
*Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis*
|
|
nach oben |
|
|
bjk
Beiträge: 7353 Ort: Berlin
|
Erstellt: 27.11.03, 13:26 Betreff: Konzentrationslager - ein Appell an das Gewissen der Welt
drucken
Thema drucken weiterempfehlen
|
|
|
Konzentrationslager
Ein Appell an das Gewissen der Welt
Ein Buch der Greuel Die Opfer klagen an
Dachau – Brandenburg – Papenburg Königstein – Lichtenburg – Colditz Sachsenburg – Moringen – Hohnstein Reichenbach – Sonnenburg
Verlagsanstalt >GRAPHIA<, Karlsbad 1934
- 1 -
Probleme des Sozialismus
Sozialdemokratische Schriftenreihe
Nr. ß Konzentrationslager
Karlsbad: Printed CSR
- 2 –
Fritz Ecker: DIE HÖLLE DACHAU Betrachtungen eines Gemarterten nach sieben Monaten Dachau
„Die nationalsozialistische Diktatur hat Deutschland in Barbarei und Brutalität gestoßen, das deutsche Volk mit tiefster Schmach bedeckt.“ Dieser Satz aus der programmatischen Kundgebung des sozialdemokratischen Parteivorstandes in Prag verdient im Ausland als Warnung vor dem heutigen Deutschland an allen Grenzübergängen angeschlagen zu werden.
Die folgende wahrheitsgetreue Schilderung all der Kulturwidrigkeiten, die ich selbst in neunmonatiger qualvoller Gefangenschaft als politischer Schutzhäftling erlebt habe, wird die Richtigkeit dieses Satzes beweisen. Meine Schilderung ist zwar die Schilderung eines Einzelnen, aber viele Tausende in Deutschland könnten über ähnliche, vielleicht noch grauen- vollere Vorgänge berichten. Ich versichere, auf Ehre und Gewissen, daß ich meine Erlebnisse ohne die geringste Übertreibung darstelle. So schauderhaft sie auch anmuten, nicht einmal alles ist darin enthalten. Manches kenne ich nur aus Schilderungen von Mitgefangenen, vieles andere mitzuteilen ist nicht möglich, weil die Namen der Betroffenen erkannt werden könnten und sie neuen Verfolgungen ausgesetzt würden, wenn ich öffentlich über die an ihnen verübten Greuel berichten wollte.
Keine andre Absicht leitet mich bei meinem Bericht, als mitzuhelfen an der A u f r ü t t e l u n g aller z i v i l i s i e r t e n M e n s c h e n , aufzurufen zum Kampf gegen die mittelalterliche Barbarei im Dritten Reich Adolf Hitlers. Mein heißester Wunsch ist es, durch mein Zeugnis dazu beizutragen, daß den Scheußlichkeiten, die in deutschen Konzentrationslagern und Gefängnissen an w e h r l o s e n und u n s c h u l d i g e n Menschen verübt werden, endlich ein Ende gemacht wird.
Körperliche Misshandlungen kann man darstellen. Ich bin mir aber bewusst, daß keine Schilderung imstande ist, das s e e l i s c h e E m p f i n d e n, das Gefühl der Entehrung gemarterter Menschen wiederzugeben. Stärkste körperliche Schmerzen und das Wissen, daß die erlittenen Misshandlungen lebenslänglich nachwirken werden, steigern diesen seelischen Schmerz. Er ist jedem unvorstellbar, der ihn nicht erlebte.
In Ehren ergraute Familienväter, alte Frontsoldaten, Menschen von hoher Gesittung, Männer die jahrzehntelang für Menschenrechte und ihre Weltanschauung ihr Bestes gaben, müssen sich vor jungen, verrohten Burschen entkleiden, werden über einen Tisch gelegt und dann erbarmungslos geschlagen. Fünfzig, hundert und noch mehr Hiebe auf das nackte Fleisch!
Wer eine solche, im Konzentrationslager Dachau alltägliche Szene, nicht miterlebt und erduldet hat, der kann schwer die seelischen Bedrückungen ermessen, die Gefangene oft der Verzweiflung und dem Wahnsinn nahe brachten. Viele mir persönlich bekannte Mitgefangene sind in wenigen Tagen ergraut.
Auch mir haben nach erlittenen Misshandlungen Mitgefangene erklärt: „Als Du aus dem Folterkeller kamst, warst Du kaum mehr erkenntlich. Du schienst um zehn Jahre gealtert!“ Auch mir sind die Haare an den Schläfen ergraut und die Spuren erlittener Misshandlungen werde ich zeitlebens am Körper tragen.
Unvergeßlich haftet in mir die zugefügte Schmach. Ich habe meinem Vaterland im Weltkrieg viereinhalb Jahre gedient. Das Eiserne Kreuz wurde mir verliehen. Nie in meinem Leben geriet ich mit den Strafgesetzen in Konflikt. Als Führungsvermerk steht in meinen Militärpapieren immer „Sehr gut“. Meine Mitbürger müssten mir für mein Zivilleben dieselbe Note erteilen.
Aber für einen Staatsbürger im Hitler Reich ist tadellose Führung eher ein Makel, denn eine staatsbürgerliche Tugend. Da im heutigen Deutschland die Träger der öffentlichen Gewalt nur zu oft selbst kriminell belastet sind, ist ihnen der ehrenhafte politische Bürger Gegner besonders verhasst. Ohne daß ich mir auch nur die geringste Verfehlung zuschulden kommen ließ, einzig allein deshalb, weil ich mich vor dem 5.März 1933 als Gegner der NSDAP betätigt habe, wurde ich neun Monate lang gefangen gehalten, musste unentgeltlich Zwangsarbeit verrichten und wurde in niederträchtiger Weise beschimpft, misshandelt und mit dem Tode bedroht, dem ich nur durch einen glücklichen Zufall entging.
Und so wie mir, erging, ergeht es in Deutschland Zehntausenden. Hunderte sind gemordet worden, die ebenso wenig >Verbrechen< begangen hatten wie ich. Man hat uns in Konzentrationslager verbracht, man hat Familienväter, die immer rein und ehrlich dastanden, verhaftet und im Angesicht ihrer Kinder als Lumpen und Verbrecher beschimpft und misshandelt. Man ließ die Kinder spüren, daß ihr Vater Verbrecher und staatsfeindliches Subjekt sei.
Die >Moral im Dritten Reich< erforderte es offenbar, daß die >Träger der Staatsgewalt< auch Frauen und Kinder der Inhaftierten peinigen und beschimpfen. Frauen, die bei den Behörden ihres Ortes um die Freilassung ihrer Männer bettelten, wurden gedemütigt und oft mit ordinären Ausdrücken abgefertigt.
„Seien Sie froh, daß Ihr Mann in Dachau ist“ , sagte ein Bürgermeister zu der bittenden Frau eines Gefangenen „da hat er es doch schön, daheim ist er ja auch arbeitslos!“
Auch meine Familie hat während meiner haft entnervende Drangsalierungen erleiden müssen. Immer wieder erschien die Gendarmerie zu Wohnungskontrollen. Man hat meiner Familie nicht einmal die Unterstützung gewährt, auf die sie gesetzlich Anspruch hatte. Mich aber hat man inzwischen im Konzentrationslager beinahe zu Tode geprügelt. Dieser >Dank des Vaterlandes< wurde mir dargebracht von vier jugendlichen Strolchen aus der braunen Armee des Herrn Adolf Hitler. Zu den Kriegsnarben an meinem Körper trage ich jetzt jene barbarischen Verletzungen, die mir im Konzentrationslager zugefügt wurden.
Jene >Volksgenossen< aber, die im Lager Dachau wehrlose Familienväter und alte Frontsoldaten zu Tode oder zu Krüppeln schlugen und schlagen, werden im deutschen Rundfunk, in der nationalsozialistischen Presse und in den Ansprachen der Führer als die >tapferen und getreuen Mannen Hitlers< bezeichnet. So werden heute gemeine Rohheit und erbärmliche Feigheit zur Tugend erhoben und als Tapferkeit dargestellt.
Als Verbreiter >erdichteter Greuelnachrichten< bezeichnet und mit schwersten Strafen belegt wird jeder, der erlittene Drangsalierungen weiter erzählt. Dringt die Wahrheit über die Grenzen des Dritten Reiches, so wird sie durch Propagandisten des Herrn Göbbels als >Greuelhetze der Emigranten< abgetan.
Ein Beispiel: Am Sonntag, dem 22 Oktober 1933, ließ der Kommandant des Konzentrationslagers Dachau, der SS Oberführer E i c k e , die nahezu 2500 Gefangenen des Lagers antreten. Er wetterte vor diesen Gefangenen, die täglich grauenvolle Schandtaten erdulden mussten, gegen die >Schurken<, die im auslande Greuelnachrichten über das Lager Dachau verbreiteten. Eicke gab dann in seiner Ansprache bekannt, daß die Schutzhäftlinge A l t m a n n, D r. K a t z, D r. R o s e n f e l d e r und Willy F r a n z versucht hätten, über Vorkommnisse im Lager, in eine Mütze eingenäht, herauszuschmuggeln.
„Zwei der verhafteten Verräter“ sagte Eicke wörtlich, „sind bereits i n s J e n s e i t s b e f ö r d e r t: der Jude Dr. Katz und sein Helfer Willy Franz. Wir haben noch genug deutsche Eichen, um jeden daran aufzuhängen, der sich uns entgegenstellt. Es gibt keine Greuel und es gibt keinen Tschekakeller in Dachau, Wer Prügel bekommt, erhält sie zu Recht!“
Es fehlte in dieser Ansprache natürlich nicht an Beschimpfungen und Verleumdungen der Gemordeten. Eicke erzählte dann ausführlich, wie die Vier Greuelnachrichten gesammelt haben.
„Der Verräter Altmann“ – so sagte der Kommandant – „hat seine Tätigkeit als Schreiber im Aufnahmeraum dazu benützt, sich jeweils die Namen jener Ankömmlinge zu notieren, die bei der Ankunft im Aufnahmeraum geschlagen wurden. Sein sauberer Helfer Willy Franz hat als Leiter der Lagerpoststelle Zugang zum Gefangenenverzeichnis gehabt und daraus die genauen Personalien der ihm von Altmann Benannten festgestellt. Der Jude Dr. Katz hat als tätiger Arzt im Krankenrevier Aufzeichnungen gemacht über die ins Revier eingelieferten Geprügelten. Der Dr. Rosenfelder, Rechtsanwalt aus Nürnberg, scheint auch nicht ganz unbeteiligt an der Sache zu sein!“
Eicke gab also in seiner Ansprache mit aller Eindeutigkeit die im Lager verübten Greuel zu, er brandmarkte nur jeden als Verräter, der wahre Mitteilungen aus dem L a g e r h e r a u s gelangen lassen wollte. Es gibt tatsächlich keinen besseren Kronzeugen dafür, daß im Lager Dachau geprügelt und gemordet wird, als diesen Kommandanten Eicke!
Als ich in Dachau entlassen wurde und mit anderen zur Entlassung Kommenden den Entlassungsschein in Empfang nahm, schärfte uns der Obersekretär M u t z b a u e r ein: „Der Dr. Katz hat sich selbst erhängt und der Stenzer wurde auf der Flucht erschossen. Dabei bleibt es! Verstanden?“…
Dass im Lager Dachau mit W i s s e n u n d W i l l e n d e r L a g e r l e i t u n g geprügelt wird, beweist auch die Lagerordnung, die den Gefangenen von Zeit zu Zeit immer wieder verlesen wird wie die Kriegsartikel den Soldaten des kaiserlichen Heeres. Diese Lagerordnung enthält als Strafbestimmung auch die Prügelstrafe.
In einem Anschlag zur Reichstagswahl aus der ersten Woche des November 1933 stand am Schluß der bezeichnende Satz. „Wer politisiert, wird kraft revolutionären Rechtes aufgehängt!“
Wenn in den deutschen Konzentrationslagern nichts zu verbergen und alles schön in Ordnung wäre, brauchte man die zur Entlassung kommenden Gefangenen auch nicht nach etwaigen Aufzeichnungen peinlichst zu durchsuchen. Ich musste mich damals, wie alle anderen, völlig entkleiden. Ein SS Mann durchsuchte jedes Kleidungsstück. Hemdkragen und Ärmelaufschläge wurden genauestens befühlt. Dann musste ich mich nackend auf den Tisch stellen. Ein SS Mann untersuchte mir den After auf versteckte Notizen.
Bei den Ansprachen an die zur Entlassung kommenden Gefangenen wurde ihnen immer strengstens eingeschärft, über alle Erlebnisse und Vorkommnisse während ihrer Schutzhaft zu schweigen. Es ist uns wörtlich gesagt worden: „Wer etwas über bestimmte Lagerereignisse erzählt, kommt sofort wieder ins Lager und verlässt es zum zweiten Male nicht mehr lebend!“
So versuchte man die Verbreitung der Wahrheit über deutsche Konzentrationslager zu unterdrücken. Von Zeit zu Zeit gestattete man genehmen Pressevertretern den Lagerbesuch, zeigt ihnen, wie wundervoll es sich in so einem Lager lebt und wie erlogen all die Greuelnachrichten seien, die im Ausland umgehen. Ich habe öfter solche Besucher gesehen und die Art, wie sie informiert werden, beobachtet.
Selbst wenn ein Gefangener unbeobachtet und ungestört mit einem Besucher reden könnte, würde es ihm nie einfallen, sein Leben dadurch zu riskieren, daß er einem Unbekannten, - der auch ein Spitzel oder >Gleichgeschalteter< sein könnte -, etwas über erduldete oder gesehene Greuel erzählte. Und da man den Pressevertretern natürlich die Opfer der regelmäßigen Misshandlungen nicht besonders vorführt, sie auch nur in Begleitung >Zuverlässiger< und nach vorheriger Anmeldung diejenigen Abteilungen des Konzentrationslagers sehen lässt, die man sehen lassen w i l l , so sind diese gelegentlichen Besuche von Journalisten kein Gegenbeweis dafür, daß, wie ich berichten werde, im deutschen Konzentrationslager D a c h a u t ä g l i c h g e p r ü g e l t u n d g e f o l t e r t wird!.
Konzentrationslager Dachau, den 29.Jan.1934 Dachau
E n t l a s s u n g s s c h e i n ====================
Der Schutzgefangene Ecker Fritz
geb. 5.2.92 zu Furth i.W.
war bis zum heutigen Tage im Konzentrationslager Dachau verwahrt. Laut Verfügung der Bayer. Polit. Polizei München wurde die Schutzhaft heute aufgehoben.
Lagerkommandant
Stempel mit Adler und Hakenkreuz: Konzentrationslager Kommandantur Dachau
Unterschrift E i c k e
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
Unsere Baba Yaga hat mir diesen Buchauszug per eMail zugehen lassen. Er hat mich sehr betroffen und nachdenklich gemacht. So unendlich viel Gutes mensch auch tut, so unendlich viele Greueltaten kann mensch auch begehen oder begehen lassen.
Haben die Befehlsempfänger, die Schergen, haben alle Wegseher bei Greueln wirklich weniger Schuld als diejenigen, die sich solche grausigen Exzesse ausdenken und befehlen? - - - Ich fürchte mich, hierauf jetzt eine emotionsfreie Antwort zu geben, sicher geht es vielen so.
Baba wird uns noch weitere Schreckenskapitel aus diesem Buch vorstellen.
bjk sehr sehr nachdenklich
Reife ist schärfer zu trennen und inniger zu verbinden
[editiert: 22.02.04, 10:13 von bjk]
|
|
nach oben |
|
|
|
powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos
Layout © subBlue design
|