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soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 09.02.06, 09:43     Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur

    Zitat: Isquierda
    "Anarchist" ist ein Reizwort, ein Schmähwort, ein Kampfbegriff und wenn wir ehrlich sind, so ist eine "geschmeidige Argumentation durchaus hilfreich.

    :-))

    Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der begriff "Anarchie" meist im öffentlichen Meinungsbild mit "Chaos und Gesetzlosigkeit" gleichgesetzt wird. Die Presse ist voll von Beispielen solch diffamierender Darstellung. Es passiert selten, dass gefragt wird, was "Anarchie" eigentlich ist - aber oft, dass man auf "Anarchisten" trifft, die annehmen alles wäre selbstverständlich und es bräuchte nicht erklärt werden. Natürlich gehen so auch die Vorteile und Ideen den Interessierten verloren: Sie verstehen es einfach nicht und üben sich in Panik vor veränderungen.
    Mit einem Stoßfeuer der Parolen und Reizwörter kann man aber niemanden überzeugen, was man selbst so detailliert durchdacht hat.
Ich habe überlegt, nicht mehr zu antworten, da mir dein Text wie ein Schlusswort geklungen hat und ich keinesfalls das letzte Wort haben will. Da aber hier eine Begründung für deine "anarchistische Basisdemokratie" oder "basisdemokratische Anarchie" rein pragmatischer Natur ist, denke ich doch, darauf reflektieren zu sollen:

1. Es war nie meine Absicht zu behaupten, Anarchie solle nicht vermittelt werden. Oder es gäbe Inhalte der Anarchie, die man aus Selbstverständlichkeit heraus nicht erklären müsse, auf die jeder selbst kommen müsse. Aber ich denke nicht, dass ich mit dieser Idee "hausieren" gehen muss, ja, das hausieren gehen widerspricht meiner Auffassung von Anarchie. Ich werde nicht hingehen und versuchen anderen von meiner Idee des Zusammenlebens zu überzeugen. Ich werde aber sehr wohl hingehen und andere davon überzeugen suchen, mich mein Leben leben zu lassen und mir nichts aufzunötigen. Daraus entsteht die Frage, warum ich das (nicht) will - Antwort: weil die Gesellschaft meiner Freiheit im Weg steht - und daraus die Frage, was statt dessen. Und da kann ich dann schildern, was ist statt dessen mir vorstelle.
Du wirst vielleicht denken, Haarspaltereiunterschiede, da kann man ja gleich zu sagen, was man will. Ich sehe das nicht so. Ich bin kein Missionar, der für was wirbt, ich bin Anarchist, der sich von anderen in seiner Freiheit nicht einschränken lassen will. Es geht hier nicht um die Wahrheit und Anarchie ist Wahrheit und heutige Gesellschaften Falschheit. Anarchie ist Freiheit und hiesige Gesellschaften sind - offener oder subtiler - Unterdrückung. Freiheit ist genauso wahr oder falsch wie Unterdrückung, aber das eine WILL ich, das andere nicht. Was andere wollen spielt so lange keine Rolle für mich, wie mein Wollen dadurch nicht tangiert wird.
Hierbei gilt es noch anzumerken, dass meine Freiheit aber kein Gnadenakt der Gesellschaft sein kann, denn der wäre jederzeit widerrufbar. Es muss eine Sicherheit meiner Freiheit geben und die ist, dass dies kein spezielles "soyfer-Vorrecht" sein kann, sondern sich auf alle Menschen erstreckt, die frei leben wollen. Und daher ist die Freiheit der anderen die Garantie meiner eigenen Freiheit, und daher ist der Kampf auch um die Freiheit der anderen, der Kampf um meine Freiheit.
Daher werde ich nicht mit Selbstverständlichkeiten werben, sondern diese nur darstellen, wenn sich ein anderer für diese Selbstverständlichkeiten interessiert.

2. Du sagst, es sei dir lieber "geschmeidig" zu argumentieren, da man so den Unterstellungen besser aus dem Weg gehen kann. Du selbst aber schreibst, dass sich (z.B.) die Presse gar nicht fragt, was Anarchie eigentlich sei. Damit begründest du, auf Distanz (zumindest agumentativ) zu anderen Anarchisten zu gehen, um "geschmeidiger" zu wirken.
Da muss ich dir widersprechen, das ist kontraproduktiv. Nicht, dass im Rahmen eines Eingehens auf den anderen "Geschmeidigkeit" geübt werden könnte und sollte, aber in der Sache muss man klar und eindeutig sein, damit jeder weiß, von was du sprichts. Denn die Presse und Politik diffamiert ja Anarchisten nicht deshalb, weil sie Herrschaft an sich ablehnen, sondern, weil sie die bestehende Herrschaft ablehnen. Das tun in der heutigen Situation Kommunisten und Basisdemokraten auch, das Bestehende anzulehnen. Und daher werden sie genauso, wie die Anarchisten, diffamiert. Dabei sind die Basisdemokraten als eigenständige politische Richtung allerdings zu wenig sichtbar, und die Attacken gehen eher gegen Anarchisten (Chaos überall) und Kommunisten (Diktatur und Katastrophenwirtschaft). Basisdemoktaten werden meist mit dem ein oder anderen getroffen (weil eben meist keine eigenständige politische Richtung, sondern basisdemokratischer Kommunismus oder so propagiert wird). Die dadurch schwächeren Angriffe der Presse auf die Basisdemokratie sind nicht deshalb, weil die Presse hier unterscheidet, sondern sie in den ein oder anderen Topf wirft.
Ich halte es daher für falsch, als Anarchist die Grenzen zur Basisdemokratie zu verwischen, um dann dort sozusagen "politisches Asyl" zu suchen, weil die "Basisdemokratie" wenn irgendwann mal eigenständig politisch interessant, genauso wenig Schutz vor der Presse bieten kann, wie der "Anarchismus" oder der "Kommunismus" derzeit.

Der Grund, weil die Presse den "Anarchismus" als Chaos geißelt, anarchistische Ideen in basisdemokratischer Tarnkappe zu propagieren, führt nur dazu, derzeit gemeinsame Ideenansätze auseinanderzudividieren (wie auch die hiesige Diskussion zeigte), ohne im Enstfall einen Gewinn daraus ziehen zu können. Und man hat denen, die man für die "Idee" "gewonnen" hat, letztlich mehr Sand in die Augen gestreut, als diese geöffnet.

Das dazu.

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