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soyfer

Beiträge: 205

New PostErstellt: 14.02.06, 11:13     Betreff: Re: Juergen von Manger, Albert Einstein und Rabindranâth Thâkur

Nun, aber gerade bei Kant gibt es neben der "reinen Vernunft" auch die "praktische". Sozusagen die Vernunft der "Notwendigkeiten", der "reinen Logik" - mit ihr ist Kant der philosophische Sinnstifter der Naturwissenschaften - und die "Vernunft des Sollens".
Die reine Vernunft fragt, "Wo ist das Ziel?" und erarbeitet den Weg.
Die praktische Vernunft beschäftigt sich mit der Frage "Was ist das Ziel?". Und mit seinem kategorischen Imperativ hat Kant tatsächlich ein formales System entwickeln wollen, dass unser Sollen determiniert. Dies führte dann aber zu abstrusen Aussagen: du darfst nicht lügen, auch wenn ein Freund sich bei dir versteckt hält und Mörder hinter ihm her sind und dich fragen, wo er denn sei.
Weniger das formale System finde ich daher hier interessant, als letztlich Kants Versuch, die Vernunft zu teilen: in eine "reine" Vernunft, die das Werkzeug des Menschen ist, seine Ziele zu erreichen und
eine "praktische Vernunft", die uns sagt, wo das Ziel liegt.

Ich will den Unterschied zwischen reiner und praktischer Vernunft an einem nicht-naturwissenschaftlichen Beispiel erklären:
Hitler sprach davon, dass sein Antisemitismus keiner "der Gefühle" sein solle, wo hier und da mal ein Progrom stattfindet, aber alles so zerfahren und unstetig sei, dass man einer "Lösung der Judenfrage" letztlich immer noch nicht entgegensehen könne. Er forderte einen ohne Gefühle und Empfindungen, einen, der das Ziel der "Lösung" im Auge behalte, er sprach von einem "Antisemitismus der Vernunft" (in diesem Sinne ist auch Himmlers Zitat des "anständigen" SS-Wächters im Konzentratioslager zu verstehen, der ein - jüdisches - Kind liebevoll bei der Hand nimmt und in die Gaskammer führt).
Hier ist das Ziel vorgegeben und die Vernunft "erarbeitet" (sozusagen) den effektivsten Weg zum Ziel. Das ist die reine Vernunft.
Die praktische Vernunft hingegen würde die Frage bedeutet, "ist Antisemitismus vernünftig?" und zwar nicht im Sinne eines höheren Zieles der reinen Vernunft (Motto: ja, denn wir brauchen dringend einen Sündenbock), sondern im Sinne der Ethik (Motto, dürfen wir denn das?).

Nun hat Hegel letztlich versucht, diese Trennung von praktischer und reiner Vernunft wieder aufzuheben, indem er beide Teile zusammenführen wollte (ich glaube in der Wissenschaft der Logik kommt es vor: Sein Werk seien "die ersten Gedanken Gottes nach der Erschaffung der Welt.")
Die (formale) Logik wiederum versucht diese Trennung dadurch aufzuheben, dass sie entweder der praktischen Vernunft die Logik abspricht (Logik hat mit Wahrheit/Sollen nichts zu tun) oder die Existenz der praktischen Vernunft schlicht leugnet (es gibt keine Wahrheit/kein Sollen).

Hierzu gibt es zweierlei zu bemerken:
1. Die Einheit von praktischer und reiner Vernunft im Sinne Hegels führt zwar zu einer deterministischen Weltsicht, aber die muss keineswegs abstrus sein. Und hegelianisch schon gar nicht (mit dem umherhüpfenden Weltgeist, der nichts anderes ist, als ständige Machtpotenzierung). Hier sei wieder einmal an Spinoza erinnert, der auf seiner deterministischen Betrachtung der Welt im 17. Jahrhundert darlegte: "Warum jeder denken darf, was er will und sagen darf, was er denkt."
Spinoza würde ich bezeichnen als Atheisten (und er gehörte ja keiner Religionsgemeinschaft an, weil die Juden ihn ausgeschlossen hatten und er keiner anderen Religion beigetreten ist), der das aber nicht sagen durfte; und als Anarchisten, der das aber nicht dachte.
2. Auch wenn man aber tatsächlich eine Trennung von praktischer und reiner Vernunft annehmen sollte, so ergibt sich daraus nicht, dass das Sollen nicht auch "logisch" ist, sprich außerhalb der Logik liegt. In dem Fall würde ich sagen, in den Bereichen, in denen es um "reine Vernunft" geht, kann die "Logik" von der "Semantik" getrennt werden, weil das Ziel nicht logisch, sondern beliebig sein kann, die Logik sich mit dem Weg beschäftigt und das geschieht letztlich nur über die Verknüpfungen. In der "praktischen Vernunft" geht das nicht.
Ich würde es auch letztlich anders formulieren:
In der "reinen Vernunft" kann der Logik letztlich ein formaler (und nicht konkreter) INHALT gegeben werden, DENN: auch hier benötigt jedes Symbol einen bestimmten, wenn auch nicht konkretisierbaren Inhalt und wenn er nur der ist: Symbol x ist Platzhalter für irgendeine Aussage, y für irgendeine andere Aussage). Mir war schon klar, dass meine Frage, ob 1+1=2 logisch sei, letztlich die Ebene der Mathematik und nicht die der Logik betrifft. Aber auf der Tastatur sind nun mal die mathematischen, nicht aber die Symbole der Logik und ich wollte das Formalhafte zeigen. Aber du hast die Problematik sehr schön in die Logik übertragen: 1+1=3 ist logisch betrachtet wahr, weil die Zeichenabfolge stimmt. Ob es inhaltlich wahr ist, ist eine Frage der Mathematik.
112+= ist logisch betrachtet "falsch", weil die Zeichenabfolge nicht stimmt. Aber wie stellt man fest, ob die logische Struktur richtig (oder wahr) ist oder falsch? Indem jedes Symbol einen Inhalt in sich trägt. Du kannst nur dann feststellen, dass 1+1=3 eine richtige Reihenfolge ist, weil 1 einen bestimmten aber nicht konkreten Inhalt hat, 3 auch, + und = haben dann auch noch einen konkreten Inhalt. Erst mit diesen vier Inhalten kann die Logik feststellen, der Satz ist formal "korrekt", der Satz 112+= ist formal "falsch". Somit ist zwar die Logik von dem konkreten Inhalt abgekoppelt, aber benötigt dennoch eines formalen, abstrakten Inhaltes.
Der Unterschied zur "praktischen Vernunft" ist jedoch, dass sich die praktische Vernunft nicht einmal vom konkreten Inhalt lösen läßt, weil sie das Ziel untersucht und diese Untersuchung ist immer konkret. Und angesichts von Personen, wie Spinoza, werde ich der praktischen Vernunft nicht ihren logischen Gehalt absprechen lassen, der genauso Teil des Inhalts, wie der Form ist.

Und wenn mir nun Menschen vorwefen, dass das Esoterik ist, dann antworte ich ihnen, sie sprechen von Sachen, von denen sie keine Ahnung haben. Denn gerade die Esoterik verzichtet gänzlich darauf, das Ziel logisch zu untersuchen, sondern setzen es als "göttlichen Willen". Auf ihre eingenen inhaltlich-logischen Unsinnigkeiten kommen diese "Religiösen" nicht einmal. Auch das hat Spinoza mal festgehalten: da beten die Christen in Kirchen, dass bestimmtes nicht Eintreffen soll, z.B. an einer Krankheit sterben usw. (und in katholischen Ländern findet mal überall sogenannte Pestsäulen, die eine Einlösung einer Gegenleistung an Gott sind, aus Dank für das Überleben der Pest). Andererseits geben sie Gott das Attribut allwissend. Wenn nun Gott allwissend ist, dann wusste Gott auch lange bevor der Mensch krank wurde, dass er das wird und ob er daran sterben wird. Das steht schon fest. Und da Gott allwissend ist, kann er sich logischerweise nicht umentscheiden, denn auch das hätte er schon vorher gewußt. Ergo ist "Gott umstimmen zu wollen" letztlich die Negation von Gottes Allwissendheit.

Der Anspruch, die praktische Vernunft, d.h. die Ziele durch logische Überlegungen zu ergründen, das ist das Gegenteil von Esoterik, weil Ersoterik Hinterfragen verbietet und durch Gedankensperren verhindert. Und wenn man aber die reine Vernunft einfach auf die praktische überträgt, dann macht man genau das "Hinterfragen verbieten und verhindern". Praktische Vernunft ist aber genau das Hinterfragen, Ergründen.

Die Logik auf die reine Vernunft beschränken und der praktischen Vernunft abzusprechen, das wiederum heißt letztlich, das Zusammenleben der Menschen der Beliebigkeit preisgeben. Das ist aber nicht beliebig, weil wir alle leben wollen, ein schönes Leben führen wollen, nicht leiden wollen. DAS IST (jedem einzelnen) MIR NICHT BELIEBIG. Und es gibt logische Gründe, warum man auf diese und jene Weise das Leben für alle angenehmer und auf jene schrecklicher wird. Es gibt einen Grund, warum Ludwig XV. sagte "nach mir die Sindtflut" und seine Handlungen so zur Hinrichtung seines Sohnes Ludwigs XVI. führten.

Man kann diese Zusammenhänge anders nennen, als Logik. Aber macht das Sinn?

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