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Baba Yaga


New PostErstellt: 19.11.03, 21:40     Betreff: Re: SKANDAL: Welttechnologiepreis für Ethik an Peter Singer

Hallo, Ralf, Anja und BJK!

Ich versuche mich "schlau" zu machen und zu informieren, worum es bei Peter Singers Thesen geht, denn ich möchte an die Award-Verleiher eine Protestnote verschicken.

Hier aber möchte ich eine Rezension zu dessen Buch "Praktische Ethik"
einstellen:

Lebenswertes und weniger lebenswertes Leben?
Axel W. Bauer (Uni-Heidelberg)
liest Peter Singers "Praktische Ethik"

Vorbemerkung

Wenn man die präferenzutilitaristischen Auffassungen des seit 1999 an der Princeton University in New Jersey (USA) lehrenden australischen Bioethikers Peter Singer zur Frage des Lebensrechts kritisiert, hört man von dessen Anhängern nicht selten den Vorwurf:
"Man muß die Texte von Peter Singer erst einmal vorurteilsfrei lesen, bevor man über sie urteilt".

Das ist zweifellos ein stichhaltiges Argument. Also habe ich Peter Singers Buch Praktische Ethik (1979), Reclam Verlag Stuttgart, 2. Auflage 1994, sorgfältig von der ersten bis zur letzten Seite studiert.

Im Folgenden bringe ich nun einige Auszüge aus diesem Werk; lediglich eines der Zitate stammt aus Singers Aufsatz Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung (1989).

Hier möchte ich zunächst meinen persönlichen Eindruck nach der Lektüre schildern:

Das Buch Praktische Ethik erscheint mir als ein raffiniert konzipiertes, suggestives rhetorisches Gesamtkunstwerk, das auf einer nur scheinbar logischen, allmählichen Eskalation von hypothetischen Argumenten basiert.
Es enthält eine Fülle unscharf definierter Begriffe sowie zahlreiche - durch polyseme Bedeutungsnuancen in unterschiedlichen Kontexten erzeugte - Abduktionsschlüsse ohne apodiktische Beweiskraft.
Es ist offenbar auch kein Zufall, daß das Buch mit dem Tierschutz beginnt und mit der Frage der Tötung menschlichen Lebens endet.
Es handelt sich dabei weniger um ein slippery slope, also um eine schiefe Ebene der Argumentation, sondern vielmehr um ein dirty slope, eine logisch unsaubere Beweiskette.

Axel W. Bauer

Hier sind nun einige Auszüge aus Peter Singer: "Praktische Ethik" (1979), Reclam Verlag, Stuttgart, 2. Auflage 1994.

Die Bemerkungen in Kursivschrift sind Kommentare und Erläuterungen von Axel W. Bauer.
Auch die durch Unterstreichen markierten Hervorhebungen im Text stammen von mir und nicht von Peter Singer.


Zitat 1:

Indem ich akzeptiere, daß moralische Urteile von einem universalen Standpunkt aus getroffen werden müssen, akzeptiere ich, daß meine eigenen Interessen nicht einfach deshalb, weil sie meine Interessen sind, mehr zählen als die Interessen von irgend jemand anderem. Daher muß, wenn ich moralisch denke, mein ganz natürliches Bestreben, daß für meine Interessen gesorgt wird, ausgedehnt werden auf die Interessen anderer.
>... Anstelle meiner eigenen Interessen habe ich nun die Interessen aller zu berücksichtigen, die von meiner Entscheidung betroffen sind. ...
Die utilitaristische Position ist eine minimale, eine erste Grundlage, zu der wir gelangen, indem wir den vom Eigeninteresse geleiteten Entscheidungsprozeß universalisieren.
(S.29-31)



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Es folgt eine Ablehnung des Sexismus, des Rassismus sowie des von Singer so bezeichneten "Speziesismus" , also der nach seiner Meinung ungerechtfertigten Beschränkung ethischer Güterabwägungen auf Angehörige der biologischen Spezies "Homo sapiens". (Der Terminus "Speziesismus" stammt übrigens aus einem 1970 von Richard D. Ryder privat gedruckten Flugblatt.) Im folgenden Text nimmt Peter Singer Bezug auf den Erfinder des Klassischen Utilitarismus, Jeremy Bentham (1748-1832) :

Zitat 2:

Bentham [zeichnet] die Fähigkeit zu leiden als jene entscheidende Eigenschaft aus, die einem Lebewesen Anspruch auf gleiche Interessenabwägung verleiht. Die Fähigkeit zu leiden oder genauer, zu leiden und/oder sich zu freuen oder glücklich zu sein ist nicht einfach eine weitere Fähigkeit wie die Sprachfähigkeit oder die Befähigung zu höherer Mathematik.
... Die Fähigkeit zu leiden und sich zu freuen ist vielmehr eine Grundvoraussetzung dafür, überhaupt Interessen haben zu können, eine Bedingung, die erfüllt sein muß, bevor wir überhaupt sinnvoll von Interessen sprechen können. ...
Ein Stein hat keine Interessen, weil er nicht leiden kann. Nichts, das wir ihm zufügen können, würde in irgendeiner Weise auf sein Wohlergehen Einfluß haben. Eine Maus dagegen hat ein Interesse daran, nicht gequält zu werden, weil sie dabei leiden wird.

Wenn ein Wesen leidet, kann es keine moralische Rechtfertigung dafür geben, sich zu weigern, dieses Leiden zu berücksichtigen. Es kommt nicht auf die Natur des Wesens an. Ist ein Wesen nicht leidensfähig oder nicht fähig, Freude oder Glück zu erfahren, dann gibt es nichts zu berücksichtigen. Deshalb ist die Grenze der Empfindungsfähigkeit die einzig vertretbare Grenze für die Rücksichtnahme auf die Interessen anderer.
(S.84-85)



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Zitat 3:

Normale erwachsene Menschen haben geistige Fähigkeiten, derentwegen sie unter gewissen Umständen mehr leiden als Tiere.
... Was dieses Argument betrifft, so gehören nichtmenschliche Lebewesen, Säuglinge und schwer geistig behinderte Menschen zur selben Kategorie;
und wenn wir uns dieses Arguments bedienen, um Experimente an nichtmenschlichen Lebewesen zu rechtfertigen, so müssen wir uns selbst fragen, ob wir bereit sind, Experimente an Säuglingen und schwer geistig behinderten Menschen zuzulassen. Wenn wir einen Unterschied zwischen Tieren und diesen Menschen machen, so ist das nur möglich, weil wir die Angehörigen unserer eigenen Spezies in moralisch unvertretbarer Weise bevorzugen.
(S.87-88)



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Zitat 4:

[Der protestantische Theologe Joseph] Fletcher hat eine Liste mit "Indikatoren des Menschseins" aufgestellt, die folgendes umfaßt: Selbstbewußtsein, Selbstkontrolle, Sinn für Zukunft, Sinn für Vergangenheit, die Fähigkeit, mit anderen Beziehungen zu knüpfen, sich um andere zu kümmern, Kommunikation und Neugier.
Diese Bedeutung des Begriffs haben wir vor Augen, wenn wir von jemand sagen, er sei ein "wirklich menschliches Wesen" oder zeige "wahrhaft menschliche Eigenschaften". Damit meinen wir natürlich nicht, daß die Person der Spezies Homo sapiens angehört, was eine biologische Tatsache ist und kaum in Zweifel gezogen wird; wir implizieren vielmehr, daß menschliche Wesen gewisse charakteristische Eigenschaften besitzen und daß daher die betreffende Person sie in einem hohen Maße besitzt.
... Dem Leben eines Wesens bloß deshalb den Vorzug zu geben, weil das Lebewesen unserer Spezies angehört, würde uns in dieselbe Position bringen wie die Rassisten, die denen den Vorzug geben, die zu ihrer Rasse gehören. (S.118-119;121)



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Zitat 5:

Unsere heutige Haltung geht auf das Christentum zurück. Es gab eine spezifisch theologische Motivation für die Christen, die Wichtigkeit der Zugehörigkeit zur Spezies zu propagieren; es war der Glaube, alle von menschlichen Eltern Geborenen seien unsterblich und zu ewiger Seligkeit oder immerwährender Qual vorherbestimmt. Mit diesem Glauben bekam das Töten eines Homo sapiens eine schreckliche Tragweite, weil dadurch ein Wesen seinem ewigen Schicksal überliefert wurde. ...

... Tötet man eine Schnecke oder einen 24 Stunden alten Säugling, so vereitelt man keine Wünsche ..., weil Schnecken und Neugeborene unfähig sind, solche Wünsche zu haben.
(S.122-123)



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Zitat 6:

Weit davon entfernt, sich für jedes Leben einzusetzen,
... zeigen diejenigen, die gegen Abtreibung protestieren, jedoch regelmäßig das Fleisch von Hühnern, Schweinen und Kälbern verspeisen, nur ein vordergründiges Interesse am Leben von Wesen, die zu unserer Spezies gehören. Denn bei jedem fairen Vergleich moralisch relevanter Eigenschaften wie Rationalität, Selbstbewußtsein, Bewußtsein, Autonomie, Lust und Schmerzempfindung und so weiter haben das Kalb, das Schwein und das viel verspottete Huhn einen guten Vorsprung vor dem Fötus in jedem Stadium der Schwangerschaft und wenn wir einen weniger als drei Monate alten Fötus nehmen, so würde sogar ein Fisch, ja eine Garnele mehr Anzeichen von Bewußtsein zeigen.

Ich schlage daher vor, dem Leben eines Fötus keinen größeren Wert zuzubilligen als dem Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens auf einer ähnlichen Stufe der Rationalität, des Selbstbewußtseins, der Wahrnehmungsfähigkeit, der Sensibilität etc. Da kein Fötus eine Person ist, hat kein Fötus denselben Anspruch auf Leben wie eine Person. Ferner ist es sehr unwahrscheinlich, daß Föten von weniger als achtzehn Wochen überhaupt fähig sind, etwas zu empfinden, weil ihr Nervensystem allem Anschein nach noch nicht genug entwickelt ist.
Wenn das so ist, dann beendet eine Abtreibung bis zu diesem Datum eine Existenz, die überhaupt keinen Wert an sich hat.
(Peter Singer: Schwangerschaftsabbruch und ethische Güterabwägung, in: Hans-Martin Sass (Hrsg.), Medizin und Ethik. Stuttgart 1989/1994. S.139-159. Zitat S.154-155)



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Nun folgt die Demonstration des rhetorischen unseriösen Gebrauchs eines polysemen (mehrdeutigen) Terminus, nämlich des Wortes "lebenswert" durch Peter Singer, der damit gleichzeitig die Gruppe der Contergan-Geschädigten verhöhnt: Singer nimmt eine assoziative Identifizierung von intrasubjektiver ("wahrscheinlich irgendwie schlechter") und objektivierender Bedeutung ("weniger lebenswert") dieses prekären Terminus vor. Die intrasubjektive Bedeutung entspricht dabei der persönlichen Sicht der Betroffenen, die eine geminderte "Lebensqualität" zu beklagen haben. Die objektivierende Bedeutung gibt jedoch die Perspektive eines außenstehenden Beobachters wieder, der aus der geminderten subjektiven "Lebensqualität" einen geringeren sozialen Wert des Lebens von Behinderten mithilfe eines logisch unzulässigen deduktiven naturalistischen Fehlschlusses ableitet. Das aber ist das pseudowissenschaftliche Verfahren des Sozialdarwinismus und des nationalsozialistischen Rassismus.

Zitat 7:

Man mag immer noch einwenden, daß es unrecht sei, einen [geschädigten] Fötus oder ein [geschädigtes] Neugeborenes [durch einen gesunden Fötus bzw. durch ein gesundes Neugeborenes] zu ersetzen, weil dadurch heute lebenden Behinderten suggeriert wird, ihr Leben sei weniger lebenswert als das Leben derer, die nicht behindert sind. Wer leugnet, daß dies im Durchschnitt gesehen so ist, verkennt die Realität. Nur so geben Handlungen, die wir alle für selbstverständlich halten, einen Sinn. Man erinnere sich an den Contergan-Fall: Von Schwangeren eingenommen, war dieses Mittel die Ursache dafür, daß viele Kinder ohne Arme oder Beine geboren wurden. Als die Ursache für diese anormalen Geburten erkannt war, wurde das Mittel vom Markt genommen, und die verantwortliche Firma mußte Schadenersatz leisten. Wären wir wirklich der Überzeugung, daß es keinen Grund gibt anzunehmen, daß das Leben einer behinderten Person
wahrscheinlich irgendwie schlechter
ist als das einer normalen Person, dann hätten wir das damals nicht als Tragödie empfunden. Schadenersatz wäre weder gefordert noch von den Gerichten verhängt worden. Die Kinder wären eben bloß "anders" gewesen.
(S.241)



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Zitat 8:

Würden behinderte Neugeborene bis etwa einen Woche oder einen Monat nach der Geburt nicht als Wesen betrachtet, die ein Recht auf Leben haben,
dann wären die Eltern in der Lage, in gemeinsamer Beratung mit dem Arzt und auf viel breiterer Wissensgrundlage in bezug auf den Gesundheitszustand des Kindes, als dies vor der Geburt möglich ist, ihre Entscheidung zu treffen.
(S.243)



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Zitat 9:

Wir bezweifeln nicht, daß es richtig ist, ein schwerverletztes oder krankes Tier zu erschießen,
wenn es Schmerzen hat und seine Chance auf Genesung gering ist. "Der Natur ihren Lauf lassen", ihm eine Behandlung vorzuenthalten, aber sich zu weigern, es zu töten, wäre offensichtlich unrecht. Nur unser unangebrachter Respekt vor der Lehre von der Heiligkeit des menschlichen Lebens hindert uns daran, zu erkennen,
daß das, was bei einem Pferd offensichtlich unrecht ist, ebenso unrecht ist, wenn wir es mit einem behinderten Säugling zu tun haben. (S.271)

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Das soll erst einmal zur Meinungsfindung und zur Einschätzung dienen, wenn ich weitere Infos zu diesem Singer habe, werde ich Sie hier einstellen und ich ersuche die community eine evtl. schriftliche Kritik an das WTN (klingt fast wie WTO oder WHO usw. ist aber eine private Institution und nennt sich World Technology Network) mit Rat und Hinweisen zu unterstützen!

Gute Nacht
Baba Yaga


[editiert: 19.11.03, 21:43 von Baba Yaga]
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