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Megabjörnie
Beiträge: 5
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Erstellt: 02.05.11, 00:55 Betreff: Re: EINE WELT OHNE GEFÄNGNISSE |
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Zunächst mal eine kleine Rechenaufgabe: Wenn du jeden meiner Sätze mit drei eigenen Sätzen kommentierst und ich dann jeden deiner Sätze mit drei von meinen, wie viele Posts braucht es, bis einer 1000 DIN A-4-Seiten lang wird?
Mal im Ernst: Das geht so nicht. Ich versuche einen kohärenten Gedankengang aufzubauen, und dem kannst du kaum gerecht werden, wenn du dir jeden Satz einzeln rauspflückst. Wenn ich zum Beispiel von „Gewalt“ rede, dann meine ich natürlich nur die, die einem Menschen wissentlich zugefügt wird. Du gebrauchst den Begriff „Gewalttäter“ auch in einem moralischen Sinn. Was soll dann also das Geschwafel um die Definition? Der Kontext geht bei deiner Antwort völlig verloren. Mir ging es zum Beispiel bei dem Mensch-Natur-Verhältnis darum, ob du den Unterschied zwischen einem moralischen Imperativ und einem persönlichen Verhaltenskodex anerkennst. Und in der Antwort erkenne ich dazu irgendwie keinen zusammenhängenden Gedankengang. Obwohl, eigentlich gilt das auch für die anderen Antwort-Bruchstücke. Und bei deiner Methodik könnte es auch gar nicht anders sein.
Und versetz dich mal in folgende Position: Du führst eine Gesellschafts-Diskussion mit jemandem, der dir die ganze Zeit nur Bibelzitate vor die Füße wirft nach dem Motto: „Ich habe deine Gedanken mit meinen Lehren abgeglichen und sie stimmen nicht überein. Also müssen sie wohl falsch sein.“ Marxistische Lehrsätze zu servieren ist wohl kaum ein Ansatz für eine Diskussion, die auf Erkenntnisgewinn aus ist. Du kannst davon ausgehen, dass ich diese Lehrsätze selbst kenne. Ich würde auch nicht mit einem Kreationisten über die Evolutionstheorie diskutieren wollen. Eine Diskussion macht nur dann Sinn, wenn beide in der Lage sind, ihre eigenen Standpunkte von außen zu betrachten und zu analysieren, anstatt sich gegenseitig Lehrstunden in ihrem Dogmatismus zu geben.
Ich komme nicht umhin, etwas mehr geistigen Einsatz von dir zu fordern: Lies dir erst meinen Beitrag durch und filtere den zentralen Gedankengang heraus. Dann lass dir diesen Gedankengang durch den Kopf gehen und überlege dir eine Antwort mit einem eigenen kohärenten Gedankengang, die sich auf meinen Beitrag bezieht. Und dabei zählt für mich nur eines: Logische Beweisführung. Schwafelei kriegt ab jetzt keine Antwort mehr. Schlüsselsätze oder nicht ganz verstandene Abschnitte zu zitieren ist erlaubt, solange es für deinen Gedankengang wichtig ist.
Ein Schlüsselsatz von dir in Bezug auf die Denkmuster in deinen Beiträgen ist, denke ich:
„Die Ansichten darüber, was richtig und fasch ist, sind aber von der E§ntwicklungsstufe der Technik und des Wissens abhängig. Mit Marx: Auf der ökonomischen Basis erhebt sich ein gesellschaftlicher Überbau, der den ökonomischen Verhältnissen den entsprechenden gesellschaftlichen Rahmen gibt.“
Na ja, nicht ganz. Marx bezog sich eher auf die Organisationsform des Wirtschaftens. Darum geht es mir aber überhaupt nicht. Es bilden sich viele Wertvorstellungen heraus, die das Gesellschaftssystem stabilisieren. Um ein modernes Beispiel zu nehmen, die „Arbeit“ ist erst im Laufe der Kapitalisierung unserer Gesellschaft zur moralischen Kategorie geworden. Folglich ist es „falsch“, faul herumzuhängen, und „richtig“, zu arbeiten, auch wenn man sich in der Fabrik totschuftet. Im Mittelalter hätte Faulheit kaum jemanden gestört, jedenfalls nicht in derselben Weise. Aber es ging mir nie um durch gesellschaftliche Prägung entwickelte subjektive Ansichten, sondern die Frage, ob es durch alle kulturelle Veränderungen hindurch eine Wahrheit existiert, die im Hintergrund immer bestehen bleibt. Du brauchst eine solche Wahrheit dringender, als du glaubst. Wenn du die Gesellschaft mit Gewalt verändern willst, schließt das Mord mit ein, sollte sich jemand zu heftig dagegen wehren. Willst du das so rechtfertigen wie der Inquisitor die Hexenverbrennungen, subjektiv, mit nichts als deinen Glaubensvorstellungen im Rücken? Wenn du damit leben kannst, okay, aber bedenke eines: Wenn du dir das Recht herausnimmst, jemanden umzubringen, der dich nicht körperlich angegriffen hat, darf der dich dann nicht auch in Notwehr töten? Du musst dich fragen: „Stehe ich für ein moralisches Ziel ein, und wenn ja, wie beweise ich, dass ich im Recht bin?“ Die Beweisführung ist das, was jemanden, der ein moralisches Ziel verfolgt, von einem ideologischen Schwätzer unterscheidet.
Der von „Entwicklungsstufen“ abhängige Moralbegriff verleitet zu zwei gefährlichen Fehlschlüssen. Erstens: „Das haben wir schon hinter uns, das kommt nicht wieder“. Praktiken, die wir als „Barbarei“ bezeichnen, können sehr wohl immer wiederkehren. Das letzte Jahrhundert war erfüllt von ziemlich grellen Beispielen. Mache dir mal über eine Frage Gedanken: Warum wurde die Verstümmelung abgeschafft, und was macht dich so sicher, dass sie nicht wieder eingeführt wird? Zweitens: „Ich stehe auf der höchsten Stufe, die es zur Zeit gibt, und das macht mich allen überlegen, die noch nicht dort angekommen sind.“ Dieser arrogante Blick auf „weniger entwickelte“ Gesellschaften, dieses trügerische Überlegenheitsgefühl läuft jedem egalitären Anspruch zuwider. Ich widerspreche damit übrigens keineswegs dem materialistischen Denkansatz. Deine Antworten deuten alle darauf hin, dass du das Bedürfnis verspürst, diesen Ansatz verteidigen zu wollen. Das ist aber nicht nötig. Ich selbst würde mir bei gesellschaftlichen Fehlentwicklungen immer die Bedingungen anschauen, die diese ausgelöst haben. Aber wenn ich frage: „Woher weiß ich, dass es sich um eine Fehlentwicklung handelt?“, dann nehme ich nicht die Warte meiner gesellschaftlichen „Entwicklungsstufe“ ein, sondern urteile nach Logik, und die ist wie die Mathematik unabhängig von Gesellschaftssystemen. Eine Denkaufgabe zur Illustration: Wenn du moralisch von der Warte der Entwicklungsstufe urteilst, wie kannst du dann den Kapitalismus verurteilen, wo doch alle allgemein akzeptierten Wertvorstellungen auf das System zugeschnitten sind?
„Dann müsstest Du zunächst mal den Begriff "Willkür" definieren, weil Du ihn offensichtlich in einem anderen Sinn verwendest, als ich ihn verstehe.“
Stimmt, das ist ein wichtiger Punkt. Wobei du allerdings nicht gesagt hast, wie du ihn nun eigentlich verstehst. Sonst könnte ich den Unterschied in unseren Definitionen herausstellen. Willkür bedeutet für mich: Handeln ohne moralische Grundlage. Ein Beispiel: Drei Revolutionäre haben sich verbündet, um den Kapitalismus zu stürzen. Der erste will einen computergestützten Staatssozialismus, in dem jeder so viel bekommt, wie seine Arbeitsstunden „wert“ sind, nach Berechnungen, wie sie nur mit modernster Technik angestellt werden können. Der zweite ist für die wertkritische Variante, dezentrale Planung, Subsistenzwirtschaft in großem Maßstab usw. Der dritte will auf jeden Fall eine radikale Öko-Zivilisation, auch wenn die Bedürfnisse der Menschen zugunsten „der Natur“ zurückgesteckt werden müssen. Die drei sind Konkurrenten, aber sie haben eines gemeinsam: Sie glauben, jeweils für das beste Modell einzustehen. Und wenn sie auf ihrem jeweiligen Standpunkt beharren und keine Kompromisse eingehen, setzt sich derjenige durch, der am meisten Gewalt mobilisieren kann. Warum ist das so? Ganz einfach, weil sich keines der Modelle zwingend logisch aus der moralischen Ablehnung des bestehenden Herrschaftssystems ergibt. Ich kann aus verschiedensten Gründen etwas gegen jedes dieser Modelle haben, und da sie nicht herrschaftsfrei durchgesetzt werden können, kann ich auch nur mit Gewalt etwas dagegen tun. Ich kann auch aus verschiedensten Gründen für eines von ihnen sein, aber wenn ich nicht akzeptieren kann, dass es auch andere Vorstellungen gibt, bleibt mir nur die Gewalt. Deshalb bleibt dem, wer immer sich durchsetzt, nur, ein Herrschaftssystem durch ein anderes zu ersetzen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass es einen riesigen Unterschied zwischen dem „Sinn“ einer politischen Idee und deren logischen Konsequenzen gibt. Gehen wir in der Diskussion noch mal ein paar Schritte zurück: Als ich den Gedanken der „Vergesellschaftung“ auseinander nahm und die logischen Konsequenzen analysierte ( „Alles gehört allen“ ), bezogen sich deine Antworten wirklich auf die Logik meiner Argumente und versuchten sie zu widerlegen, oder gingen sie vielleicht an der Sache vorbei?
„Komm mal von deinem hohen Ross runter, die menschliche Gesellschaft ist nicht das Mass aller Dinge. Es geht allein darum, die Menschliche Gesellschaft in Einklang mit dem Rest der Natur zu bringen. Wenn wir denn intelligent sind, wie wir ja von uns behaupten, dann sollte das doch eigentlich kein Problem für uns sein.“
Selbstverständlich ist das ein Problem. Was du hier anpeilst, ist ein allumfassender moralischer Bezug zur Natur. Die Idee hat Charme. Man überwindet die Trennung zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Nur geht das logisch nun einmal nicht. Moral basiert auf dem Selbsterhaltungstrieb. Der Selbsterhaltungstrieb bringt uns dazu, soziale Wesen zu sein, denn das erhöht die Überlebenschancen. Soziale Wesen definieren moralische Parameter: Wenn du diese Grenze überschreitest, reagiere ich mit Gewalt. Wenn du es nicht tust, bleibe ich friedlich. Das Minimum an Grenzen sind die Rechte, die ich logisch aus dem Selbsterhaltungstrieb ableiten kann. Die Natur an sich basiert nicht auf Moral. Der Hase muss sein Leben aushauchen, um dem Wolf als Nahrung zu dienen, und das läuft dem Selbsterhaltungstrieb zuwider. Kein einziges Lebewesen auf der Welt hat ein Interesse daran, harmonisch in einem System zu funktionieren, das auf Fressen und Gefressenwerden basiert. Es will selbst überleben, und dadurch entsteht durch Zufall und statistische Wahrscheinlichkeit ökologisches Gleichgewicht. Ergo habe ich auch keinen Ansatzpunkt, wie ich ein harmonisches Verhältnis zur Natur definieren kann. An welchem Punkt muss ich meine Bedürfnisse zurücknehmen, um der Natur keinen Schaden zuzufügen? Ich kann wohl versuchen, so rücksichtsvoll wie möglich vorzugehen, aber soll ich eine Missernte riskieren, indem ich auf Pflanzenschutzmittel gegen eine drohende Insektenplage verzichte? Ja, natürlich, du würdest es vielleicht, aber denke auch mal daran, dass die anderen das vielleicht nicht wollen. Du kannst keinen moralischen Imperativ formulieren, der dem Selbsterhaltungstrieb zuwiderläuft, weil das logisch keinen Sinn macht. Den könnte nämlich jeder ignorieren. Demzufolge bleiben solche Dinge eine Sache persönlicher Entscheidung und haben in einer politischen Diskussion nichts verloren. Es ist in Ordnung, sein Leben nicht höher zu bewerten als das eines Insekts, aber du kannst wohl kaum mit extremer Gewalt einschreiten, wenn jemand eines totschlagen will. Es ist eben doch was anderes, als wenn ein Mensch angegriffen wird. Zwei Moralitäten, wie ich oben schon sagte.
Wenn du etwas dagegen einzuwenden hast, verlange ich logische Beweisführung, keine Schlangenbeschwörer- und Hundeflüsterergeschichten. Das heißt, du musst die logische Möglichkeit nachweisen, den Menschen zur Harmonie mit allen Wesen zu verpflichten, anstatt es ihm nur nahe zu legen.
Der einzige Grund, warum ich überhaupt darauf eingegangen bin, war deine Behauptung, es könne kein Landeigentum geben, weil die ganzen anderen Lebewesen ja auch da seien. Mal davon abgesehen, aus welchen Gründen du einen Eigentümer enteignen willst ( witzig, sich vorzustellen, wie du ihm sagst: „Sorry, die Igel und Würmer haben auch ein Recht drauf, und nur deswegen nehme ich es dir weg – ganz ehrlich.“ ), überlege mal Folgendes: Angenommen, wir klammern den Öko-Faktor aus – könnte ich dann ein exklusives, persönliches Nutzungsrecht ( also Eigentum ) auf ein Stück Land beanspruchen, das ich besiedeln will? Du hast selbst gesagt, ich könnte es, wenn ich als Erster da war. Bist du sicher, dass du diese Ansicht vertreten willst?
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