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Autor Beitrag
bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 28.01.06, 07:55     Betreff:  Re: Anarchisten sind Demokraten!




    Zitat: soyfer
    Zu Pejder: Anders als bjk stimme ich deiner Kritik über weite Teile zu (besonders, wenn ich sie mit der meinen an Ines identisch ansehe).
... wie charmant, lieber soyfer, Du doch pejders deftig heftigen Verriß in sachlich gerechtfertigte Kritik ummünzt
... hmm, zunächst mal wäre der Begriff Kritik und was sich damit verbindet zu klären, denn die deutsche Sprache ist ja enorm ausdrucks- und deutungsreich und deshalb oft leicht mißverständlich. Ich nämlich verstehe hier unter Kritik, insbesondere auf diesen Thread bezogen, einen sachlich gerechtfertigten aber scharf gegensätzlichen Standpunkt. Also ich hatte bisher nicht den Eindruck, daß Du zu Ines Ausführungen in besonders scharfem Gegensatz stündest ...
... und stellst Du pejders "Ausführungen" wirklich auf die gleiche Ebene wie Deine "Kritik" an Ines Wortwahl?- Na siehste ...


    Zitat: soyfer
    Und diese Kritik an ihr trifft zunächst mal ihr Festhalten an bestimmten Begriffen wie "(Basis-)Demokratie", Hierarchie, oder aber "Befugnisse" und ähnliches mehr. All das sind Worte, da denke ich an viel, nicht jedoch an Anarchie.
... hmm, grummel grummel, - ich denk da wie Radio Eriwan: im Prinzip ist es richtig, in einer Diskussion klare unmißverständliche Begriffe zu gebrauchen ...
... aaaber ist in einer lebendig konstruktiven Diskussion eigentlich eher ausgefeilte Sprachvirtuosität als Markenzeichen einer Anarchiedebatte gefragt oder die eigene Meinungsäußerung an sich - ruhig auch mit, warum auch immer, im Kontext zu Anarchie möglicherweise mißverständlichen Begriffen?
... tragen nicht gerade letztere zu einem lebendig konstruktiven Meinungsaustausch bei, so dieser denn in einer sachlich-freundlichen Atmosphäre und in gegenseitigem Respekt erfolgt?


    Zitat: soyfer
    Nun ist Chomsky ja eine Größe in der sogenannten Formallogik, dass heißt einer Philosophierichtng, die anhand von konstruierten logischen "Grammatiken" (inhaltsleere) das Wesen von Wahrheits- und Falschheitsausagen untersucht. Über Formallogiker sagt man: der einfache Mensch hält Mathematiker für Haarspalter, die Mathematiker denken das über Formallogiker. Wenn also Ines sich als Chomskyianerin versteht, und sie ihre Begrifflichkeiten von ihm übernommen hat (und das möglicherweise noch in deutscher Übersetzung, wahrscheinlich von einem Nichtanarchisten übersetzt), dann steht sicher hinter jedem Wort eine ganz gewichtige inhaltsgesättigte Bedeutung, die mir und anderen Nicht-Chomskyianern zunächst einmal verschlossen ist.
... ich gestehe, auch ich habe Noam Chomsky oft und gerne zitiert, sogar hier im Forum ...
... und ich halte mich eigentlich nicht für einen Erbsenzähler.
... sollte ich also künftig beim Lesen von Chomsky und anderen besser darauf achten, daß unbedingt immer ein Anarchist übersetzt?


    Zitat: soyfer
    Möglicherweise klären sich die Inhalte, wenn die Begriffe verstanden werden.
... und die Begriffe, wenn die Inhalte verstanden werden ...
... sag ich doch die ganze Zeit!


    Zitat: soyfer
    Was ich anders sehe als Pejder ist 1., wie dies schon bjk gesagt hat, sein Allgemeinanspruch: Das und wer abweicht ist (wasauchimmer, aber) sicher kein Anarchist. Darauf muss ich antworten, ich stehe für Inhalte, und wenn die kein Anarchismus sind (was ich bisher dachte), dann bin ich eben kein Anarchist. Denn mir geht es nicht um meine Kategorisierung sondern meine Überzeugung. Wenn man mir beweist, ich irre in meiner Überzeugung, ändere ich die (aber das hat Pejder weder bei mir, noch Ines versucht), wenn man mir aber nur beweist, dass meine Überzeugung kein Anarchismus ist, dann nenne ich mich hinfort nicht mehr Anarchist. Ich bin nicht stolz auf nichts, auch nicht darauf.
... volle Zustimmung!
... wichtig ist mir nämlich, daß viele, nicht unbedingt alle, anarchistischen Elemente mich überzeugen
... im übrigen ist mir eh wurscht, wer mich in welche Schublade steckt
... weil ich gerne Fußball kieke
... weil ich gerne James Bond sehe
... weil ich die "junge Welt" und andere linke und linksextreme Literatur lese
... weil ich als Berliner PDS-Mitglied im LV Bayern bin
... weil ich in meinem Anarchisten-Logo-Spruchband aus "GOTT" bewußt ein "PFAFF" gemacht habe
... weil für mich dieses Spruchband "KEIN PFAFF * KEIN STAAT * KEIN HERR * KEIN SKLAVE" neben pejders "Anarchie ist Rücksichtnahme" die besten und prägnantesten Beschreibungen für Anarchismus sind!


    Zitat: soyfer
    Es stimmt zwar, dass nicht alles, was so mancher als Anarchismus versteht, das auch ist, der Begriff ist nicht beliebig (man denke an unsere Supernationalen, der meinte, Anarchismus sei Chovenismus). Aber innerhalb einer gewissen Spannbreite kann dieser Begriff verwendet werden und diese Breite ist doch recht groß. Ich jedenfalls würde es eher weiter, als enger fassen, was nicht heißt, dass ich allem, was in meinen Augen darunter fällt, auch meine Zustimmung erhält.
... wieder mal volle Zustimmung, besonders zum letzten Satz!
... denn gerade den verstehe ich als gelebte Rücksichtnahme unter Anarchisten
... oder sollte es besser heißen: als gelebte Rücksichtnahme durch Anarchisten?


    Zitat: soyfer
    sehe ich, für mich, das Raucherbeispiel ganz anders als ihr drei, Ines, Pejder und bjk.
... hehe, hier mach ich mal auf befangen
... und komme vielleicht später nochmal darauf zurück


    Zitat: soyfer
    Koordination und Konsens sind nicht deckungsgleich. Es muss keineswegs ständig, möglicherweise überhaupt keinen Konsens geben. Warum sollen alle einen Weg gehen, warum nicht unterschiedliche? Wie das mit der Notwendigkeit des Konsenses sein wird, das wird sich zeigen. Derzeit glaube ich, die Notwendigkeit des Konsenses wird die ganz große Ausnahme sein. Nur die Menschen, bei denen in bestimmten Fragen und unerzwungen Konsens herrscht, die können sich doch koordinieren, oder?
... höhö, hat da nicht jemand Chomsky einen Formallogiker sprich Erbsenzähler genannt?
... trotzdem kann ich mit Deiner Definition in Sachen Konsens und Koordination mitgehen


    Zitat: soyfer
    Die Notwendigkeit zum Konsenz führt zu - nicht physischen aber - psychischen unter-Druck-setzen. Und das ist Herrschaft auf einer anderen Ebene und damit aber genauso Herrschaft.
... nö, also ich finde, das ist ja schon mehr als Erbsenzählerei
... jedes Rücksichtnehmen ist doch "ein psychisch unter Druck setzen", ganz gleich ob mensch sich selbst oder ob andere Betroffene drücken!
... auch Anarchie kommt meines Erachtens im rücksichtsvollen Miteinander nicht ohne Kompromisse, sprich Koordination aus.
... vorausgesetzt, es besteht Konsens, daß Anarchie Rücksichtnahme ist


    Zitat: soyfer
    Egozentren: eine Gesellschaft, in der kein Platz für mein Ego ist und ich aus reiner Rücksichtnahme zu bestehen habe (um mich so missverstehend deiner Position gegenüber auszudrücken, wie du dich der von Ines mit dem Lagerfeuerbeispiel), die gleicht eher einer Bescheibung der Ziele von Jesus Nächstenliebe, denn dem, was ich unter Anarchie verstehe. Verkappter Christ, was?

    ... eine Gesellschaft, in der kein Platz für mein Ego und meine Bedürfnisse ist, ist auch für mich keine anarchistische
    ... deswegen verträgt sich eigentlich Christsein nicht mit Anarchistsein
    ... es sei denn, sie koordinieren sich
    ... suchen einen Konsens
    ... und kommen zu einem Kompromiß im rücksichtsvollen Miteinander


    [quote:soyfer]Zu Ines: [...] Einerseits heißt es bei dir, dass alles auf Freiwilligkeit basiert, andererseits, dass es Reglementierung (mit der entsprechenden Hierarchie) geben muss? Also, eine der beiden Aussagen passt da logisch so nicht hin.
... hmm, mach aus "Reglementierung" einfach Koordinierung, Konsens, Kompromiß, Rücksichtnahme oder was in der Art auch immer
... also wie kommste denn da noch auf "Hierarchie" oder so?
... heißt Rücksichtnahme nicht auch, zunächst mal positive Erklärung suchen?


    Zitat: soyfer
    Ich sehe drei Auslegungsmöglichkeiten: 1) Freiwilligkeit heißt das "ja" zur Deklarierung einer bestimmten "basisdemokratischen" Struktur und das "ja" zu Entscheidungen, die gegen meinen Willen zustandekamen, wenn eine Mehrheit dafür war, und darauf setzt sich diese Struktur in Bewegung. Das politische Leben sieht - aus meiner Sicht - letztlich ähnlich aus wie heute, nur ist das "Volk" weit mehr in die Abläufe integriert und daher wird es nicht (so) beherrscht, sondern kontrolliert (mehr) das politische Getue.
... hmm, da haste auch mich wirklich zum Nachdenken und Überdenken gebracht
... und das ist gut so!
... wenn ich die Gedankenarbeit zu diesem Komplex abgeschlossen habe, äußere ich mich dazu wieder


    Zitat: soyfer
    2) mit den unterschiedlichen Begriffen sind tatsächlich bestimmte Chomsky- (oder andere) Interpretationen verbunden, die ich einfach nicht verstehe, weil ich das Vokabular anders verwende. Dann würde ich dringend um eine Art "Wörterbuch" bitten.
... liebe Ines, tu ihm doch den Gefallen
... weil er jetzt nicht, wie eingangs beinahe zu erwarten war, kritikastert sondern Dich freundlcih bittet


    Zitat: soyfer
    3) Es entsteht eine basisdemokratische Struktur, die aber sozusagen eine flukturierende Volksbasis hat. All die Entscheidungen, denen ich zustimme, an deren Ausführung beteilige ich mich, aber die, die ich nicht gutheiße oder unlogisch finde, die tangieren mich einfach nicht.
... ja, so, besonders letzteres, halte ich's z. B. mit der PDS-Mitgliedschaft aber das Thema hatten wir ja schon anderswo


    Zitat: soyfer
    Wenn es sich hierbei um die Auslegung 1) handelt, so frage ich mich tatsächlich, warum wollst du dich Anarchistin nennen. Das ist letztlich ein herkömmlicher Staat mit sehr freien Strukturen. Aber eben ein Staat (auch wenn er das Weltstaat verstanden würde) und daher keine Anarchie. Es gibt doch kein Dogma, dass man mit seiner Weltsicht Anarchist sein muss; ist ja genauso(wenig?) strafbar Basisdemokrat zu sein. Ich rede auch mit nicht-Anarchisten.

    ... hmm, muß zu diesem Komplex erst mal wie oben schon gesagt Gedankenarbeit leisten - und das bei meiner angeborenen Faulheit
    ... aber trotzdem kann sich Ines doch durchaus Anarchistin nennen und es auch sein
    ... fällt nämlich alles unter Koordination, Kompromiß, Konsens und Rücksichtnahme
    ... trotz Grinsedingens meine ich das ganz ernst


    [quote:soyfer]Bei 3) frage ich, was dann die ganze Strukturfrage soll? Die braucht man dann ja nicht. Ich meine, sie stört keinen.
... also Nr. 1 stört Dich und die Nr. 3 nicht?
... hmm, warum sollten denn die drei Ko's nur bei der Nr. 3 gelten?
... hmm, ohne gleich ein Erbsenzähler zu sein aber doch irgendwie inkonsequent - oder?


    Zitat: soyfer
    Kindererziehung: Gewalt ist Gewalt, gegen Kinder wie gegen Erwachsene. Nur ist die Erklärung bei Kindern ungemein komplizierter, weil mehr Faktoren hinzukommen. Daher wollte ich das weglassen und nicht, weil das Prinzipell etwas anderes ist. Es ist alles dasselbe und das allerschlimmste, es wird unterschiedliches in einen Topf geworfen, verquirlt und dann ein Schluss daraus gezogen. Diese Kritik richtet sich weniger gegen dich, als die vielen "Vor-"Denker, die die Notwendigkeit von Herrschaft legitimieren wollen. Man kommt immer mit dem Kind und der Strasse und schon sieht man ein, stimmt, da muss ein "Herrscher" her (überspitzt formuliert).
... nach sooville Jedankenarbeit nu ooch noch über Kindererziehung und Herrscher und det vor'm Frühstück - nö, da mach ick jetzt Pause
... frühstücke janz jemütlich
... und fahre dann jut jestärkt zur WASG-Konferenz über "Die Neue Linke und Regierungsbeteiligungen", die um 11 Uhr im Berliner IG-Metallhaus beginnt

Euch noch einen schönen Samstag
bjk


[editiert: 28.01.06, 07:56 von bjk]


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