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bjk

Beiträge: 7353


New PostErstellt: 31.08.06, 12:42     Betreff: Re: Mörder und Gangster hetzen gegen den Iran zum Krieg!




entnommen aus: "zeitung gegen den krieg" (Druckausgabe Nr. 24)


Krieg im Nahen Osten

Ein heimtückischer Plan


von Mohssen Massarrat


Ernstfall: Was wäre geschehen, hätte die Hisbollah in höchster Bedrängnis Mittelstrecken auf Tel Aviv abgefeuert? Erklärtes Hauptziel der israelischen Intervention im Libanon war die Zerschlagung der Hisbollah-Miliz und die Einrichtung einer Sicherheitszone im Süden des Landes. Offiziell hieß es, die Bedrohung der Katjuscha-Raketen durch die Hisbollah sollte dauerhaft unterbunden werden. Bei genauerem Hinsehen wurde freilich klar, daß es um wesentlich mehr ging. Es ging auch um den Iran und einen "Neuen Nahen Osten". Warum aber hatte dieser Krieg, der trotz der Waffenruhe noch nicht beendet ist, sehr viel mit dem Iran-Konflikt zu tun und warum hat Washington den Waffenstillstand, wie auch Kofi Annan bitter beklagt hat, systematisch hinausgezögert?

Die Hisbollah war 1982 mit Hilfe der iranischen Revolutionsgarden gegründet worden, um den schiitischen Glaubensbrüdern gegen die israelische Invasion im Libanon beizustehen, entwickelte sich dann aber zum wichtigsten sicherheitspolitischen Verbündeten Teherans im militärischen Kräfteverhältnis (balance of power) zu Israel. Die Hisbollah empfing nicht nur Wirtschaftshilfe aus dem Iran, sondern auch Rüstungsgüter, darunter Kurzstreckenraketen, die Nordisrael, und Mittelstreckenraketen, die Tel Aviv erreichen können. Vom strategischen Kalkül waren letztere als Abschreckungspotential gegen Israels Atombomben gedacht, da mit diesen Flugkörpern das Kernland Israels erreicht und somit dessen Existenz ernsthaft bedroht werden kann. Ein uns aus dem Ost-West-Konflikt sattsam bekanntes sicherheitspolitisches Muster - das Gleichgewicht des Schreckens. Durch die gegenseitige Bedrohung mit der Vernichtung des jeweils anderen soll der potentielle Angreifer abgeschreckt werden.

Als neuartig im israelisch-iranischen Abschreckungssystem mußte allerdings der Umstand gelten, daß die eine Seite über Atombomben verfügt, während die andere mit konventionellen Waffen das Kernland des Gegners erreicht - genauer: theoretisch erreichen könnte. Trotz der praktischen Unzulänglichkeiten des iranischen Gegenpotentials (erstens befanden sich die Raketen in der Hand eines Alliierten mit eigenen Interessen, zweitens blieb deren Zerstörungskraft eher beschränkt) würde es durch seine psychologische Wirkung und symbolische Bedeutung aus israelischer Sicht durchaus als existenzielle Gefahr eingestuft. Hierin kann der tiefere Sinn von Israels Kriegsziel der Zerschlagung der Raketenbasen der Hisbollah im Libanon liegen. Es ging letztlich darum, dem Iran sein sicherheitspolitisches Faustpfand zu nehmen.


Ein doppeltes Spiel

Eine generelle Ausschaltung der Angriffswaffen der Hisbollah hätte außerdem angesichts eines weiterhin denkbaren Militärschlages der USA und Israels gegen den Iran auch die strategischen Planungen der US-Militärs von einem gravierenden Problem befreit. Man muß unter diesen Umständen davon ausgehen, daß die Entführung der beiden israelischen Soldaten durch die Hisbollah für Israel ein willkommener Anlaß war, um mit einer offenkundig lange geplanten Offensive nicht nur die Hisbollah zu treffen, sondern auch den Iran sicherheitspolitisch zu entwaffnen. Dafür sprechen gewichtige Motive, erstens wollte Israel die Bedrohung an der Nordgrenze los werden, zweitens sollte mit dem gefährlichen Verbündeten des Erzfeindes Iran auch dessen militärische Abschreckung gegen Israels Atomwaffen aus dem Weg geräumt und drittens damit ein entscheidendes Hindernis im Falle einer Intervention gegen den Iran beseitigt werden. Diese sehr weitreichenden Beweggründe erklären auch, weshalb die USA und Großbritannien Israel für dessen Bodenoffensive grünes Licht gaben. Es ging und geht im Libanon um wesentlich mehr als um Sicherheit an der israelischen Nordgrenze.

Unter diesen Umständen haben innerhalb der politischen Führung des Irans offenbar jene die Oberhand gewonnen, die dafür plädieren, die Urananreicherung und damit die Option auf die eigene Atombombe als Gegengewicht zu Israels Nukleararsenal nicht aus der Hand zu geben. In den Augen von Präsident Ahmadinedschad und anderer treiben das EU-Trio aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien und die USA ein doppeltes Spiel: Einerseits bieten sie mit ihrem Kompromißpaket ökonomische und sicherheitspolitische Anreize - anderseits wurde der Libanon-Krieg wie das Vorspiel eines Schlages gegen den Iran geführt.

Denn es muß in Betracht gezogen werden - hätte eine schwer in die Enge getriebene Hisbollah ihre Drohung tatsächlich wahr gemacht und Tel Aviv mit Mittelstreckenraketen iranischer Bauart angegriffen, wäre eine Eskalation unausweichlich gewesen. Die USA und Israel hätten einen solchen Angriff zum Angriff auf Israels Existenz erklärt und vermutlich nicht gezögert, am UN-Sicherheitsrat vorbei umgehend Teheran, vorrangig aber Irans Atomanlagen und sonstige militärische und logistische Einrichtungen zu bombardieren.


Hisbollah tappte nicht in die Falle

Ist angesichts dieser Prognose die Annahme völlig aus der Luft gegriffen, daß es die israelische Armee geradezu darauf angelegt hat, die Hisbollah zu einem derart folgenschweren Vorgehen zu provozieren? Es bedarf keiner allzu großen Phantasie, um anzunehmen, daß die iranische Führung ein solches Szenario im Blick hatte und mit aller Kraft verhindern wollte. Davon zeugt die Tatsache, daß man sich jenseits allen propagandistischen Säbelrasselns mit praktischen Hilfen für die Hisbollah zurückhielt. Unter anderem wurden Freiwillige, die an Hisbollahs Seite kämpfen wollten, an der Ausreise aus dem Iran gehindert. Vieles spricht auch für die Annahme, daß die iranische Führung die Hisbollah davon überzeugt hat, sich nicht zum Einsatz von Mittelstreckenraketen gegen Tel Aviv hinreißen zu lassen. Die verbalen Radikalismen von Mahmud Ahmadinedschad können nicht darüber hinweg täuschen, daß die Mehrheit der politischen Führung in Teheran pragmatisch und realistisch genug ist, um zu sehen, welche Bedrohung in den vergangenen Wochen auch dem Iran erwuchs. Die Hardliner in der US-Führung sahen im Libanmon-Krieg die Gelegenheit, um ihr nächstes Kriegsabenteuer, das sie keineswegs aufgegeben haben, vom Zaun zu brechen. Mit der vereinbarten Waffenruhe - so sie denn tatsächlich halten sollte - ist dieser Plan vorerst gescheitert, wohl am Widerstand der Hisbollah, aber auch deshalb, weil Hisbollah nicht in die Falle hineingetappt sind, Mittelstreckenraketen gegen Tel Aviv einzusetzen.

Offen ist, ob die EU, ob sich Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier darüber im Klaren sind, daß ihre wochenlange Weigerung, Israel zu einem sofortigen Waffenstillstand aufzufordern, diese Gefahr nur verstärkt hat. Bush, Cheney und Rumsfeld träumen unbeirrt vom "Neuen Nahen Osten". Olmert, Perez und ihre Militärelite glauben weiter, mit dem Blut von Palästinensern und Libanesen lasse sich die Sicherheit erhöhen. Die EU und die Bundesregierung tragen wissentlich oder - was noch schlimmer wäre - unwissentlich eine Mitverantwortung dafür, daß der Mittlere Osten nach wie vor von einem flächendeckenden Krieg bedroht ist.

Ob die Waffenruhe hält, ist abzuwarten. Der Libanon-Krieg bleibt ganz sicher nicht der letzte, solange die Perspektive für eine Gesamtlösung außen vor ist. Dieser Krieg hat den Israel-Palästina-Konflikt wie nie zuvor in den politischen Raum zurückgebracht, in den er hingehört: in den Mittleren und Nahen Osten, Syrien und Iran eingeschlossen. Es gibt für eine dauerhafte Lösung keine andere Möglichkeit als die, sobald wie möglich mit einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit für die gesamte Region zu beginnen.


Mohssen Masserrat ist Professor für Politik und Wirtschaft an der Universität Osnabrück



Mensch bleiben muß der Mensch ...
von Tegtmeier


[editiert: 31.08.06, 12:44 von bjk]
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