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bjk
Beiträge: 7353 Ort: Berlin
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Erstellt: 17.08.04, 17:24 Betreff: Am 17.8. 1956 schlugen ehemalige Nazi-Richter noch einmal zu
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. und ließen die KPD verbieten.
kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2004/08-14/030.php
14.08.2004 Wochenendbeilage Hans Daniel Schwarze Justiz Im August 1956:
KPD-Verbot im Geiste eines fast blindwütigen Antikommunismus
Peter Baumöller, Düsseldorfer Lokalredakteur des Zentralorgans der KPD Freies Volk, hatte am Morgen des 17. August 1956 gerade das von ihm gefertigte Transparent »Trotz Verbot – KPD« aus einem Fenster des Parteivorstandes gehängt (Foto unten), da traf auch schon, so erinnert er sich später in seinen »Geschichten aus den heißen und kalten Kriegstagen«, »mit viel Getöse die Polizei ein und stürmte das Gebäude. Zu stürmen gab es eigentlich nichts, denn es gab weder im Haus noch auf dem langen Hof Aktionen des Widerstandes. Nur empörte Zwischenrufe und die Erinnerung daran, daß wir Kommunisten solche Situation schon einmal überlebt und überstanden hatten.«
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte an diesem 17. August den von der Bundesregierung 1952 erteilten Auftrag in allen Punkten vollstreckt: Es erklärte die KPD für verfassungswidrig, verfügte ihre Auflösung, ordnete die Einziehung ihres Vermögens an und untersagte die Bildung von »Ersatzorganisationen«. »Das KPD-Verbotsurteil vom 17. August 1956«, so schreibt der Berliner Historiker Prof. Dr. Wolfgang Wippermann in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) antifa, »zeigt in erschreckender Klarheit, wie weit die ›wehrhafte Demokratie‹ bei der Einschränkung der ›Freiheit‹ zu gehen bereit war und wie sehr sie dies aus fast ausschließlich antikommunistischen Motiven getan hat.«
Wippermann schlußfolgert nach einer Betrachtung der in vier Abschnitte gegliederten Urteilsbegründung, in der u. a. die von der Bundesregierung abweichenden Vorstellungen der KPD zur Wiederherstellung der deutschen Einheit als Indiz für deren »Verfassungsfeindlichkeit« gewertet und ihr angelastet wird, der »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« nicht mit der nötigen »Achtung« begegnet zu sein: »Mit Recht und Rechtsstaatlichkeit hat dies alles kaum noch etwas zu tun. Es handelt sich schlicht und einfach um Politik im Geiste eines schon fast blindwütigen Antikommunismus.« Als noch problematischer bezeichnet der Wissenschaftler die Folgen des KPD-Verbots: »Scheute man sich doch nicht, Personen, die auch nur verdächtigt wurden, an ihrer kommunistischen Überzeugung festzuhalten, zu teilweise langjährigen Gefängnisstrafen zu verurteilen. Darunter befanden sich antifaschistische Widerstandskämpfer, die bereits in faschistischen Konzentrationslagern und Zuchthäusern gesessen hatten. Damit wurde die westdeutsche Justiz zu einer primär antikommunistischen ›politischen Justiz‹.«
Am Tag des Sturms auf die Düsseldorfer Parteizentrale war im Arbeitsraum von Peter Baumöller bei der Suche nach Beweismaterial für die »Verfassungsfeindlichkeit« der KPD auch eine Gesamtausgabe der Weltbühne beschlagnahmt worden. In den folgenden Jahren des rigoros praktizierten KPD-Verbots wurde Baumüller zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt, wegen »Landfriedensbruch« und wegen »Weiterführung der illegalen KPD«.
Wippermann bezeichnet den Antikommunismus als die »eigentliche Staatsideologie« der 1949 gegründeten BRD. Darin habe sich »die Bundesrepublik ganz wesentlich von den USA, England und vor allem von Frankreich und Italien unterschieden, wo die Ideologie des Antikommunismus niemals so vehement vertreten wurde und auf jeden Fall keinen Verfassungsrang hatte«. Den unter Berufung auf das Schicksal der Weimarer Republik in den politischen Sprachgebrauch der BRD eingeführten, auch bei der Begründung des KPD-Verbots verwendeten Begriff von der »streitbaren Demokratie« weist er in diesem Zusammenhang nachdrücklich zurück. »Die Weimarer Republik ist nicht von links und rechts, sondern von oben und aus der Mitte zerstört worden ... Am 30. Januar kam es schließlich zu einem Bündnis und einer Koalitionsregierung aus Faschisten und Konservativen und eben nicht aus Faschisten und Kommunisten. Der Führer der KPD, Thälmann, wurde nicht zum Vizekanzler ernannt, sondern verhaftet und ins Zuchthaus geworfen.«
So bewegte sich das KPD-Verbot von 1956 in einer unseligen Kontinuität der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts. Die Tatsache, daß die Bundesregierung bei dem im November 1954 eröffneten Hauptverfahren im Verbotsprozeß mit dem Staatssekretär Ritter Hans von Lex einen Mann als Leiter der Regierungsdelegation beauftragte, der im März 1933 dem Ermächtigungsgesetz für das faschistische Regime zugestimmt hatte, spricht für sich. Der Reichstagsabgeordnete hatte als Sprecher der Bayerischen Volkspartei am 23. März 1933 den neuen Machthabern versichert, für ihn und seine Partei sei es selbstverständlich, daß sie »auch in der geschichtlichen Wende dieser Tage zur tatkräftigen Mitarbeit am nationalen Aufbauwerk entschieden bereit ist...« Die Mandate der 81 kommunistischen Reichstagsabgeordneten waren da schon im Zuge der »Entgiftung des deutschen Volkskörpers« von marxistischem Ungeist und dem Judentum für nichtig erklärt, viele von ihnen waren verhaftet worden.
Zwölf Jahre wirkte von Lex dann als Oberregierungsrat im Reichsinnenministerium. 1946 war er wieder im Staatsdienst, erst in Bayern, dann als Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Ungebrochen war sein antikommunistisches Grundverständnis. So begründete er am 5. Juli 1955 vor dem Bundesverfassungsgericht die Forderung auf ein Verbot der KPD mit den Worten: »Sie ist ein gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahn des staatlichen und gesellschaftlichen Organismus der Bundesrepublik sendet.« (Nach seinem Ausscheiden aus dem Innenministerium wurde von Lex mit der Ehrenpräsidentschaft des Deutschen Roten Kreuzes (!) für seine Dienste belohnt.)
So logisch die Wiederverwendung des Ritter von Lex nach 1945 war, so logisch war dann auch, daß nicht wenige Richter aus der Zeit vor 1945 an der Exekutierung des Verbotsurteils bei den wieder geschaffenen politischen Sondergerichten beteiligt waren, und diese dann auch Männer und Frauen, die bereits in den Jahren 1933 bis 1945 von ihnen verurteilt worden waren, erneut ins Gefängnis schickten. Sie fügten sich mit ihren Erfahrungen ein in die erhalten gebliebene antikommunistische Staatsdoktrin.
Am Vorabend des 55. Jahrestages der Konstituierung des ersten Bundestages (7. September 1949) konstatiert Wippermann dann auch, daß »die Vergangenheit nicht hinreichend aufgearbeitet oder gar ›bewältigt‹ ist. Mit letzterem ist keineswegs nur die nationalsozialistische Vergangenheit der (alten) Bundesrepublik gemeint. Eine Distanzierung von der als antitotalitaristisch drapierten Ideologie des Antikommunismus ist ebenso notwendig wie – zumindest – ein Wort der Entschuldigung für die Opfer dieses Antikommunismus.«
Davon allerdings ist auch die amtierende Regierung 48 Jahre nach dem KPD-Verbot weit entfernt, wie die beharrliche Weigerung ausweist, wenigstens die Opfer der doppelten Verfolgung, der braunen und der schwarzen Justiz, zu rehabilitieren.
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[editiert: 08.08.11, 11:42 von bjk]
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bjk
Beiträge: 7353 Ort: Berlin
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Erstellt: 17.08.04, 17:43 Betreff: Re: Am 17.8. 1956 schlugen ehemalige Nazi-Richter noch einmal zu
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zum Verbot der KPD am 17. August 1956 in der heutigen ND:
Blindwütiger Antikommunismus
Am 17. August 1956 verbot das Bundesverfassungsgericht die KPD Von Hans Canjé
Vor 48 Jahren, am 17. August 1956, verbot das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Antrag der Bundesregierung die Kommunistische Partei Deutschlands.
Ein »gefährlicher Infektionsherd im Körper unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahn des staatlichen und gesellschaftlichen Organismus der Bundesrepublik sendet« - so hatte der Prozessvertreter der Bundesregierung, Ritter Hans von Lex, in seinem Plädoyer vor dem Bundesverfassungsgericht die KPD bezeichnet. Mit diesem aus seiner Dienstzeit im faschistischen Reichsinnenministerium stammenden Vokabular hatte von Lex (Fotos und Lebenslauf siehe unten, Einschub bjk) den Antrag der Bundesregierung begründet, die KPD für verfassungswidrig zu erklären, ihre Auflösung zu verfügen, ihr Vermögen einzuziehen und die Bildung von Ersatzorganisationen zu untersagen. Das Gericht folgte mit dem Urteil vom 17. August diesem Antrag. Unmittelbar nach dem Urteilsspruch wurden die Büros der KPD im gesamten Bundesgebiet und die Parteiredaktion besetzt.
»Mit Recht und Rechtsstaatlichkeit hatte dies alles kaum noch etwas zu tun«, schreib der Berliner Historiker Prof. Wolfgang Wippermann in der neuen Ausgabe der VVN-BdA-Zeitschrift »antifa«. »Es handelt sich schlicht und einfach um Politik im Geiste eines fast schon blindwütigen Antikommunismus.«
Urteile durch politische Justiz
Das Verbot zeige, wie weit die »wehrhafte Demokratie« bei der Einschränkung der »Freiheit« zu gehen bereit war und »wie sehr sie dies aus fast ausschließlich antikommunistischen Motiven getan hat«, schreibt der an der Freien Universität Berlin lehrende Wissenschaftler in dem Beitrag, der im Vorfeld des 55. Jahrestages der Konstituierung des ersten Bundestages erscheint. Damals war die KPD noch mit 15 Abgeordneten im Parlament vertreten. Der Antikommunismus war laut Wippermann die »eigentliche Staatsideologie der Bundesrepublik« und habe diese damit ganz wesentlich von den USA, England und vor allem von Frankreich und Italien unterschieden, »wo die Ideologie des Antikommunismus niemals so vehement vertreten wurde und auf jeden Fall keinen Verfassungsrang hatte«.
Im Gefolge des KPD-Verbots, das Gesetzeskraft hatte, setzte eine Flut von Verhaftungen und Gerichtsprozessen ein, die zu über 10000 Verurteilungen führten. Dabei wurden Mitglieder der Partei auch wegen diverser vor dem Verbot begangener vermeintlicher Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verurteilt. Begründung: Die Tätigkeit für die KPD sei schon immer strafbar gewesen, »aber erst nach dem Verbot strafbar geworden«.
Zu den Betroffenen gehörten auch Frauen und Männer, die bereits in der NS-Zeit in Zuchthäusern und Konzentrationslagern gesessen hatten. Einige standen nach 1945 vor den selben Richtern, die sie schon zwischen 1933 und 1945 verurteilt hatten. »Damit wurde die westdeutsche Justiz zu einer primär antikommunistischen >politischen Justiz«<, folgert Wippermann.
Entschuldigung für die Opfer wäre fällig
Der an Prozessen gegen KPD-Mitglieder beteiligte ehemalige Oberbundesanwalt Max Güde hatte nach seinem Ausscheiden ähnlich geurteilt: »Statt uns grundsätzlich von dieser Entwicklung zu distanzieren und rechtspolitisch einen neuen Weg einzuschlagen, haben wir, Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, die alte verdorbene Leitidee - Vorrang des Staates, Unbeschränktheit des Staatsschutzes und einseitige Linksfürchtigkeit - weitergeführt:« Wippermann schlussfolgert aus alldem: »Eine Distanzierung von der als antitotalitaristisch drapierten Ideologie des Antikommunismus ist ebenso notwendig wie zumindest ein Wort der Entschuldigung für die Opfer des Antikommunismus«.
Lebenslauf des Ritter Hans von Lex
Hans Ritter von Lex geb. 27.10.1893 in Rosenheim (Oberbayern) gest. 26.2.1970 in München
Studium der Rechtswissenschaft
Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg; Verleihung des persönlichen Adels
1921-1932 Regierungsassessor in verschiedenen bayerischen Ministerien
1932-1933 Abgeordneter der Bayerischen Volkspartei im Deutschen Reichstag
1933-1945 nach vorübergehender Verhaftung durch die Nationalsozialisten Oberregierungsrat für Sportfragen in der Kulturabteilung des Reichsinnenministeriums
1946-1948 Ministerialrat und Ministerialdirektor im bayerischen Innenministerium
1949-1960 Staatssekretär im Bundesinnenministerium
1961-1967 Präsident des DRK der BRD
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[editiert: 17.08.04, 18:06 von bjk]
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