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Presseclub heute - grauenhaft einfältig

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Baba Yaga
New PostErstellt: 06.02.05, 19:31  Betreff: Presseclub heute - grauenhaft einfältig  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Stefan Baron (WirtschaftsWoche) schwadronierte eine dreiviertel Stunde davon, es sei erforderlich,
  • "daß endlich die "richtigen" Konzepte, welche in Politikerkreisen vorhanden seien, nun auch weiter umgesetzt würden",

  • "daß jene Politiker, welche diese Reformkonzepte vertreten würden, nun endlich ermutigt werden müßten, sie offensiv zu propagieren und durchzuziehen"!

Auf den schwachen Einwand seiner Kollegen, man müsse dazu über die entscheidenden Machtpositionen verfügen, meinte der Chef der Wirtschftssoche,

- "daß sich die Umsetzung deshalb verzögere, weil unser Wahlrecht geändert zuerst geändert werden müsste.
Ein Mehrheitswahlrecht wie in England würde es dann auch einer nur 30%igen Mehrheit ermöglichen, unpopuläre Maßnahmen zu beschließen und durchzudrücken.
So, wie das Frau Tatcher möglich war"!

Niemand der anderen Podiumsgäste kam dabei auf den Gedanken, das Wort Diktatur oder Despotismus einzuwerfen.
Der Herr Baron suhlte sich unkritisiert in seinen Thesen

Erst in der Anschlußsendung "nachgefragt" wurde von Zuschauern an den "Fachjournalisten" Baron die Frage gestellt, was das denn für revolutionäre Maßnahmen seien, mit welchen er und die von ihm favorisierten Politiker die Arbeitslosigkeit beseitigt wollten.
Nach langem Herumgeeiere meinte er schließlich:
- "Der vollkommene Markt"!

In Richtung seiner Podiumskollegen ergänzte er, daß die "vollständige Deregulierung" die einzige Lösung sei, das beginne mit dem Abbau des Kündigungsschutzes und der Sozialabgaben.

"Ah,Ha!"
Die Kollegen hatten´s vermutet, schreibt er ja für die Wirtschaftswoche, - und die ist nun mal kein Arbeitnehmerorgan!
Erläuternd meinte er dann noch:
- "die wahren Sozialverantwortlichen, das sind die Vorstände der großen Konzerne. Wenn die große Gewinne und Profite machen, erhalten sie die Firmen und Unternehmen und wirken damit besser als alle Sozialsysteme im Interesse der Belegschaften und für die Arbeitsplätze".

Traurig war nur, daß niemand von den anwesenden Journalisten auf die Idee kam, eine Mütze herumgehen zu lassen, um für die Konzernherren Spenden einzusammeln, nachdem Baron die wahren Wohltäter der Gesellschaft so herausstellte!

Niemand wandte dagegen ein, daß Arbeitsplätze keine caritative, oder wie von Baron beschrieben, "soziale Leistung oder Einrichtung" der Arbeitgeber seien, sondern die Grundlage für Mehrwertabschöpfung der Arbeit durch andere, nämlich durch die von Baron zu Wohltätern hochstilisierten Ausbeuter!

Daß im aktuellen Zeitpunkt die Abschöpfung "Abhängig Beschäftigter" nahezu völlig frei gegeben wurde, wird vom Speichellecker der Aktionäre und Bosse, als natürlich zustehende und überfällige Rechtsposition gesehen.

Es war gut zu hören, daß auch alle weiteren AnruferInnen des "nachgefragt" die erbärmliche Seichtheit der Presseclub-Diskussion kritisierten!

Baba Yaga


[editiert: 06.02.05, 19:39 von Baba Yaga]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 07.02.05, 11:22  Betreff:  Re: Presseclub heute - grauenhaft einfältig  drucken  weiterempfehlen




nicht nur der Presseclub, liebe Baba, leider nicht nur der Presseclub!!! Es gibt derzeit meines Wissens KEINE politische Sendung mehr, die nicht vom Mainstream des Raubtierkapitalismus gehirngewaschen worden wäre. Selbst nicht solch einstmals relativ objektive und ausgeglichene Sendungen wie "Hart aber fair" mit Frank Plaßberg, dem kürzlich für seine ausgezeichnete Moderation sogar ein Preis verliehen wurde. Denn leider ist Plaßberg nicht mehr Plaßberg sondern schon seit Monaten auf dem besten Wege, sich in die lange Schlange der öffentlichrechtlichen Lakaien und Speichellecker des neoliberalen Mainstreams einzureihen.

Während ich früher jeden Mittwochabend mit Spannung auf seine stets hochinteressanten Talkrunden wartete, schalte ich in den letzten Wochen diese Sendung ziemlich regelmäßig nach spätestens 30 Minuten ab. Wo Plaßberg sich früher wohltuend von Sabine Schnatteriansen in Sachen Moderationsniveau und Gästeauswahl abhob, ist er seit der Preisverleihung erst kaum merklich dann immer schneller auf das tendenziöse Schnatterniveau à la Christiansen abgedriftet - ob freiwillig oder auf Druck von "Oben" sei dahingestellt. Jedenfalls habe ich auch am vergangenen Mittwoch seine Sendung mit dem Thema Hartz IV nach einer knappen halben Stunde abgeschaltet. Es war unerträglich, wie oft Plaßberg selber dem Peter Grottian das Wort abgeschnitten hat und wie er zuließ, daß Grottian von Vesper (Grüne) und Bosbach (CDU) immer wieder unterbrochen und am Ausführen seiner Gedanken gehindert wurde. Ich verstehe auch Grottian nicht, warum er nicht dagegen protestiert hat, derart zum Kasper - ja, sogar geradezu lächerlich gemacht zu werden.

Besonders abstoßend gerierte sich auch eine angebliche ALG-II-Bezieherin, der Name ist mir entfallen, die gleichzeitig als Vorsitzende einer bundesweiten!!! Erwerbsloseninitiative agiert und deshalb als weiteres Feigenblatt zu dieser Sendung eingeladen wurde. Ich frage mich, wie eine ALG-II-Bezieherin Zeit und GELD für diese Tätigkeit aufbringen kann, wo sie doch dem Arbeitsmarkt ständig zur Verfügung zu stehen hat und auch selber ständig eigene Arbeitsbemühungen, sprich Bewerbungen nachweisen muß?! Weil sie ja als Vorsitzende sicher auch sehr viel zu Veranstaltungen, Vorträge etc. reisen muß, kostet das auch eine Stange Geld, wofür ALG II ganz sicher nicht ausreicht! - Und siehe da, sehr schnell wurde klar, warum Plaßberg sie eingeladen hat: sie diente dazu, der bundesdeutschen Öffentlichkeit zu zeigen, ALG II ist natürlich hart - aber man kann damit gut zurechtkommen. Ein bißchen jetzt einschränken - aber das nützt ja den kommenden Generationen.

Diese Heucheltante rückte auch immer mehr von Grottian ab und immer näher auf den triumphierenden Bosbach zu - ganz klar ein abgekartetes Spiel - und Frank Plaßberg gab sich, wenn er es denn nicht selber initiierte, zumindest für die Regie her - tja ... ... ...

Wie auch immer, trotzdem spielte auch der sonst von mir geschätzte Peter Grottian eine klägliche Rolle- er wehrte sich kaum! Ich war am Samstagnachmittag im Berliner Mehringhof, einem alternativen Treff, weil dort die Veranstaltung "Die Veränderungen durch Hartz IV, Praxisbeispiele, Strategie und Positionen" stattfand. Ausrichter war das "Netz für Selbstverwaltung und Kooperation Berlin-Brandenburg". Dort sollte nämlich unter anderem Professor Peter Grottian einen Vortrag halten. Ihn wollte ich wegen seiner Rolle in "Hart aber fair" ansprechen, leider war er dann verhindert und konnte nicht erscheinen.

Heute nun ist in "junge Welt" ein diesbezügliches Interview mit Peter Grottian zu lesen, das ich gleich anschließend im nächsten Beitrag hier in diesen Thread einfüge.

bjk





[editiert: 07.02.05, 11:41 von bjk]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 07.02.05, 11:29  Betreff: Re: Presseclub heute - grauenhaft einfältig  drucken  weiterempfehlen




hier das -Interview mit Peter Grottian


Interview: Ralf Wurzbacher

»Der Moderator hat mich einfach abgewürgt«

Die meisten Medien lassen alternative Positionen kaum noch zu. Gestanzte Politikerphrasen an Stelle von Argumenten. Ein Gespräch mit Peter Grottian

* Peter Grottian ist Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.


F: Sie treten in letzter Zeit häufiger bei Polittalkshows im Fernsehen auf, letzte Woche beim WDR-Talk »Hart, aber fair«. Was macht Sie zu einem so gern gesehenen Gast?

Wahrscheinlich ist es die Mischung, die ich verkörpere. Es kommt nicht oft vor, daß sich ein Professor in außerparlamentarischen Bewegungen engagiert, für wissenschaftlich fundierte Politikalternativen wirbt und bisweilen zur Radikalität aufruft.


F: Zeugen derlei Einladungen nicht mehr von Respektlosigkeit denn echter Anerkennung?

Ich sehe das realistisch. Der Mainstream hat sich fast zur Perfektion organisiert und läßt alternative politische Positionen kaum noch zu. Ich bin einer der wenigen Linken, die im Fernsehen zu sehen sind oder in linksliberalen Zeitungen wie taz, Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Rundschau zu Fragen der Arbeitsmarktpolitik und sozialer Proteste zu Wort kommen. Daß ich dabei auch Feigenblatt des Mainstreams bin, ist mir bewußt.


F: Nach dem Motto: Ein bißchen Kritik um einer guten Show willen.

Natürlich fühle ich mich benutzt. Andererseits muß man jede Möglichkeit ergreifen, für die Alternativen zur Agenda 2010, zu den Hartz-Gesetzen und zum allgemeinen Sozial- und Bildungsabbau in der Öffentlichkeit zu werben. Wenn mir dafür die politische Mitte noch offensteht, dann ergreife ich die Chance, auch auf die Gefahr hin, nicht alles rüberzubringen, was ich mir vorgenommen habe. Ich gebe jedenfalls mein Bestes, meine Botschaft auszudrücken – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.


F: Woran bemessen sich dabei Erfolg oder Mißerfolg?

Nach »Hart, aber fair« haben mich rund 30 E-Mails erreicht, in denen Zuschauer schrieben, sich von mir in ihrer Position bestärkt zu fühlen. Die Menschen erleben im Fernsehen eigentlich immer nur gestanzte Politikerphrasen. Wenn Menschen in mir jemanden sehen, der sich von diesem Einheitsbrei abhebt, und sich von mir vielleicht ermutigt fühlen, dann war der Fernsehauftritt für mich nicht umsonst.


F: Bei »Hart, aber fair« wurde Ihnen immer wieder das Wort abgeschnitten, und selbst Moderator Frank Plasberg nannte Sie einen Utopisten. Ist da nicht ein Punkt erreicht, an dem Ihr nobles Anliegen nach hinten losgeht, weil man Ihre Person ins Lächerliche zieht?

In besagter Sendung ist es mir durchaus gelungen, meine Kritik an der Agenda 2010 und Hartz IV deutlich zu machen. Als es mir aber darum ging, politische Alternativen zu formulieren, hat mich der Moderator mehrfach abgewürgt. Offenbar drohte ich hier eine Grenze zu überschreiten, indem ich ein allmächtiges Glaubensbekenntnis in Frage stellen wollte. Dieses besagt, daß der allgemeine Sozialkahlschlag zu mehr Wachstum, mehr Beschäftigung, zur Sanierung der sozialen Sicherungssysteme und zur Entlastung der Steuerzahler führen wird. All diese Behauptungen sind falsch. Die Medien haben es sich aber zur Aufgabe gemacht, diesen Unsinn als Wahrheit zu verkaufen.


F: Moderator Plasberg als Erfüllungsgehilfe der Mächtigen?

Den Vorwurf will ich ihm gar nicht machen. Eine entscheidende Rolle spielt die Struktur dieser Talkshows und des Fernsehens insgesamt. Die Macher glauben offensichtlich, daß das Fernsehen für die Entfaltung eines Gedankens, für die Erörterung eines Konzeptes der falsche Ort ist. Ich meine allerdings, daß man den Zuschauer unterschätzt und der sich nicht mehr ernst genommen fühlt. Selbst in den USA gibt es Sendungen, in denen hart und fair gefragt und zugleich der Raum gelassen wird für den Austausch von Argumenten. Diese Qualitäten gehen dem deutschen Fernsehen heute in aller Regel ab.


F: Würden Sie auch einer Einladung zu Sabine Christiansen folgen?

Ich glaube nicht, daß sie mich einladen würde. Meines Wissens war mit Sven Giegold von ATTAC bisher nur ein einziger scharfer Kritiker aus der Linken bei ihr zu Gast. Sollte es doch dazu kommen, würde ich alles daransetzen, die in der Sendung gepflegte Form oberflächlichen Politikgeplauders zu durchbrechen.


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[editiert: 07.02.05, 11:31 von bjk]
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