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Fabel - - - haft (aus einem anderen Forum)

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 04.12.03, 12:13  Betreff: Fabel - - - haft (aus einem anderen Forum)  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Der kleine Prinz - XXI

In diesem Augenblick erschien der Fuchs.
"Guten Tag", sagte der Fuchs.
"Guten Tag", antwortete höflich der kleine Prinz, der sich umdrehte, aber nichts sah.
"Ich hin da", sagte die Stimme, "unter dem Apfelbaum..."
"Wer bist du?" sagte der kleine Prinz. "Du bist sehr hübsch..."
"Ich bin ein Fuchs", sagte der Fuchs. "Komm und spiel mit mir", schlug ihm der kleine Prinz vor. "Ich bin so traurig.
"Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt!"
"Ah, Verzeihung!" sagte der kleine Prinz.
Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: "Was bedeutet ‚zähmen'?"
"Du bist nicht von hier", sagte der Fuchs, "was suchst du?"
"Ich suche die Menschen", sagte der kleine Prinz. "Was bedeutet ,zähmen'?"
"Die Menschen", sagte der Fuchs, "die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig. Sie ziehen auch Hühner auf. Das ist ihr einziges Interesse. Du suchst Hühner?"
"Nein", sagte der kleine Prinz, "ich suche Freunde. Was heißt ‚zähmen'?"
"Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache", sagte der Fuchs. "Es bedeutet, sich ‚vertraut machen'."
"Vertraut machen?"
"Gewiß", sagte der Fuchs. "Noch bist du für mich nichts als ein kleiner Junge, der hunderttausend kleinen Jungen völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt.
"Ich beginne zu verstehen", sagte der kleine Prinz. "Es gibt eine Blume ich glaube, sie hat mich gezähmt."
"Das ist möglich", sagte der Fuchs. "Man trifft auf der Erde alle möglichen Dinge"
"Oh, das ist nicht auf der Erde", sagte der kleine Prinz.
Der Fuchs schien sehr aufgeregt.
"Auf einem anderen Planeten?"
"Ja."
"Gibt es Jäger auf diesem Planeten?"
"Nein."
"Das ist interessant! Und Hühner?"
"Nein."
"Nichts ist vollkommen!" seufzte der Fuchs.
Aber der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück:
"Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen iagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben voller Sonne sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen anderen unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide lieb gewinnen."
Der Fuchs verstummte und schaute den kleinen Prinzen lange an.
"Bitte ... zähme mich!" sagte er.
"Ich möchte wohl", antwortete der kleine Prinz, "aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennen lernen."
"Man kennt nur die Dinge, die man zähmt", sagte der Fuchs. "Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgend etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!"
"Was muss ich da tun?" sagte der kleine Prinz.
"Du musst sehr geduldig sein", antwortete der Fuchs. "Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können."
Am nächsten Morgen kam der kleine Prinz zurück.
"Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen", sagte der Fuchs. "Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll ... Es muss feste Bräuche geben."
"Was heißt ‚fester Brauch'?" sagte der kleine Prinz.
"Auch etwas in Vergessenheit Geratenes", sagte der Fuchs. "Es ist das, was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden. Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am Donnerstag mit den Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag. Ich gehe bis zum Weinberg spazieren. Wenn die Jäger irgendwann einmal zum Tanze gingen, wären die Tage alle gleich und ich hätte niemals Ferien."
So machte der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds nahe war:
"Ach!" sagte der Fuchs, "ich werde weinen."
"Das ist deine Schuld", sagte der kleine Prinz, "ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, dass ich dich zähme ..
"Gewiss", sagte der Fuchs.
"Aber nun wirst du weinen!" sagte der kleine Prinz.
"Bestimmt", sagte der Fuchs.
"So hast du also nichts gewonnen!"
"Ich habe", sagte der Fuchs, "die Farbe des Weizens gewonnen."
Dann fügte er hinzu:
"Geh die Rosen wieder anschauen. Du wirst begreifen, dass die deine einzig ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir adieu sagen, und ich werde dir ein Geheimnis schenken."

Der kleine Prinz ging, die Rosen wieder zu sehn.
"Ihr gleicht meiner Rose gar nicht, ihr seid noch nichts", sagte er zu ihnen. "Niemand hat sich euch vertraut gemacht, und auch ihr habt euch niemandem vertraut gemacht. Ihr seid, wie mein Fuchs war. Der war nichts als ein Fuchs wie hunderttausend andere. Aber ich habe ihn zu meinem Freund gemacht, und jetzt ist er einzig in der Welt."
Und die Rosen waren sehr beschämt.
"Ihr seid schön, aber ihr seid leer", sagte er noch. "Man kann für euch nicht sterben. Gewiss, ein Irgendwer, der vorübergeht, könnte glauben, meine Rose sei euch ähnlich. Aber in sich selbst ist sie wichtiger als ihr alle, da sie es ist, die ich begossen habe. Da sie es ist, die ich unter den Glassturz gestellt habe. Da sie es ist, die ich mit dem Wandschirm geschützt habe. Da sie es ist, deren Raupen ich getötet habe (außer den zwei oder drei um der Schmetterlinge willen). Da sie es ist, die ich klagen oder sich rühmen gehört habe oder auch manchmal schweigen. Da es meine Rose ist."

Und er kam zum Fuchs zurück. "Adieu", sagte er ...
"Adieu", sagte der Fuchs. "Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
"Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig."
"Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe ..." sagte der kleine Prinz, um es sieh zu merken.
Und er warf sich ins Gras und weinte.
"Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen", sagte der Fuchs. "Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verant-wortlich ..."
"Ich bin für meine Rose verantwortlich ...", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.


[editiert: 04.12.03, 12:14 von bjk]
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IngridSF

Beiträge: 9
Ort: Idar-Oberstein


New PostErstellt: 04.12.03, 12:59  Betreff: Re: Fabel - - - haft (aus einem anderen Forum)  drucken  weiterempfehlen


Antoine de Saint-Exupéry

DER KLEINE PRINZ

Kapitel VIII

Bald sollte ich jene Blume besser kennenlernen. Es hatte auf dem Planeten des kleinen Prinzen immer schon Blumen gegeben, sehr einfache, aus einem einzigen Kranz von Blütenblättern geformt; sie spielten keine große Rolle und störten niemanden. Sie leuchteten eines Morgens im Grase auf und erloschen am Abend. Aber jene eine hatte eines Tages Wurzel geschlagen, aus einem Samen, weiß Gott woher, und der kleine Prinz hatte diesen Spross, der den andern Sprösslingen nicht glich, sehr genau überwacht. Das konnte eine neue Art Affenbrotbaum sein. Aber der Strauch hörte bald auf zu wachsen und begann, eine Blüte anzusetzen. Der kleine Prinz, der der Entwicklung einer riesigen Knospe beiwohnte, fühlte wohl, es müsse eine wunderbare Erscheinung aus ihr hervorgehn, aber die Blume wurde nicht fertig damit, sich in ihrer grünen Kammer auf ihre Schönheit vorzubereiten. Sie wählte ihre Farben mit Sorgfalt, sie zog sich langsam an, sie ordnete ihre Blütenblätter eins nach dem andern. Sie wollte nicht wie die Mohnblüten ganz zerknittert herauskommen. Sie wollte nicht früher erscheinen als im vollen Ornat ihrer Schönheit. Nun ja! Sie wollte gefallen. Ihre geheimnisvolle Toilette hatte also Tage und Tage gedauert. Und dann, eines Morgens, gerade zur Stunde des Sonnenaufganges, hatte sie sich enthüllt.
Und die, die mit solcher Genauigkeit gearbeitet hatte, sagte gähnend:
„Ach! Ich bin kaum aufgewacht … Ich bitte um Verzeihung … Ich bin noch ganz zerrauft …“
Da konnte der kleine Prinz seine Bewunderung nicht mehr verhalten:
„Wie schön Sie sind!“
„Nicht wahr?“ antwortete sanft die Blume. „Und ich bin zugleich mit der Sonne geboren…“
Der kleine Prinz erriet wohl, dass sie nicht allzu bescheiden war, aber sie war so rührend!
„Ich glaube, es ist Zeit zum Frühstücken“, hatte sie bald hinzugefügt, „hätten Sie die Güte, an mich zu denken?“
Und völlig verwirrt hatte der kleine Prinz eine Geißkanne mit frischem Wasser geholt und die Blume bedient.

So hatte sie ihn sehr bald schon mit ihrer etwas scheuen Eitelkeit gequält. Eines Tages zum Beispiel, als sie von ihren vier Dornen sprach, hatte sie zum kleinen Prinzen gesagt:
„Sie sollen nur kommen, die Tiger, mit ihren Krallen!“
„Es gibt keine Tiger auf meinem Planeten“, hatte der kleine Prinz eingewendet, „und die Tiger fressen auch kein Gras.“
„Ich bin kein Gras“, hatte die Blume sanft geantwortet.
„Verzeihen Sie mir …“
„Ich fürchte mich nicht vor den Tigern, aber mir graut vor der Zugluft. Hätten Sie keinen Wandschirm?“
Grauen vor Zugluft? … Das sind schlechte Aussichten für eine Pflanze, hatte der kleine Prinz festgestellt. Diese Blume ist recht schwierig …
„Am Abend werden Sie mich unter einen Glassturz stellen. Es ist sehr kalt bei Ihnen. Das ist schlecht eingerichtet. Da, wo ich herkomme …“
Aber sie hatte sich unterbrochen. Sie war in Form eines Samenkorns gekommen. Sie hatte nichts von den anderen Welten wissen können. Beschämt, sich bei einer so einfältigen Lüge ertappen zu lassen, hatte sie zwei- oder dreimal gehustet, um den kleinen Prinzen ins Unrecht zu setzen:
„Der Wandschirm…?“
„Ich wollte ihn gerade holen, aber Sie sprachen mit mir!“
Dann hatte sie sich neuerlich zu ihrem Husten gezwungen, um ihm trotzdem Gewissensbisse aufzunötigen.

So hatte der kleine Prinz trotz des guten Willens seiner Liebe rasch an ihr zu zweifeln begonnen, ihre belanglosen Worte bitter ernst genommen und war sehr unglücklich geworden.
„Ich hätte nicht auf sie hören sollen“, gestand er mir eines Tages. „Man darf den Blumen nicht zuhören, man muss sie anschauen und einatmen. Die meine erfüllte den Planeten mit Duft, aber ich konnte seiner nicht froh werden. Diese Geschichte mit den Krallen, die mich so gereizt hat, hätte mich rühren sollen.“
Er vertraute mir noch an:
„Ich habe das damals nicht verstehen können! Ich hätte sie nach ihrem Tun und nicht nach ihren Worten beurteilen sollen. Sie duftete und glühte für mich. Ich hätte niemals fliehen sollen! Ich hätte hinter all den armseligen Schlichen ihre Zärtlichkeit erraten sollen. Die Blumen sind so widerspruchsvoll! Aber ich war zu jung, um sie lieben zu können!“


*Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis*
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 04.12.03, 14:07  Betreff: Re: Fabel - - - haft (aus einem anderen Forum)  drucken  weiterempfehlen

Ernste Worte


Ich warf eine Rose ins Meer,
eine blühende Rose ins grüne Meer.
Und weil die Sonne schien, Sonne schien,
sprang das Licht hinterher,
mit hundert zitternden Zehen hinterher.


Als die erste Welle kam,
wollte die
Rose , meine Rose , ertrinken.
Als die zweite sie sanft auf ihre Schultern nahm,
mußte das Licht, das Licht ihr zu Füßen sinken.


Da faßte die dritte sie am Saum,
und das Licht sprang hoch, zitternd hoch, wie zur Wehr;
aber hundert tanzende Blütenblätter
wiegten sich
rot, rot, rot um mich her,
und es tanzte mein Boot,
und mein Schatten auf dem Schaum,
und das grüne Meer, das Meer



Richard Dehmel (1863-1920)


[editiert: 04.12.03, 14:07 von bjk]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 10.12.03, 18:10  Betreff:  Arabisches Sprichwort  drucken  weiterempfehlen

Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauch Dornen trägt,
sondern freue dich darüber, das der Dornenstrauch Rosen trägt.


[editiert: 10.12.03, 18:10 von bjk]



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