Erstellt: 14.03.07, 17:26 Betreff: Der etwas ausschweifende Versuch mal in das System rein und von innen heraus o.T.druckenThema druckenweiterempfehlen
Erstellt: 14.03.07, 17:28 Betreff: Der 2. etwas ausschweifende Versuch mal in das System rein und von innen herausdruckenweiterempfehlen
„Kant“ das Recht noch richtig sein, wenn wir glauben hier läuft was verkehrt?
Murat Kurnaz, so genannter deutsch- Türke und ehemaliger politischer Gefangener der Vereinigten Staaten von Amerika, hätte wohl früher die internationale Verwahranstalt unter us-amerikanischer Verwaltung für sogenannte feindliche Kämpfer am malerischen Strand von Guantanamo verlassen können, wenn es nicht seitens der damaligen („rot-grünen“) bzw. neuerdings auch der aktuellen („schwarz-roten“) Bundesregierung massive inoffizielle Einwände gegeben hätte, die natürlich dementiert werden. Auch Khaled el-Masri weiß über das verhalten deutscher Ermittlungsbeamter ( ?BND?) zu berichten, die ihn in den diversen Geheimgefängnissen (zumeist us-amerikanischer Geheimdienste), in denen er eine nicht unbeträchtliche Zeit zubringen mußte, besuchten um ihn nach eigenen Angaben zu vernehmen, nach seinen Angaben zu „foltern“ ( psychisch unter Druck zu setzen – so ein offizieller Wortlaut). Von CIA-Fliegern voller feindlicher Kämpfer die gerade in diesem moment vielleicht über deutschem Boden kreisen, oder in Rammstein zwischenlanden, mal ganz zu schweigen. Was aber haben die Fälle Kurnaz und Masri (um etwaige Einwände vorwegzunehmen: sie sind beide keine „deutschen Staatsbürger“) mit den umtrieben der CIA tun bzw. was hat das mit uns zu tun? Ganz einfach, es handelt sich um zwei Beispiele dafür inwiefern sich das Selbstverständniss unseres geliebten Staates nach 9/11 verändert hat.
Ein kurzer historischer Abriss
Insgesamt, so der Eindruck, sind wir der 9/11 Hysterie noch recht gut entkommen, besser jedenfalls als einige andere europäische Staaten, vom unzivilisierten Rest der Welt mal abgesehn. Afghanistan haben wir noch schweren Herzens, aber unter dem Eindruck der uneingeschränkten Solidarität mit der zutiefst in ihrer Existenz bedrohten Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, mitgemacht, aber auch nur aus der Luft zum Bomben und nach dem „Sieg“ am Boden zum Wiederaufbau. Entgegen anderer Verlautbarungen aus Kreisen des deutschen Verteidigungsapperates, wonach unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird (Gut das jetzt raus ist wohin die Freiheit entführt wurde anm.d.Auto.), waren in Afgahnistan keinerlei deutschen Interessen betroffen. Es sei denn wir nehmen den Afgahnen übel das unser schönes deutsches Wort „Arier“ ethymologisch gesehen von dort stammt. Im Irak war die sachlage schon wieder eine andere. Da haben wir einfach laut und deutlich, das alle welt es hören konnte nein gesagt. Zum Dank hieß es wir wären Feiglinge und die notleidende Bevölkerung Amerikas mußte fortan auf deutsches Bier und französischen Käse verzichten, selbst Schuld. George Bush jr. hatte kein recht zu behaupten Deutschland und Frankreich verweigern deshalb die Gefolgschaft, weil der Irak einen wichtigen Wirtschaftspartner für die Schwerindustrie beider Staaten darstelle, es ging uns nämlich darum ein Zeichen gegen ungerechtfertigte Angriffskriege zu setzen, was auch erklärt warum nicht rhetorisch zurückgeschlagen wurde, und Bush seinerseits vorgeworfen worden wäre, bloß in den Irak zu wollen um das höchst unwirtschaftliche „Oil for Food“ Programm (Öl, das aufgrund eines UN-Embargos nicht exportiert werden darf, im Tausch gegen Lebensmittel, die aufgrund eines UN-Embargos nicht in dieses Land verkauft werden dürfen) endlich einfrieren zu können um endlich „vernünftig“ zu Wirtschaften. Im Sicherheitspolitischen Bereich haben wir auch nur kalt gekocht, denn unsere Antiterror-Gesetze sind bestimmt nicht mal halb so schlimm wie zum Beispiel die britischen oder amerikanischen, unsere Telefonate dürfen nämlich nur zentral registriert und nicht prophylaktisch mitgeschnitten werden, auch sind unsere E-Mails solange unter Verschluß gespeichert und nicht für jeden x-beliebigen Innenminiteriumsbeamten zu lesen bis ein konkreter Verdacht besteht, und auch der muß sich binnen zwei Jahren einstellen weil die Mails sonst wieder gelöscht werden, es ist ja hinlänglich bekannt was Datenspeicher kosten. Das unsere Personalausweise mit allerlei technischen Spielerreien ausgestattet sind ist auch zu verkraften, wenn mensch im Vergleich dazu sieht das auf amerikanischen Inlandsflügen, frierende nur mit unterhose bekleidete Passagiere die kleine Plastiktüten, mit persönlichen Wertsachen und vor allem der „Funk-be-chipten“(sic) Identitätskarte, an die Brust gepreßt zu ihren Geschäftstreffen reisen. Wie gesagt insgesammt scheinen wir was hysterie und Aktionismus betrifft gut weggekommen zu sein, abgesehen von der Kopftuch-trotz-Jesus-Kreuzen-in-Schulen-Verbots-Diskussion, der flächendeckenden Infiltration aller als gefährlich eingestuften politischen oder religiösen Bewegungen durch V-Leute des Verfassungsschutzes, die “aufklärende” Geheimdienstbeteilligung am Irak-Krieg (??WAS??), den zum Staatsakt erhobenen Karikaturenstreit, daraufhin die Erhebung des militant-islamischen-fundamentalismus zur einzig denkbare Ausrichtung dieser Religion (Hassprediger) bei gleichzeitiger Forderung nach vollständiger Integration mit Hilfe von Einbürgerungstests die nur so von Stereotypen und Ressentiments gegenüber dieser Religionsgemeinschaft strotzen, die hochstilisierung ehemaliger RAF-ler und deren Äußerungen zu Prüfsteinen des Rechts- und Justizsystems („Roter“-Terror = „islam“ Terror; antikapitalistisch = proterroristisch), um nur einige Beispiele „aktueller“ Politischer Debatten als weiteren Diskussionsstoff zu nennen. Denn, daß in der BRD irgendetwas „schief“ läuft kann wohl jede/r nur bestätigen. Worauf das ganze hier abzielt? “Gaaanz einfach”, auf das Verhältniss der ausübenden Gewalt(Staat) zu seinen eigenen Gesetzen. Das persönliche Verhältniss einzelner zu Recht und Gesetz in der BRD steht an dieser Stelle nicht zur Diskussion (trotzdem eine solche sinnvoll ist), es soll nun aber nachfolgend, etwas weniger polemisch zunächst um den Versuch gehen eine sehr beunruhigende politische und gesellschaftliche Fehlentwicklung nach 9/11 zu hinterfragen.
Theorie, Theorie, Theorie
Nach Immanuel Kant, uneingeschränkte Ikone demokratisch-liberaler Tradition, sei der Staat ein gesellschaftliches Konstrukt, welches auf einem Vertrag der beteilligten Bürger untereinander beruht, dieser erhalte seinen juristischen Charakter durch die Auffassung als Vereinigung von Menschen unter einem fest definierten Gesetz. Die freiheitliche Ausrichtung dieses Gesetzes und dessen Umsetzung nennt Kant als Voraussetzung für die Legitimation des Staates. Da aber die persönlichen Interessen einzelner in Konkurenz stehen können, sei Freiheit so definiert, daß sie ihre Grenzen in der Freiheit der anderen findet. Im Geschichtsunterricht wurden diese und ähnliche Überlegungen meist grob unter dem Stichwort “Gesellschaftsvertrag” zusammen gefaßt. Dieser Staatsidee, bei der es werder um die praktische Umsetzung noch um juristische Formen ging, zum Teil wiedersprechend, erklärte der englische Staatstheoretiker Thomas Hobbes (eher ein Praktiker), daß die grundlegenden Interessen des Individuums (Sicherheit, Selbsterhaltung) der allgemeinen Konkurenz der Individuuen zuwieder laufen, und es deshalb als ausgleichendes Element den Staat geben müsse, welcher, da sich alle diesem und seiner Gewalt unterwerfen, für Recht im Sinne eines gemeinsamen Vertrages auf Grundlage fest definierter Gesetze sorgt. Im Geschichtsunterricht meist “Unterwerfungsvertag” genannt. Diese beiden sich scheinbar wiedersprechenden Staatsauffassungen bilden die Grundlage sog. moderner demokratischer Staaten, und aus diesen leitet sich auch das Gewaltmonopol des Staates ab. Die Grundidee ist das der Staat sich dann selbst legitimiert, indem er Gesetze schafft, die dem allgemeinen Konsens seiner Bürger was Recht und Gerecht ist Rechnung tragen.Es war weder von Wahlen, Parlamenten noch von Mitbestimmung die Rede, aber Toten aus historischer Überlegenheit heraus vorwürfe zu machen ist überflüssig. Rousseau und Montesquie haben die monopolisierte Staats-Gewalt dann noch geteilt [nicht untereinander ] und dann wären wir auch fast schon dort wo wir heute stehen. Die Mitbestimmung der Bevölkerung durch Wahlen muß ein Studentenulk früherer Staatstheoretiker sein. Soviel zum Staatstheoretischen Teil, was jetzt damit anfangen, und was hat das mit Kurnaz und Masri zu tu. Richtig die haben wir ja fast vergessen, scheint den beiden leider öfter zu passieren. Das Gewaltmonopol des Staates, als Ausdruck des Ausgleichs zwischen den Einzelinteressen der Individuuen, auf Grundlage definierter Rechte und Gesetze, legitimiert die Institution Staat im allgemeinen und die Institution “freiheitlich demokratisches Gemeinwesen” im speziellen. Also ist die Grundlage und Legitimation unseres Staates das Grundgesetz, in dieser Betrachtungsweise ist es auch völlig irrelevant ob es sich um eine Verfassung (ein weiterer Grundstein moderner Demokratien) handelt oder nicht. Was also nun wenn die ausführenden Organe unseres Staates ihren eigenen laut GG unabänderlichen Haupt-Maximen, nicht mehr folgen, diese aufweichen oder bestrebt sind sie ganz abzuschaffen. Ist das Gewaltmonopol dann nicht Grundsätzlich in Frage zu stellen. Jetzt wären wir auch wieder bei Murat Kurnaz und Khaled el-Masri, die weil sie wahrscheinlich zur falschen Zeit am Falschen Ort waren, Opfer eines Völkerrechtsvergehens aller ertser Güte wurden. Die Artikel eins und zwanzig des Grundgesetzes, welche durch die Ewigkeitsklausel ( Art. 79 Abs.3 GG) als in der Bundesrepublik unabänderlich verankertes Recht gelten, definieren den Grundkonsens unseres Gemeinwesens, sind also in bester Kantscher Tradition verfasst. Artikel eins sollte hinlänglich bekannt sein, das ist der mit dem Menschenrecht und der Grundrechtsbindung der staatl. Gewalt, Artikel zwanzig definiert die Staatsstrukturprinzipien und enthält das Wiederstandsrecht. Murat Kurnaz und Khaled el-Masri sind keinen deutschen Staatsbürger, aber beide leb(t)en, studier(t)en und arbeite(t)en legal in Deutschland, d.h. entgegen aller vielleicht zukünftigen Aussagen der Bundesregierenden, war und ist die Bundesrepublik Deutschland für diese Menschen und ihren Schutz verantwortlich. Sollte das bestritten werden, dürften dann nicht die Geheimdienste aller möglichen Staaten ihre hier lebenden Bürger aus Deutschland oder von sonst wo in ihren Hoheitsbereich verschleppen? Diese Frage bedarf wohl keiner Antwort. Daß die Haftbedingungen in Guantanamo menschenunwürdig sind hat die aktuelle Bundesregierung zugestanden und wenn auch etwas verhalten bei ihren Verbündetetn (den USA) angemahnt. Dennoch haben sie nichts unternommen um Murat Kurnaz oder Khaled el-Masri frei zu bekommen. Selbst als seitens der US-Ermittler festgestellt wurde, daß ihnen nichts relevantes vorzuwerfen sei (sorry wir ham den falschen, dürfen wir ihn freilassen?), weigerten sich die letzte und wohl auch die aktuelle Regierung mit der lapidaren Begründung das es Sicherheitsbedenken gäbe sie wieder aufzunehmen und verlängerten damit ihr Märtyrium unnötig. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatl. Gewalt.“ (Art 1. Abs 1 GG) Hat hier irgendjemand Mist gebaut? „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ (Art 20 Abs 3) Hat hier Irgendjemand so richtig Mit gebaut? Sind per Gesetz bindende und unabänderliche Grundsätze hinfällig? Ist die Ewigkeit kürzer als gedacht? Inwiefern sowohl Murat Kurnaz als auch Khaled el-Masri in radikal-muslimischen Kreisen aktiv, oder in solche involviert waren ist schon deshalb irrelevant, weil sie sich augenscheinlich nicht an radikalen oder militanten Aktivitäten die auf ein explizites terroristisches Vorgehen hinzielen beteilligt haben, daß ist zumindest was us-amerikanische und deutsche Ermittlungsbeamte bestätigen. Sich privat mit Formen radikaler Kritik am bestehenden System auseinanderzusetzen, kann, darf und ist nicht gesetzwiedrig, da es durch Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung) gedeckt ist. Aufrufe zu oder Vorbereitung von Straftaten die auf die sogenannte freiheitlich demokratische Grundordnung abzielen sind laut Grundgesetz illegal, aber sich theoretisch mit anderen Möglichkeiten der Staats- und Gesellschaftsorganisation zu befassen ist nicht automatisch verboten, schon gar nicht wenn es um theoretische Überlegungen geht, die Föderalismuskommission wird ja auch nicht einfach weggesperrt. Und aus der Verknüpfung von religiösen Ansichten und persönlicher Überzeugung ein Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik zu konstruieren ist eine mehr als fragwürdige Praxis, da sie sowohl direkt gegen Artikel 3 Abs. 3 (Diskriminierungsverbot) als auch indirekt gegen Artikel 4 Abs. 1 verstößt.
Schlußplädoyer
Doch genug zu diesen mit Sicherheitsinteressen (ich höre Hobbes an der Tür hämmern) begründeten Rechtsverstößen, ich bin mir sicher jeder/m fallen Beispiele für staatliche Fehltritte ein. Es ist nicht erklärte Absicht Kurnaz und Masri zu Prüfsteinen des staatl. Gewaltmonopols zu machen. Aber ein gemeinsames Nachdenken im Zusammenhang mit dem offenkundigem Fehlverhalten der ausführenden Gewalt in der Bundesrepublik ist angebracht. Ob die Konsequenz daraus, darin besteht das staatliche Gewaltmonopol, als Ausdruck der Selbstlegitiemiereung des Staates streng nach Kant, Rousseau, Montesquieu und Co, radikal in Frage zu stellen, kann die Sache des einzelnen nicht sein, es bedarf der Diskussion unter den Beteilligten des Gemeinwesens. Zuletzt noch ein kleiner “Ausschweif “ zu Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes, also zum Wiederstandsrecht. Zunächst der Wortlaut: “Gegen jeden der es unternimmt diese Ordnung (gemeint sind die Absätze 1, 2 & 3 desselben Artikels, GG nehmen selber nachlesen, selber auslegen!) diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Wiederstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.” Ich persönlich glaube nicht das die Oben beschriebenen Rechtsbrüche als Legitimation für Artikel 20 Abs 4 hinreichend sind, andere mögen andre Ansichten vertreten und darüber diskutieren, dennoch stellt sich die Frage, was ist Wiederstand und vor allem was sind die Formen der Abhilfe die nicht möglich ist. Durch Wahlen auf die Grundhaltung der politischen Entscheidungsträger dieses Landes entscheidend einfluß zu nehmen und das gillt unabhängig von Partei oder politischem Spektrum ist schlechterdings möglich da der Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet ist, was aber noch lange nicht als Begründung für gewaltsamen Wiederstand hinreicht. Dennoch gibt es verschiedenste Formen von Wiederstand die nicht auf Gewalt beruhen, es gibt die kritische Auseinanderstzung, den lauten Protest, das Vorleben von Alternativen und es gibt die Notwendigkeit über die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Veränderung zu Diskutieren. Begreift dies Pamphlet bitte als Stein des DenkAnstoßes. Und an unsere Mitleser vom VS keine Angst es geht nicht um die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung sondern um deren Einhaltung.
Dieser Beitrag versteht sich als Einzelmeinung, kann, soll und ist nicht das Maß der Dinge und will es auch gar nicht sein. Viele von euch mögen einen Dreck auf das Grundgesetz und die Bundesrepublik geben, aber ehrlich die wahrscheinlichsten aus dieser Gesellschaft kommenden Alternativen dazu, sind vielleicht noch weniger Lebenswert als das jetzt. In diesem Sinne: Denkend voran und einen Produktiven Gegengipfel.
Verfasser: George Dorn, Starreporter bei Confrontation einem linkslibertärem Magazin aus New York dessen Hauptbüro am morgen des 23. in die Luft geflogen ist ;-) Heil Eris! Ewig Heil Diskordia