RA hat uns zum Schreiben aufgefordert, um das Sommerloch zu beenden.
Ich beginne damit, Doris Knecht vom KURIER zu zitieren:
"Zurück nach zwei Wochen Urlaub und, schalalalala, es ist Sommer. Nein, nicht Sommer. Aber Sommerloch, ein schwarzes, bodenloses Sommerloch, in das der ORF sehr lange geblickt haben muss.
Eine der Hauptnachrichten auf orf.on am Montag früh: "Ansturm auf magischen Hochzeitstag". Denn es naht der 9. 9. 09, und - totale Sensation, megaexklusiv - die Standesämter werden überrannt. So wie sie letztes Jahr vor dem 8. 8. und vorletztes Jahr vor dem 7. 7. und vorvorvorvorletztes Jahr vor dem 2. 2. überrannt wurden, und, google beweist's, jedes Jahr lässt sich daraus eine Exklusivmeldung basteln. Und zur Not auch eine Hauptnachricht. Ist ja nix los, wie auch die stündlichen Nachrichten auf Ö1 beweisen. Die erste, also wichtigste Meldung am Montag um 10 Uhr: Vor 40 Jahren betrat der erste Mensch den Mond. Boah! Danach dann Minderneuigkeitsträchtiges wie der Spitzel-Untersuchungsausschuss und die Opel-Rettung. Es ist Sommer; schön."
Auf inside-it.ch habe ich gefunden:
"Saure Gurken, Sommerloch, Silly Season: Wie auch immer der Mangel an Informationen zur Sommerzeit bezeichnet wird, eines ist sicher: Der Seitenumfang der On- und Offlinemedien schmilzt an der Sonne wie eine Raketen-Wasserglace in Kinderhand. Selbst die Berge von Unternehmensmitteilungen erodieren zu Jurahügeln, weil die Schreibenden im Urlaub und die Lesenden ebenso. Zeit der Ruhe und Reflektion könnte man meinen. Endlich alte Zöpfe abschneiden und oben auf dem Blatt - oder für Fortgeschritttene, im E-Mail - das Wort "Pressemitteilung" durch "Medienmitteilung" ersetzen. Denn selbst an der EMEX09 ist es inzwischen angekommen, dass dem Online-Medium die Zukunft gehört. Sony weiss das schon lange und unterdessen sogar etwas mehr: "Die Zukunft des Lesens geht in die nächste Runde". Leider wissen wir nicht, was die Zukunft gebracht haben wird, wenn sie denn aus der nächsten Runde zurück gekommen sein wird.
Doch manch gebeutelter Schreiberling in einer schwindenden Redaktion presst und drückt beide Augen zu, um das Sommerloch doch noch zu füllen. Da wünscht man sich dann den publizistischen Kaiserschnitt, damit das Ganze zumindest nicht so schmerzhaft auf die Welt gekommen wäre. So erreichte uns die Meldung: "Schweinegrippe greift auf Truthähne über - UN-Experte: Infizierte Tiere jedoch keine Gefahr für Nahrungskette". War das Schwein wohl noch etwas zu gross, wäre der Truthahn ein gefundenes Fressen für den Schneeleoparden. Das neue OS von Apple, das dazu beiträgt das Sommerloch - ausgerechnet durch ein Schneetier - zu stopfen. Man stelle sich vor, eine Pandemie bräche beim Leoparden aus, die Vormachtstellung gegenüber dem Fenster wäre dahin. Da helfen neue Wege im Vertrieb: heise.de schreibt: "Mac OS X 10.6 ist bestellfertig". Bestellen konnte man früher sogar die Trabis.
Das zweite grosse Thema diese Woche war wieder Google Streetview. heise.de schreibt auch dazu einen Artikel, der wohl im Taxi zum Spital zur Welt kam. "Betroffene sollen zudem schon vor der Veröffentlichung der Bilder Einspruch erheben können." Da haben wir sie wieder, die schwierige Frage nach der Zukunft. Wir finden es schon anstrengend, uns vorzustellen, wo wir im letzten Vierteljahr zu jeder Zeit hätten gewesen sein können, jetzt müssen wir auch noch Einspruch erheben, bevor wir wissen, gegen was.
Die saure Gurke lag zur Reinbeissen bereit, als uns die Schlagzeile "Sex hilft gegen Parasiten" wieder aufhorchen liess. Jukka Jokela vom Wasserforschungsinstitut Eawag fand den Beweis an der Neuseeländischen Deckelschnecke Potamopyrgus antipodarum, die sich zudem auch asexuell vermehren kann. Spannend zwar, aber nix, was uns in der Badi weiterbringt, finden wir, drum Schwamm drüber und Deckel drauf.
Genau so wie über die Erkenntnis, dass Krisenzeit mehr Schmuddelwerbung hervorbringt. Das will der deutsche Werberat aus der Anzahl Beanstandungen gelesen haben. Uns genügt dazu auch der Spam, der offenbar kein Sommerloch kennt, und dessen Absender wir gerne mit einem Seminar der "Academy for Best Execution" (Akademie für beste Erschiessungen? - Hauptsitz in Waziristan?) beglücken würden.
Wenigstens eine Meldung hat uns im Sommer geholfen. Die Empa will Ordnungsprinzipien bei Metallofullerenen beobachtet haben. Wir verstehen zwar kein Wort davon, können aber zumindest den Inhalt zum gescheit Schwafeln in der Badi nutzen." (Marc Werlen, Gastautor)
Jetzt mein Kommentar:
Zeitunglesen ist im Sommer auch o.k., aber manchmal bleibt die Zeitung ungelesen. Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft sind tatsächlich nicht so wichtig wie sonst.
Ich glaube, dass das einerseits an den vermehrten Aktivitäten liegt. Ilse und ich sind viel unterwegs, wir erwandern im Sommer die schönsten Platzerl. Vor allem in Niederösterreich, aber auch fallweise in Oberösterreich, Wien und der Steiermark. Wir sind ausgeglichen und ausgefüllt mit den erlebten Eindrücken, deswegen brauchen wir keine Zeitungsberichte über Probleme.
Andererseits wird im Sommer in den Medien wirklich über jedes "Problemchen" berichtet. Oft kommen einem die Texte merkwürdig bekannt vor, vermutlich werden sie jedes Jahr im Sommer unverändert wiederholt. Da geht es um Schutz vor Sonne, ausreichendes Trinken, Cellulite, Weg mit dem Speck, Sommermode, Urlaub, Urlaubspannen, Touristennepp, Tipps für 50+, ASFINAG-Baustellen, ÖBB-Pannen, Sommergespräche, Interviews mit der zweiten Politikergarnitur und Leitartikel von Nachwuchs-Jounalisten.
Erst die Sommermonate ermöglichen das Tüfteln, Basteln, Aushecken und Erforschen jener Ideen, die eines Tages die Welt verändern werden - oder am nächsten Tag wieder in der Schublade verschwinden.