Berlin - Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hält trotz starken Gegenwindes an ihren zentralen Familien- und Erziehungsprojekten fest. Das Elterngeld mit den so genannten Vätermonaten soll wie von ihr geplant zum 1. Januar 2007 kommen.
Am Donnerstag startete die Ministerin in Berlin außerdem das "Bündnis für Erziehung" zur Wertevermittlung für Kinder und Jugendliche, und zwar zunächst ungeachtet massiver Proteste nur mit den großen christlichen Kirchen. Die anderen Glaubensgemeinschaften sollen später dazukommen.
Zur Begründung ihres Festhaltens an den "Vätermonaten" beim geplanten Elterngeld als Lohnersatz für berufstätige Mütter und Väter verwies von der Leyen auf Umfragen bei jungen Männern und die Erfahrungen im Ausland. Diese Umfragen bestätigten, dass damit der Kinderwunsch gestärkt werde. Von der Leyen will bis Ende April einen mit den zuständigen Gremien abgestimmten ersten Gesetzesvorschlag zum Elterngeld vorlegen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich laufend zum Stand der Beratungen über das strittige Thema informieren. Der Streit wird wahrscheinlich bei den Sitzungen der Parteigremien in der kommenden Woche diskutiert und am 1. Mai im Koalitionsausschuss Thema sein. Von der Leyen sagte zum Elterngeld: "Das ist auf gutem Weg."
Mit ihrem Bündnis für Erziehung will die Ministerin Grundlagen für die Werteerziehung im Elternhaus und im Kindergarten auf der Basis christlicher Vorstellungen erarbeiten und gute Beispiele herausstellen. Beide großen Kirchen betrieben 72 Prozent der Kinderhorte in privater Trägerschaft, rechtfertigte von der Leyen ihre Entscheidung, zunächst nur die christlichen Kirchen einzuladen. Der Zentralrat der Muslime, der Zentralrat der Juden und auch die Arbeiterwohlfahrt, die ebenfalls Kindergärten betreibt, reagierten verärgert. Lehrerverbände wie die GEW kritisierten erneut von der Leyens Vorgehen. Scharfe Kritik kam auch von der FDP und den Grünen.
Die Familienministerin sagte dazu, das Zusammenleben in Deutschland basiere auf christlichen Werten. Auch das Grundgesetz baue auf den zehn Geboten des Christentums auf. Viele Eltern suchten nach Orientierung in der Erziehung, und es herrsche Ungewissheit, was sie von ihren Kindern fordern und wie sich Werte heranbilden könnten. Kardinal Georg Sterzinsky und Bischöfin Margot Käßmann betonten, die zehn Gebote stellten nach wie vor eine gute Grundlage für die Werteerziehung dar. Sie gäben auch Antworten auf Vorkommnisse wie die eskalierende Gewalt an der Berliner Rütlischule.
Von der Leyen startet Bündnis für Erziehung nur mit Kirchen Berlin - Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat ungeachtet heftiger Kritik ihr Bündnis für Erziehung zunächst nur mit den beiden großen christlichen Kirchen gestartet. Andere Relegionsgemeinschaften und Familienverbände in Deutschland würden im Herbst zu einer zweiten Runde eingeladen, sagte sie in Berlin. Das Bündnis soll Grundlagen für Erziehung im Kindergarten und in der frühkindlichen Bildung auf der Basis christlicher Werte erarbeiten und gute Beispiele herausstellen.
Von der Leyen: Ärger mit den Werten Zusammen mit den beiden christlichen Kirchen hat die Familienministerin ein "Bündnis für Erziehung" aus der Taufe gehoben. Andere Glaubensgemeinschaften stößt sie damit ebenso vor den Kopf wie Gewerkschafter, Wissenschaftler und Politiker
AUS BERLIN HEIDE OESTREICH
Wer glaubte, CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen vertrete eine Art sozialdemokratische Familienpolitik, ist nun eines Besseren belehrt. Zusammen mit den beiden christlichen Kirchen in Deutschland schmiedete von der Leyen gestern ein "Bündnis für Erziehung", das sie anschließend mit dem katholischen Berliner Kardinal Sterzinsky und der evangelischen Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, der Öffentlichkeit präsentierte.
Zusammen vertraten die drei ChristInnen die Auffassung, dass man sich stärker für eine "wertegebundene" Erziehung einsetzen müsse. Werte wie Verlässlichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft basierten auf christlichen Prinzipien, wie auch das Grundgesetz im Prinzip "die zehn Gebote zusammenfasst", erklärte von der Leyen. Das Bündnis sei durchaus offen für andere Glaubensgemeinschaften und andere gesellschaftliche Gruppen, antwortete die Familienministerin auf die vehemente Kritik, die schon im Vorfeld von der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Wissenschaftlern und Politikern an der christlichen Exklusivität des Bündnisses geübt wurde. Aus pragmatischen Gründen habe man mit den Kirchen begonnen, die die größten freien Träger von Kindergärten seien. 44 Prozent aller Kitaplätze würden von den kirchlichen Organisationen angeboten.
Die AWO, die knapp 3.000 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe führt, hält das für einen "klassischen Fehlstart". "Man muss es düpierend nennen, wenn bei einem Bündnisgipfel zum Thema Erziehung engagierte gesellschaftliche Partner, Lehrer, Familienverbände, Erzieherinnen und Pädagogen, VertreterInnen der Wissenschaft außen vor bleiben", erklärte der Bundesvorsitzende der AWO, Wilhelm Schmidt. Auch der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Muslime äußerten ihr Unverständnis.
Dass die Gründe für das Christenbündnis nicht nur pragmatisch waren, wurde bei den inhaltlichen Ausführungen deutlich. Ursula von der Leyen vertrat die Auffassung, dass Kinder zunächst "die eigene Religion" kennen lernen sollten, "um sich später auch anderen Religionen öffnen zu können". Das ist die Position der christlichen Kirchen, staatliche Einrichtungen allerdings sollten bisher laut Grundgesetz religionsneutral agieren.
Auf die Frage angesprochen, warum die Werteerziehung nicht weiterhin universalistische Werte vermitteln solle und ob nun die grundgesetzlich verbriefte Freiheit von jeder Religion außer Kraft gesetzt werden solle, übten sich die Befragten in Doppelbotschaften. Natürlich bleibe die Religionsfreiheit bestehen, so von der Leyen. "Aber das heißt nicht, dass Religion nicht mehr in der Erziehung thematisiert werden darf." Margot Käßmann erklärte einerseits, in evangelischen Kindergärten seien auch andere Glaubensgemeinschaft und nicht gläubige Kinder vertreten. Doch finde sie: "Wo evangelisch drauf steht, muss auch evangelisch drin sein."
Das Bündnis will nun "Bausteine" erarbeiten, die wertegebundene Erziehung in pädagogische Konzepte umsetzen. Auch hier dürften sich Pädagogen die Augen reiben, die sich bisher ebenfalls um wertgebundene Erziehung bemühten. Dass die Erzieher besser ausgebildet werden müssten, wurde als Beispiel für eine Aufgabe des Bündnisses genannt. Dass vor kurzem eine von Wissenschaftlern getragene "Nationale Qualitätsoffensive" sich dieses Problems bereits angenommen hat und ebenfalls "Bausteine" entwickelte, wurde nicht erwähnt. Stattdessen warb Kardinal Sterzinsky für die "Elternbriefe", die die katholische Kirche regelmäßig verschickt.
taz Nr. 7952 vom 21.4.2006, Seite 7, 122 TAZ-Bericht HEIDE OESTREICH
Ein Sprecher des Bundesfamilienministerium zeigte sich von der heftigen Kritik "etwas überrascht." Wer möchte, könne sich auch beteiligen: "Die Tür steht weit offen."
Berlin - Im Streit um die inhaltliche Ausrichtung des "Bündnis für Erziehung" haben sich CDU-Spitzenpolitiker demonstrativ vor Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) gestellt.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla rechtfertigte am Freitag die bevorzugte Stellung der beiden christlichen Kirchen im Bündnis. Damit sei "die Handschrift der Unionsparteien als Volksparteien mit einem christlichen Menschenbild in der Arbeit der großen Koalition deutlich erkennbar." Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die Kirchen seien "in einem ersten Schritt zu einem gesamtgesellschaftlichen Bündnis die richtigen Partner".
Unterdessen riss die Kritik an der ausschließlichen Beteiligung der katholischen und evangelischen Kirche beim Start des Bündnisses durch die Familienministerin nicht ab. Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte eine unverzügliche Erweiterung auf alle zuständigen Verbände und Berufsgruppen sowie anerkannte Religionsgemeinschaften. Ansonsten sei die Initiative kontraproduktiv und sollte zurückgezogen werden, sagte Generalsekretär Stephan J. Kramer.
Die zweitgrößte Lehrerorganisation in Deutschland, der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach von einem "unausgegorenem Schnellschuss." Verantwortung für Erziehung sei nicht einzig bei den christlichen Kirchen angesiedelt, sagte VBE-Vorsitzender Ludwig Eckinger. Der VBE ist aus mehreren christlichen Lehrervereinen hervorgegangen.
Kritik kam auch vom SPD-Koalitionspartner. Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christel Humme, warnte vor einer Ausgrenzung der anderen Religionsgemeinschaften. "Religiöse Werte sind nicht auf die katholische und evangelische Kirche beschränkt", sagte sie der "Financial Times Deutschland". Die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD), sagte, es wäre dem ansonsten begrüßenswerten Ziel der Ministerin "mehr gedient, wenn das Bündnis in größerer Breite geschmiedet worden wäre." Ähnlich äußerte sich auch SPD-Fraktionsvize Nicolette Kressl im Deutschlandfunk.
Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wilhelm Schmidt, sagte, bei einem solchen Bündnis gehörten "alle an einen Tisch, die kompetent zum Thema etwas beizutragen haben." Die AWO sei bundesweit Träger von fast 3000 Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die auch in jenen problematischen Stadtteilen zu finden seien, "wo es wehtut". Kritisch zu der prägenden christlichen Ausrichtung des Bündnisses äußerten sich zudem die Humanistische Union sowie Schwulen- und Lesbenorganisationen.
Ein Sprecher des Bundesfamilienministerium zeigte sich von der heftigen Kritik "etwas überrascht." Wer möchte, könne sich auch beteiligen: "Die Tür steht weit offen." Im übrigen seien die großen Wohlfahrtsverbände darüber informiert gewesen, dass im Herbst ein weiteres Treffen auch mit anderen Relegionsgemeinschaften und der Wirtschaft vorgesehen sei.
Erstellt: 23.04.06, 17:18 Betreff: Re: Bündnis für Erziehung = Zwangsmissionierung des Ostens?druckenweiterempfehlen
Gestern (22./23.4.2006) erschien in der LVZ auf der 4. Seite ein Artikel von Jürgen Kochinke "Jung. weiblich, fremdenfeindlich. Alamierende Studie: Christen rassistischer als Konfessionslose"
Rein wissenschaftlich und historisch gefragt, woher nimmt die Familienministerin die Selbstsicherheit und den Optimismus, dass christliche Wertebesinnung und -erziehung den besseren Menschen hervorbringt?