MENSCHENSKIND Finanzsenator Thilo Sarrazin bringt die Einrichtungen in große Gefahr
Berlin - Sie sind schon seit langem kein Hort der Glückseligkeit mehr: die Kindertagesstätten der Hauptstadt. Schmalhans ist Küchenmeister. Nun geht's brutal an die Substanz.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, zum KURIER: "Wenn sich Herr Sarrazin mit seiner Meinung, die städtischen Kitas hätten eine finanzielle Überausstattung von 300 Millionen Euro durchsetzt, müsste jede dritte der insgesamt 800 Einrichtungen mittelfristig schließen oder aber jeder zweite Erzieher gehen."
Ein langsames, schmerzvolles Sterben zeichnet sich ab. Zu spüren auch in der Kita Ortolanweg in Britz. Eine eher wohlhabende Gegend für Neuköllner Verhältnisse – kein Hundekot auf den Straßen, viel Grün, sozialer Wohnungsbau. Doch Kitaleiterin Monika Feis (46) klagt: "Als Reaktion auf die drastischen Gebühren-Erhöhungen haben zwanzig Eltern ihre Kinder bereits abgemeldet." Zurzeit werden dort 171 Mädchen und Jungen betreut. 2005 werden es nur noch etwa 90 sein, da die Horte die vorschulische Erziehung übernehmen. Im Jahr darauf 70... Feis: "Klar, dass dann auch das Personal halbiert werden müsste. Es herrscht Angst unter den Kollegen. Eltern sind verunsichert, fragen nach der Zukunft unserer Einrichtung ."
Für GEW-Chef Thöne stellt der Senat die falschen Weichen: "Die städtischen Kitas bluten nach und nach aus. Mit der Verlagerung der vorschulischen Ausbildung an die Horte verlieren sie 3500 ihrer 12 000 Erzieher. Schließzeiten werden unvermeidlich länger. Das Verhältnis zwischen Angebot und Kosten stimmt nicht mehr. Ein Teufelskreis, den der Senat unterbrechen muss." Der Chef des Landeselternausschusses für Kindertagesstätten, Robert Podolski: "Seit In-Kraft-Treten der neuen Gebühren wurden allein in Steglitz-Zehlendorf 200 Kinder abgemeldet. Berlinweit dürften es inzwischen bis zu 1000 sein."