Thomas Kujawa
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Erstellt: 25.09.03, 13:22 Betreff: Bei Kindertagesstätten hat Kahlschlag in Sachsen begonnen
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© Leipziger Volkszeitung vom Donnerstag, 25. September 2003
Dresden. Eigentlich hat Helma Orosz (CDU) eine klare Meinung. Zugangsbeschränkungen im Kita-Bereich seien "schizophren", sagte Sachsens Sozialministerin vor kurzem, einen Ausschluss von Kindern aus sozial schwachen Familien werde sie "auf keinen Fall akzeptieren". Der Warnruf hat einen einfachen Grund: Während Ministerium und Verbände über "Mindeststandards" bei den Kitas streiten, hat der landesweite Kahlschlag längst begonnen. Satte 16 Städte und Landkreise haben bereits Zugangshürden aufgebaut oder sind dabei, sie zu beschließen (siehe Kita-Fakten). Und meist ist die Stoßrichtung die gleiche: Ausgeschlossen werden Eltern ohne Job.
Bestes Beispiel dafür ist Kamenz. Der Beschluss des Kreises vom Juli ist eindeutig: Ist ein Elternteil nicht berufstätig, fällt die Betreuung für Kinder bis zweieinhalb Jahren aus. Und auch danach wird die Zeit reduziert - bis zum Alter von drei Jahren auf viereinhalb Stunden täglich, anschließend auf sechs. Für den PDS-Sozialexperten Falk Neubert ist das eine "soziale Katastrophe". Immer mehr Städte und Kreise würden aus Geldmangel bei den Kitas kürzen, betroffen seien die sozial Schwachen. Neubert fordert von Orosz harte Worte. "Die Ministerin muss politisch handeln, Lavieren reicht nicht mehr."
Während die PDS punkten kann, stellen die Kita-Kürzungen die Sozialdemokraten auf eine harte Probe. Offizielle Linie der Landes-SPD ist es, Zugangskriterien generell abzulehnen. In einem Parteitagsbeschluss vom August '02 heißt es: "Der Landesparteitag spricht sich für eine Kindertagesstätte ohne Zugangskriterien in Sachsen aus." Landtagsfraktion und SPD-Kommunalpolitik werden aufgefordert, "sich dafür einzusetzen, dass in keiner Kommune der Besuch einer Kinderkrippe oder eines Kindergartens an den Nachweis eines besonderen Bedarfs gebunden ist".
Doch die Realität sieht anders aus, nicht zuletzt in Leipzig und im Kreis Leipziger Land. Die Messestadt will Kleinkinder vor dem 18. Lebensmonat generell nicht mehr betreuen - es sei denn, beide Eltern sind erwerbstätig. Eine Hortbetreuung soll es künftig nur noch bis zur 2. Klasse geben, und die Zeit wird reduziert: auf sechs Stunden in der Regel. Im Leipziger Land ist die Betreuung auf 30 Stunden pro Woche begrenzt, auch nur für Arbeitslose.
Die Rolle von SPD-Hoffnungsträger Wolfgang Tiefensee in Leipzig hat bei der Landes-SPD zu erheblichen Sorgenfalten geführt. "Wir können die Familien doch nicht unterschiedlich behandeln", sagt Gisela Schwarz, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, und hält am Votum der Parteibasis fest. Schwarz versucht bereits, die Kommunen auszubremsen und lässt vom Landtag prüfen, ob Kommunen überhaupt das Recht haben, Zugangskriterien zu erlassen.
Und auch in Leipzig will die Abgeordnete das Schlimmste verhindern. Ihre Hoffnung lautet: Bisher handele es sich um eine Rathausvorlage, die Genossen der Stadtratsfraktion könnten ja noch einlenken. PDS-Mann Neubert hat es da einfacher. "Die Verwaltung von Herrn Tiefensee", meint er ätzend, "hat offenbar selbst die CDU-Landesregierung rechts überholt."
Sven Heitkamp und Jürgen Kochinke
Thomas Kujawa --- Wer nicht fragt, kriegt keine Antwort.
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