Autor : Florian Baumann E-mail: Artikel vom: 10.10.2003
Kurz vor der Sommerpause haben Abgeordnete aller Fraktionen einen Initiative zur Einführung eines Wahlrechts für Kinder eingebracht. Die Lösung aller Probleme? Von Florian Baumann.
Gut 20% aller Deutschen sind noch keine 18 Jahre alt und somit nicht wahlberechtigt. Befürworter des Kinderwahlrecht sehen darin die Ursache, dass in der Bundesrepublik die Interessen von Kindern und Jugendlichen keine Beachtung finden. Zudem sei das Wahlalter willkürlich gesetzt und verstoße folglich gegen dass Grundgesetz. Dort steht nämlich: "Alle Macht geht vom Volk aus." Das Wahlrecht für alle Bundesbürger soll diese Missstände beseitigen.
Säuglinge im Wahllokal
Dass Kleinkinder nicht selber wählen können leuchtet jedem ein. Das Wahlrecht würde deswegen bis zur Volljährigkeit treuhänderisch von den Eltern ausgeübt. Jedem Elternteil stünde pro Kind eine halbe Stimme zur Verfügung. Je nach Alter und geistiger Reife in Absprache mit den Kindern. Dadurch hätte der Wille von Kindern und Jugendlichen Einfluss auf den politischen Prozess. So die Theorie.
Demokratie pur
In der Realität entstünden daraus zahlreiche Probleme. Wer könnte zum Beispiel garantieren, dass Eltern wirklich im Sinne des oder der Kinder abstimmen? Besonders, wenn sich die politische Gesinnung der Erziehungsberechtigten fundamental von der des Nachwuchses unterscheidet. Würde ein Vater, der überzeugter SPD-Wähler ist tatsächlich seiner halbwüchsigen Tochter zuliebe FDP wählen? Nur, weil die Guido und sein Spaßmobil so cool findet? Was wäre, wenn die Eltern unterschiedliche Parteien bevorzugen? Dadurch würden sich die zusätzlichen Stimmen neutralisieren.
Rechtliche Bedenken
Aber nicht nur bei der aktiven Umsetzung des Kinderwahlrechts würden Probleme entstehen. Auch von rechtlicher Seite gibt es Einwände. Zum einen ist die Teilnahme an Wahlen nicht das einzige Recht, das Heranwachsende erst ab einem bestimmten Alter ausüben dürfen. Auch die Geschäftsfähigkeit, oder Strafmündigkeit bestehen nicht von Geburt an. Schwerwiegender dürfte allerdings sein, dass für Wahlen der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit gilt, der nur in Ausnahmefällen übertragen werden darf. Generelle Abstimmung durch Treuhänder zählt wohl nicht zu diesen Ausnahmen. Die Tatsache, dass kinderreiche Familien bei der Stimmgewichtung bevorzugt würden, stellt zudem einen Bruch mit dem verfassungsrechtlich Prinzip der Gleichheit der Wahl dar.
Demographischer Aspekt
Das letzte, aber wohl am meisten überzeugende Argument ist die Altersverteilung in der Bundesrepublik. Den rund 16 Millionen Minderjährigen stehen mehr als 20 Millionen Bundesbürger über 60 gegenüber. Die demographische Entwicklung zeigt, dass diese Kluft in Zukunft noch größer wird. Hinzu kommt, dass die Wahlbeteiligung parallel zum Alter zunimmt. Auch rein rechnerisch hätte die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen somit kaum einen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung.
Rentnerrepublik Deutschland
Eine jugend- und familienfreundliche Politik wird diese Initiative nicht erreichen. Dennoch sieht sich die Bundesrepublik damit konfrontiert, dass immer häufiger heute anfallende Probleme zu Lasten zukünftiger Generationen verschoben werden. Auswege aus diesem Dilemma sind schwer zu finden. Die vernünftigste Alternative ist wohl die politische Bildung im Rahmen der schulischen Ausbildung auszuweiten, um so den Willen zur Partizipation zu erhöhen. Junge Erwachsene hätten dann immer noch die Möglichkeit die Entscheidungen bezüglich ihrer Zukunft zu beeinflussen. Eine weitere Chance könnte die Absenkung des Wahlalters darstellen. Einem 16-jährigen kann man durchaus zutrauen, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, auch ohne seine Eltern.