Hollis
Verärgert über Gibbs´ Reaktion, die sie alles andere als verstehen konnte, machte Hollis sich auf die Suche nach dem Kind. Die Schalter waren kaum beleuchtet und ihr fiel es schwer überhaupt etwas zu erkennen. Hin und wieder stolperte sie über einen Karton mit Katalogen oder ein liegen gebliebenes Gepäckstück. Sie rief laut den Namen des Kindes, aber erhielt außer dem unheimlichen Pfeifen des Windes keine Antwort. Frierend zog sie die Schultern zusammen und merkte wie die Kälte allmählich an ihr hoch zu kriechen begann. Wehmütig dachte sie an ihre neues, warmes Zu hause, wo die Sonne jetzt erst richtig aufging und strahlend blauer Himmel einen sonnigen Tag versprach. Obwohl Hawaii wahrscheinlich der Traum eines jeden Menschen war, musste Hollis gestehen, dass sie eine ganze Weile brauchte, um sich dort heimisch zu fühlen. Erst in den letzten Wochen und Monaten, seit sie Nick begegnet war und wieder eine Aufgabe hatte, begann das Heimweh zu verblassen. Nick, unweigerlich wurde ihr wieder der unausgesprochene Streitpunkt mit Gibbs bewusst und sie stieß einen wütendes „Verdammt“ aus. Natürlich mochte sie den Professor und seine lockere, zuvorkommende Art, aber erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass er nicht das war was sie wollte. Er war nicht Gibbs und würde nie Gibbs sein. Egal wie sie er sich bemühte. Egal was er tat. Ihr war klar geworden, dass sie ihn immer mit Jethro vergleichen würde. Schon als er sie küsste, war es nicht das Selbe und sie wusste, es wäre auch nie das Gleiche gewesen, wenn sie mit ihm geschlafen hätte. Ein Wenn, dass zu ihrer Erleichterung noch nicht der Fall war und nach den jetzigen Ereignissen auch nicht mehr eintreffen würden. Insofern... Darüber traute sie gar nicht weiter nachzudenken und konnte es auch nicht, weil ein entferntes Geräusch sie aufhorchen ließ.
Instinktiv ballte sich die Hand zur Faust und ging in Angriffsstellung über. Außerdem Mädchen lief schließlich auch noch ihr brutaler Vater herum und auf eine Begegnung mit dem legte sie keinen Wert. Im Schatten eines entfernten Infopoints glaubte sie etwas gesehen zu haben und rief erneut Shanias Namen. Es rührte sich jedoch nichts. Auf eine Art erleichtert und enttäuscht zugleich stieß sie die angehaltene Luft aus. Dabei bemerkte sie nicht, dass sich durch eine geplatzte Wasserleitung ein breiter Eisfilm in der Halle gebildet hatte. Schlagartig gingen die Beine mit ihr durch und ehe Hollis sich versah, fand sie sich unsanft auf dem Boden wieder. Ihre Schulter schmerzte und sie brauchte eine Weile um wieder auf die Beine zu kommen. Nach Halt suchend balancierte sie zurück zum Rollband, wo sie den Griff einer Tür zu greifen bekam. Da von Gibbs nichts mehr zu sehen war und er auch nicht auf ihr rufen reagierte, nahm sie an, dass er sich nicht mehr in der Halle aufhielt. Mit einem Ruck öffnete sie die Tür und fand sich in der Gebäckabfertigung wieder. Das Licht in der halb so großen Halle war noch spärlicher und sie brauchte eine Weile bevor sie sich orientiert hatte. Erneut begann sie die Namen der beiden zu rufen und achtete aufmerksam auf jeden Laut. Dann hörte sie plötzlich eine leise, kaum vernehmbare Kinderstimme „Hier. Hier bin ich.“
Der Stimme folgend fand die ehemalige Agentin sich vor einem großen Kofferberg wieder. „Shania, bist du das?“, fragte sie vorsichtig in den Berg hinein und begann langsam ein paar Koffer beiseite zu räumen. „Du brauchst keine Angst haben. Deine Mommy schickt mich, dich zu holen. Du erinnerst dich sicherlich an mich, ich bin die Frau mit den Plätzchen.“ Letzteres klang zwar ziemlich dämlich, aber ihr fiel keine bessere Beschreibung von sich ein. Während Hollis noch weiter wühlte, tauchte von der Seite plötzlich der dunkle Haarschopf eines kleinen Mädchens auf. Mit verheultem Gesicht kroch sie immer näher und blieb schniefend auf einer Tasche sitzen. „I-ich wollte nicht fort laufen, a-aber Ethan war sooo g-gemein zu mir und i-ich wollte doch nur meinen P-Pedro finden.“ Lächelnd legte die blonde Frau einen Arm um das Kind und zog sie zu sich in die Arme. Der kleine Körper zitterte und ließ sich kaum beruhigen. Erst nach einer ganzen Weile blickte Shania zu ihr auf. „D-da war vorhin ein Mann. Er hat meinen Namen gerufen und mich verfolgt. I-ich dachte es ist Ethan, aber er sieht anders aus.“
Irritiert blickte Hollis das Mädchen an und versuchte ihre Worte zu verstehen. „Und wo ist der Mann jetzt?“, wollte sie daraufhin wissen und folgte der Kleinen zu dem Kofferberg.
„Da“, bemerkte Shania nur und zeigte mit dem Finger auf ein Häufchen Elend zwischen diversen Koffern und Taschen. Erschrocken schlug Hollis die Hand vor den Mund als sie Gibbs dort liegen sah. Nachdem sie Shania beruhigt hatte, dass Jethro harmlos war und ihr nichts tun wollte, war sie sofort an seiner Seite. „Jethro, Jethroooo kannst du mich hören?“, fragte sie aufgeregt und schob einen schweren Samsonite Koffer beiseite.
Ethan
Unterdessen hatte Ethan die komplette Abfertigungshalle nach Shania auf den Kopf gestellt, doch nichts gefunden. Er fühlte sich sicher, nachdem er gesehen hatte, dass Maria mit den beiden Fremden vom Sicherheitsdienst abgeführt wurden war. Obwohl er einige Bedenken hatte, dass Maria die Klappe hielt, dachte er nicht weiter darüber nach. Die kleine Schlampe war schlau genug, um zu wissen, das sie ihre Tochter nie wieder sehen würde, wenn sie etwas verriet. Daher hatte er dem Ganzen keine weitere Bedeutung geschenkt und weiter nach dem Kind samt Teddy gesucht. Das Pech verfolgte ihn jedoch trotzdem weiterhin, als er dummer Weise auf einer glatten Stelle ausrutschte und er sich unter dem Tresen des Infopoints wieder fand. Sein Handgelenk schmerzte fürchterlich und er schaffte es nicht aufzustehen. Von irgendwo drang eine Stimme an sein Ohr, aber sein Kopf dröhnte von dem unsanften Aufprall so stark, dass er es nicht richtig realisierte.