Hollis
Mit voll geschlagenem Bauch lehnte Hollis in den Kissen und grinste vor sich hin. „Ja, da hast du wohl recht. Die Welt ist klein“, dabei spielte sie wohlweislich auf ihre eigne verhängnisvolle Begegnung auf dem Flughafen an. „Allerdings glaube ich kaum, dass Dr. Moore und ich gemeinsame Bekannte habe. Das hätte ich mir bei Dr. Kody eher vorstellen können, da mein Vater ebenfalls Tierarzt ist. Falls wir mal irgendwann ganz viel Zeit haben, musst du mich unbedingt nach San Francisco begleiten und meine Eltern kennenlernen.“, schwärmte Hollis und dachte unweigerlich an ihre Kindheit, die sie zwischen Weinbergen und der Tierarztpraxis mit ihren Brüdern verbracht hatte. Doch soweit waren sie noch lange nicht und bevor sie diesen Schritt wagten, mussten sie erst einmal ihr eigenes Leben auf die Reihe bekommen.
„Na, na, na… bevor hier eifrig Zukunftspläne geschmiedet werden, heißt es erst einmal gesund werden“, bemerkte Dr. Moore von der Tür aus und steuerte auf Hollis Bett zu. Die Agentin lachte und schob langsam die Beine unter der Zudecke hervor. „Da sind wir schon fleißig dabei, Doktor. Wir wollen schließlich bald Platz für neue Patienten machen.“
„Immer schön langsam mit den junge Pferden, Mrs. Mann. Ich habe schon von Dr. Kinning gehört, dass Sie beide scheinbar schnell das Weite suchen wollen. Auf eine Art kann ich Sie ja sogar verstehen,“, dabei zwinkerte die ältere Ärztin ihr grinsend zu, „aber Gesundheit geht nun mal vor und ich glaube, dass brauche ich ihnen nicht erklären. Also, dann wollen wir mal schauen was unter ihrem Verband los ist“ Mit diesen Worten half Dr. Moore Hollis aus dem Bett und war erstaunt wie gut die Agentin sich schon wieder bewegen konnte. Es wirkte zwar alles noch ein wenig mechanisch, aber sie konnte ihr immerhin ohne Hilfe zum Verbandswechsel in einen anderen Raum folgen.
Nachdem die Ärztin Hollis kurz darauf die Binde abgenommen hatte, konnte die Agentin zum ersten Mal einen Blick auf die Wunde werfen. Ein länglicher Schnitt zog sich unter ihrer Armbeuge entlang der Rippen. Er war fein säuberlich genäht und würde später keine allzu große Narbe verursachen.
„Sie haben wirklich verdammtes Glück gehabt“, riss Dr. Moore Hollis aus den Gedanken. „Der Splitter hing noch fest und war noch nicht gewandert, schaffte es aber trotzdem sehr schmerzhaft zu sein. Wenn Sie sich weiterhin schonen, keine falschen Bewegungen machen, nichts schwer heben – womit Sie hier zum Glück auch nicht in Berührung kommen werden – sehe ich gute Chancen, dass Sie in einer Woche nach Hause fliegen können.“
Hollis sah erneut an sich herunter und versuchte den Arm samt Schulter zu bewegen, was ihr allerdings nicht recht gelingen wollte. Ignorierte diese enttäuschende Tatsache jedoch und blickte wieder zu ihrer Ärztin. „Sind Sie sich, dass es eine ganze Woche dauern wird? Ich meine, ich kann doch laufen und fühle mich auch ansonsten wohl. Kann ich mich nicht in Washington weiterbehandeln lassen? Dort kann ich mich ebenso gut schonen?“
Die Ärztin lachte und schüttelte den Kopf. „Sie zwei sind mir schon ein Pärchen. Da kann ich mir doch gleich meine verlorenen zwanzig Dollar von Dr. Kinning wiederholen, denn er war der Meinung Sie seien vernünftiger als sein Patient und ihr Partner. Doch Sie beiden nehmen sich überhaupt nichts. Sie sind beide die Ungeduld in Person.“ Mit einer Handbewegung bat sie Hollis sich aufzurichten und begann den Verband neu anzulegen. „Sie haben doch selbst gerade gemerkt, dass ihr Körper noch nicht wieder das macht was er machen soll. Was drängt Sie also hier weg zu wollen? Und wieso eigentlich Washington? Sagten Sie nicht, Sie leben auf Hawaii?“
„Ja, das tue ich normaler Weise aus. Doch ich habe mich um entschieden und werde erst später dorthin zurückfliegen.“ Hollis hielt kurz die Luft an, als ihr der neue Verband angelegt wurde und es leicht schmerzte. Die Wunde war doch noch relativ frisch und sie war sich im klaren, dass Dr. Moore sie damit nicht eher gehen lassen würde.
„Ah so“, bemerkte die Ärztin verstehend und nickte. „Deswegen hat ihr dunkelhaariger Freund vorhin wahrscheinlich so eilig das Krankenhaus verlassen.“
Die Agentin hob nur die Augenbrauen. Sollte die Frau doch denken was sie wollte. Das Ganze war Geschichte und ging niemanden etwas an. Das einzig Wichtige war, dass sie so schnell wie möglich hier raus kam und endlich ihr Leben neu sortieren konnte. Nachdem alles erledigt war und Dr. Moore sich überzeugt hatte, dass auch alle andere Werte bei Hollis stimmten, brachte sie sie auf ihr Zimmer zurück und verabschiedete sich mit den Worten: „Und das Sie mir keine Dummheiten machen.“
Grinsend blieb Hollis stehen. „Aber nicht doch, was denken Sie denn von mir Dr. Moore“, und trat dann ins Zimmer. Seufzend schloss sie Tür hinter sich und lehnte sich an die Wand. „Ein Woche noch, Jethro. Eine Woche. Kannst du dir das vorstellen? Eine ganze Woche.“ Sie resignierte und ließ traurig die Schultern hängen. Die Ärzte waren nett und das Krankenhaus sehr ordentlich, aber trotzdem wollte sie keinen Tag länger hier bleiben.