Mrs. Mallard
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Erstellt: 05.04.09, 00:27 Betreff: Re: Ein Wintermärchen |
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Gibbs
Der Silberfuchs schmunzelte. "Okay, wie du willst," grinste er und zog Hollis mit sich ins Schlafzimmer. Als beide im Bett lagen, dachte er über Hollis Worte nach. Er war nicht sicher, ob der Ausflug nach Kalifornien für ihn wirklich so eine verlockende Alternative war. Er hatte Shannons Grab seit über zehn Jahren nicht mehr besucht, und mit jedem Jahr war die Angst vor der Rückkehr größer geworden. Er fürchtete die alten Wunden, die dort unweigerlich wieder aufreißen würden. Doch er wusste auch, dass es diesmal anders sein würde. Hollis würde an seiner Seite sein, und sie würde ihm helfen, mit der Trauer umzugehen.
Zu seiner Erleichterung schlief Hollis tatsächlich recht fest und wurde im Laufe der Nacht nur selten wach, wenn sein Handy ihn an die verfluchten Tropfen erinnerte. Am nächsten Morgen knurrte sein Magen bedrohlich, und die Aussicht, keinen Kaffee trinken zu können, ließ seine Laune in sehr bedenkliche Tiefen rutschen. Dennoch riss er sich zusammen, um Hollis nicht unnötig anzufahren. Der Verbandswechsel wurde mehr oder weniger zu einer liebevollen Kuschelei, die ihn zumindest ein bisschen besänftigte. Und seine Freundin hatte genug Verständnis für seine Situation, ihn nicht unnötig zu reizen. Selbst Shania war an diesem Morgen ungewöhnlich ruhig.
Auf dem Weg zum Hauptquartier sank Jethros Laune jedoch wieder bedenklich. Im entkoffeinierten Zustand fiel es ihm noch schwerer als sonst, Ducky an sich heranzulassen, und Leon Vance sollte ihm in diesem Zustand besser gar nicht erst über den Weg laufen. Der Agent wusste, dass er im Falle des Falles für nichts garantieren konnte. Hollis hielt kurz vor dem Navy Yard, um ihn aussteigen zu lassen. "Ruf an, wenn ich dich abholen soll!" rief sie ihm nach. "Ich komme mit dem Taxi, mach dir keine Umstände!" antwortete er, während er bereits auf den Eingang zumarschierte. Im gleichen Moment klingelte sein Handy.
"Ja, Gibbs?" fauchte er, ohne auf das Display zu sehen. "Aha, das ist gut. Gib dein Bestes!" kommandierte er noch, ehe er direkt wieder auflegte. Am Haupteingang hatte sein alter Bekannter Henry an diesem Morgen Dienst, der den Grauhaarigen schmunzelnd begrüßte. "Ein Frohes Neues Jahr wünsche ich noch," lachte der Wachmann. "Was ist denn mit dir passiert, war dir Weihnachten zu langweilig?" Jethro lachte ebenfalls und hüpfte ohne eine Antwort in den Fahrstuhl.
Ducky empfing seinen alten Freund wie immer in bester Laune. "Setz dich," lud er ihn ein. "Ich bin gleich für dich da, und ich kann dich beruhigen - es wird nicht lange dauern." Jethro nickte und begann bereits, seinen Ärmel hochzukrempeln. "Hat der Verbandswechsel bei Mrs. Mann gut geklappt?" wollte der Pathologe wissen, während er den Oberarm abband und die Armbeuge desinfizierte. "Ja," brummte Gibbs und wartete ungeduldig darauf, dass Ducky endlich fertig wurde. "Es sieht gut aus, soweit ich das als medizinischer Laie beurteilen kann. Und sie hat keine Schmerzen." "Das ist gut," antwortete Ducky und löste die Blutstauung bereits wieder auf. Das Handy des Agenten klingelte erneut, und mittlerweile klang seine Stimme schon wesentlich freundlicher. "Das ist nicht dein Ernst!" rief er überrascht. "Das ist großartig, die Kleine wird an die Decke springen vor Freude! Du bist sicher, dass das klappt?!" Er schwieg eine Weile und hörte zu, ehe er mit einem "Danke, Tobias, du bist der Größte!" auflegte. Sein nächster Blick galt Ducky.
"Duck, wie lange brauchst du, bis du mit deiner Auswertung fertig bist?" "Ich denke, bis heute Mittag," antwortete der Pathologe. "Warum ist das so wichtig?" "Nun," begann Jethro, "wenn alles in Ordung ist, spricht sicher nichts dagegen, dass Hollis und ich ein paar Tage verreisen, oder? Medikamente habe ich genug auf Vorrat, und ob ich hier herumhänge oder woanders, dürfte wohl keine große Rolle spielen, oder?" Ducky grinste. "Wir werden sehen, JEthro. ABer ich gehe nicht davon aus, dass es Probleme geben wird."
Die nächsten Stunden verbrachte der Agent mit allerlei Schreibkram im Hauptquartier, bis der erlösende Anruf von Ducky kam, dass seinen Reiseplänen nichts mehr im Wege stand. Eine Sekunde später waren Flugtickets und Unterkunft endgültig gebucht. Er freute sich schon darauf, die freudigen Gesichter der beiden Frauen zu sehen. Auf dem Weg zum Taxistand traf er erneut auf Henry, der gerade nach HAuse fahren wollte. "Soll ich dich ein Stück mitnehmen?" fragte er freundlich. "Nein, danke," wehrte Gibbs ab. Er lehnte sich an die geöffnete Tür und plauderte eine Weile mit dem Wachmann, bis dieser erschrocken auf die Uhr sah. "Verflixt! Meine Frau wird mir die Hölle heiß machen!!" Jethro lachte und griff nach der Autotür, um sie kräftig zuzuschlagen. Allerdings hatte er übersehen, dass seine rechte Hand noch am Rahmen dieser Tür Halt suchte.
"Verdammt!!!" fluchte er, den Schmerz verzweifelt unterdrückend. Es gelang ihm so gerade noch, Henry davon zu überzeugen, dass nicht viel passiert war und er beruhigt nach Hause fahren konnte. Doch ein Blick auf die stark blutenden Finger machte ihm klar, dass er schleunigst zu Ducky zurückkehren sollte. Ein Tag, der ohne Kaffee begann, konnte wohl nicht besser werden...
Als der Agent einige Stunden später nach Hause zurückkehrte, starrten Hollis und Shania ihn fassungslos an. Seine rechte Hand steckte in einem stabilen Verband, der es ihm schwer machte, selbst die Krücke vernünftig zu greifen. "Was ist passiert?!" fragte Hollis entsetzt. "Autotür," erwiderte Jethro knapp. "Aber ich habe gute Neuigkeiten." Er humpelte zu einem Stuhl, setzte sich und griff gleichzeitig nach einer Tasse Kaffee. "Tobias hat angerufen," erklärte er geheimnisvoll. "Im Staatsgefängnis von Virginia ist überraschend ein Platz im Mutter- Kind- Programm freigeworden, und Tobias hat es irgendwie geschafft, die Familie Mondego dort unterzubringen." Es dauerte einen Moment, bis die beiden begriffen. "Heißt das, ich darf wieder zu meiner Mom?!" schrie Shania und sprang aus dem Stand in seine Arme. "Yep, genau das heißt das. Morgen früh fahren wir dich hin!" Auch Hollis verbarg ihre Freude nicht, doch der Agent konnte auch Wehmut in ihren Augen erkennen. Shania war ihr ans Herz gewachsen, und er beschloss, mit seiner anderen Überraschung bis zum Abend zu warten. Zumal das mittlerweile wohl eher zwei Überraschungen waren - und nur eine davon eine gute.
Einige Stunden später krochen die beiden Erwachsenen müde unter die Bettdecke, nachdem sie noch einen sehr amüsanten Abend mit der kleinen Mexikanerin verbracht hatten. "Holly?" murmelte Jethro, nachdem er sich sanft an sie gekuschelt hatte. "Erinnerst du dich an deine Worte von gestern? Im Keller? Was du über... Kalifornien gesagt hast?" Mit einem Ruck drehte die blonde Frau sich um. Sie ahnte, was folgen würde - immerhin wusste Gibbs offensichtlich schon länger, dass Shania zu ihrer Mutter zurückkehren konnte. "Das ist nicht dein Ernst!" entfuhr es ihr. "Doch...." schmunzelte der Agent leise. "Morgen mittag geht unser Flieger - wenn du willst." "Das fragst du noch? Natürlich will ich!" Hollis war unsicher, ob er wirklich ihr die Entscheidung überlassen wollte oder ob er einfach selbst einen Rückzieher plante.
Der Silberfuchs legte sich zurück und zog Hollis Kopf fest auf seine Brust. "Holly..." flüsterte er leise, "ich will auf jeden Fall mit dir nach Kalifornien fliegen. Und ich WERDE auf jeden Fall mit dir dorthinreisen. Es ist nur so... es gibt da... noch ein Problem. " Vorsichtig hob Hollis den Kopf und blickte ihn an. "Ich weiß, dass du... dass du gewisse Dinge nicht magst," fuhr Jethro fort. "Es ist so... die Sache mit der Autotür war nicht geplant. Ich bin Rechtshänder und... und ich muss nach wie vor die Prophylaxe spritzen. Das geht mit dem Verband nicht. Wenn wir hierbleiben, kann Ducky das übernehmen, das ist kein Problem. Aber es würde bedeuten, dass wir frühestens in zwei Wochen fliegen können, eher später. Und dann bin ich vermutlich nicht mehr krankgeschrieben - ich weiß nicht, ob Leon mir Urlaub bewilligt, wenn wir einen neuen Fall bekommen."
Er schwieg einen Moment. "Die Alternative ist, dass du das übernimmst." Er spürte, wie Hollis sich verspannte. "Ich weiß, dass dir das zuwider ist. Aber ich... ich wollte dich trotzdem zumindest fragen." Er hoffte, dass Hollis spürte, wie wichtig ihm dieser Ausflug nach Kalifornien war. "Es ist... es ist ganz einfach," erklärte er, um ihr klar zu machen, worauf sie sich einließ. "Im Grunde gibt es zwei, hm, Zielregionen. Wenn du den Bauch nimmst, so wie ich es mache, musst du mit der einen Hand eine Hautfalte nehmen und mit der anderen die Spritze - und dann einfach reinstechen. Falls... falls es dir leichter fällt, wenn du mich dabei nicht angucken musst, reicht auch das Hinterteil. Da brauchst du dich dann nicht mehr um Hautfalten oder ähnliches kümmern, da musst du nur... reinstechen. Es tut mehr weh als am Bauch, aber ich werde mich nicht beschweren." Er schwieg und zog die schreckstarre Frau noch fester an sich. "Um genau zu sein, müsste ich eigentlich jetzt schon wieder spritzen. Aber wenn ich morgen früh zu Duck fahre, wird mich das auch nicht umbringen." Er strich sanft über ihren Rücken. "Ich liebe dich," flüsterte er in ihr Ohr. "Egal, wie du dich entscheidest." Er drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn und wartete in aller Ruhe ab, wie sie sich entscheiden würde.
[editiert: 07.04.09, 19:25 von Mrs. Mallard]
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